Die Post kommt
Die Aktie der Deutschen Post macht den Anlegern Freude. Nun wird sie in den EuroSTOXX-Index aufgenommen. Soll man jetzt noch zugreifen?
Am 23. September ist es soweit. Die Aktie der Deutschen Post wird in den EuroSTOXX 50 aufgenommen und steigt somit in die Champions-League für börsennotierte Unternehmen innerhalb der Eurozone auf. Einen wichtigen Part am Aufstieg in den Eliteindex nimmt eine Wandelanleihe ein, die zur Zunahme des Anteils von frei handelbaren Aktien führte. Der wahre Vater der Erfolgsgeschichte aber ist der boomende Internethandel, an dem der Bonner Konzern kräftig mitverdient. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil man vor wenigen Jahren noch dachte, dass gerade das Internet mit seinen E-Mails dem Briefeversender die Geschäfte verderben werde. Nun ist Gegenteil passiert: Es wird immer mehr im Internet gekauft, und einer muss die Ware ja zu den Kunden bringen.
Wer sich also in den letzten Monaten zum Erwerb der Deutschen Post-Wertpapiere entschied, der dürfte heute sehr zufrieden sein. Alleine in den vergangenen drei Monaten legte die Aktie um 17 Prozent zu, im Vergleich zum Vorjahr sogar um mehr als 40 Prozent. Trotz dieses rasanten Wachstums ist das KGV mit einem Wert von 13 noch relativ günstig bewertet. Aktionäre, die sich für hohe Dividendenrenditen interessieren, sind bei der Deutschen Post ebenfalls an der richtigen Adresse. Bei dem ehemaligen Staatsunternehmen gibt es beachtliche knapp vier Prozent. Auch aus charttechnischer Sicht ist die Aktie laut reihenweiser Studien der einschlägigen Analysten ein Kauf.
In dem fortgesetzten Höhenflug der Aktie steckt freilich auch das Risiko für Anleger. Manchen scheint die Party schon gelaufen. „Wenn sich die Aktie eines Traditionsunternehmens in zwei Jahren verdoppelt, dann ist Vorsicht geboten”, meint ein erfahrener Händler in Frankfurt. Das Risiko für größere Gewinnmitnahmen steige. Außerdem müsse man die Verschuldung des Unternehmens im Auge behalten, die bei wieder steigenden Zinsen von Investoren sofort wieder thematisiert werde. Und der immer offener werdende Markt der Branche mache die Post auch für Attacken von neuen Konkurrenten anfällig, vermerken die Skeptiker.
Gute Prognosen für die gute alte Post
Die meisten Fundamentalanalysten zeigen sich freilich optimistisch. Die Commerzbank hat das Kursziel für die Deutsche Post nach Zahlen von 22 auf 25 Euro angehoben und die Einstufung auf "Buy" belassen. Die Margen und der Free Cashflow des Expressgeschäfts hätten im zweiten Quartal des Logistikkonzerns deutlich über den Erwartungen gelegen, schrieb Analyst Volker Braun. Die DZ Bank hat den fairen Wert für Deutsche Post nach Zahlen von 21 auf 23 Euro angehoben und die Einstufung ebenfalls auf "Kaufen" belassen. Nach Vorlage des soliden Quartalsberichts erhöhte Analyst Dirk Schlamp seine Gewinnschätzungen leicht. Der Experte sieht die Deutsche Post sehr gut positioniert. Die langfristigen Wachstumsaussichten seien attraktiv. Die Ergebnisentwicklung dürfte weiterhin von der führenden Marktposition von DHL Express in der Wachstumsregion Asien profitieren.
Einen zusätzlichen Schub könnte das Papier durch freundliche Kommentare wie die von Analyst Markus Glockenmeier von der National-Bank AG bekommen. Demnach sei die Indexaufnahme als positiv einzustufen, das Kursziel wurde von 25 auf 26 angehoben. Fonds, die den europäischen Leitindex nachbildeten, fragten die Aktie nun nach. Auch wegen des Bewertungsabschlags im Vergleich zu den Titeln der Konkurrenz dürfte sich der Kursanstieg trotz der bereits bemerkenswerten Zuwächse fortsetzen.
Für die kommenden Wochen liegt das Augenmerk der Analysten hinsichtlich der Entwicklung des operativen Geschäfts besonders auf möglichen Veränderungen des Portopreises. Im Herbst soll es nämlich eine Überprüfung für die Formel der Portoerhöhung geben. Eine erneute Steigerung des Briefportos gilt allerdings als wenig wahrscheinlich, da die letzte erst im vergangenen Jahr erfolgte, wie Commerzbank-Analyst Johannes Braun feststellt. Eine Preissteigerung oder -senkung um ein Prozent verändere das operative Ergebnis der Post um 30 Millionen Euro.
Neue Märkte für die leckere neue Post
Ein neues Wachstumsfeld hat das Unternehmen im Online-Lebensmittelhandel entdeckt. Bis 2015 will die Deutsche Post in allen größeren Städten und Ballungsräumen Nahrung ausliefern. Zum heutigen Zeitpunkt werden trotz einer Vielzahl von Anbietern erst 0,2 Prozent aller Lebensmittel im Internet bestellt, während es in Großbritannien beispielsweise drei bis fünf Prozent sind. „Der Lebensmittelversand ist gewissermaßen der Mount Everest der Privatkundenlogistik", meint Andrej Busch, der das deutsche Paketgeschäft bei dem ehemaligen Monopolisten verantwortet: „Wir versuchen gerade, diesen Berg zu erklimmen." Bestellt werden die Lebensmittel bei Online-Supermärkten wie Rewe online, Biodirekt, Mytime oder Allyouneed. Durch die Lieferung der Ware in gekühlten Mehrwegboxen hoffen die Bonner dem Lebensmittelhandel in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Insbesondere bei älteren Kunden und jungen Familien, die ihre Supermarkt-Einkäufe nicht mehr bis nach Hause tragen können oder wollen, könnte das Lieferangebot der Deutschen Post auf Zustimmung treffen. Geliefert wird von dem Logistikunternehmen am Tag der Bestellung. Dabei kann der Kunde zwischen zwei Lieferzeiten nach Feierabend wählen: Zwischen 18 und 20 Uhr oder zwischen 20 und 22 Uhr. „Für die Kunden ist es unheimlich wichtig zu wissen, wann wir kommen”, so Busch. Er ist davon überzeugt, dass sein Geschäftsmodell in Deutschland gut ankommt: „Das Potential für unser heimisches Geschäft ist riesengroß.”
Kein Wunder also, dass sich die Innovationskraft der Deutschen Post, ihr digital beflügeltes Paketgeschäft, sowie die baldige Zugehörigkeit zum Spitzenindex EuroSTOXX50 positiv auf die jüngsten Zahlen des zweiten Quartals auswirken. Darüberhinaus werden viele internationale Investoren erst jetzt auf den deutschen Konzern aufmerksam. Es spricht also einiges dafür, dass beim Bonner Logistikunternehmen auch weiterhin die Post abgeht. WIM