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Die Zukunft liegt in Europa

Von einem positiven Image ist der russische Energieriese Gazprom in etwa so weit weg wie Russlands Präsident Wladimir Putin davon, ein guter Demokrat zu sein. Dennoch läuft das Geschäft in Europa wie geschmiert. In den Staaten der ehemaligen Sowjetunion allerdings ist erheblich viel Sand im Getriebe, eine strategische Umorientierung bahnt sich an.

BÖRSE am Sonntag

Von einem positiven Image ist der russische Energieriese Gazprom in etwa so weit weg wie Russlands Präsident Wladimir Putin davon, ein guter Demokrat zu sein. Dennoch läuft das Geschäft in Europa wie geschmiert. In den Staaten der ehemaligen Sowjetunion allerdings ist erheblich viel Sand im Getriebe, eine strategische Umorientierung bahnt sich an.   

Einen besonders glücklichen Eindruck hinterließ Sergey Vakulenko, Chef für Strategie und Planung bei Gazprom, vor wenigen Tagen spätnachts in einer Davoser Bar nun wahrlich nicht. Dabei sollte ihm stellvertretend für sein Unternehmen ein Preis verliehen werden. Doch anstatt ihn mit stolzgeschwellter Brust und einem freudestrahlenden Lächeln entgegenzunehmen, verließ Vakulenko ohne Pokal kurzerhand das Lokal. Ihm war wohl bewusst, dass diese Auszeichnung kein Ruhmesblatt für den weltgrößten Erdgasförderer ist. Und tatsächlich handelt es sich bei dem Public Eye Award um einen Negativpreis, der jedes Jahr am Rande des Weltwirtschaftsforums an das Unternehmen verliehen wird, welches sich gegenüber Mensch und Umwelt besonders verantwortungslos gezeigt hat. Gazprom bohre in der Barentssee in der Arktis nach Erdöl und riskiere dabei Umweltschäden, hieß es in der offiziellen Erklärung der Preisverleiher. Seit 2000 wird dieses Projekt von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt durchgeführt und lässt erahnen, wie schlimm es um den Ruf des russischen Gasriesen bestellt ist.

Neben den erheblichen Imageproblemen hat Gazprom-Chef Alexei Borissowitsch Miller derzeit besonders mit Gewinnrückgängen zu kämpfen. Die kürzlich veröffentlichten Zahlen des dritten Quartals 2013 dokumentieren einen Einbruch um zehn Prozent auf 276,1 Milliarden Rubel, etwa 5,98 Milliarden Euro. Grund sind unter anderem immense Betriebskosten und geringe Einnahmen aus Finanzgeschäften. Außerdem machen hohe Produktionskosten, die hohe Steuerlast und schwache Rohstoffpreise dem Energiegiganten zu schaffen. Im russischen Heimatmarkt und in den benachbarten Staaten der ehemaligen Sowjetunion gibt es erhebliche Probleme.

Im Inland, wo Gazprom die Hälfte seines geförderten Gases absetzt, muss es der Energieriese  günstig auf dem preislich regulierten Markt anbieten. Doch auch wenn es um Exporte geht, setzt die russische Regierung den Weltkonzern immer häufiger als seinen verlängerten Arm ein. So musste das 1992 gegründete Unternehmen erst kürzlich den Preis, den die Ukraine zu zahlen hat, schlagartig nach unten korrigieren, um das Land politisch an den Kreml zu binden. Zusätzliche Bauchschmerzen dürften Miller einige aufstrebende private Produzenten sowie der staatliche Öl-Gigant Rosneft sorgen, die kontinuierlich an Marktanteilen gewinnen. Aktuellen Prognosen der  Investmentbanken Sberbank CIB und Uralsib Capital zufolge werden Gazproms innerrussischer Marktanteile von derzeit 73 Prozent bis zum Jahr 2020 auf maximal 57 Prozent schrumpfen.

China-Geschäft könnte neue Türen öffnen

In Peking verhandelt der russische Großkonzern mit Sitz in Moskau über einen umfangreichen Exportvertrag  im Ausmaß von jährlich 38 Milliarden Kubikmeter. Allerdings gestalten sich die Gespräche mit der dortigen Gasgesellschaft CNPC als sehr zäh. Immerhin einigte man sich kürzlich darauf die Vorbereitung des Vertrages bis Mai abschließen zu wollen. Ob es allerdings tatsächlich zu einer Einigung kommt, die Gazprom ganz neue Möglichkeiten eröffnen würde, steht zum aktuellen Zeitpunkt noch in den Sternen. In den vergangenen sieben Jahren blieben sämtliche Verhandlungen im Reich der Mitte ohne Erfolg.

Für Hoffnung sorgt indes der bedeutende europäische Markt, der inzwischen etwa ein Drittel seines gesamten Energiebedarfs durch Gazprom deckt. Hier erwirtschaftet der Gasriese gut die Hälfte seines Umsatzes. Im vergangenen Jahr lag das Exportvolumen nach Europa deutlich über den Erwartungen. Durch die Lieferung von 161,5 Milliarden Kubikmeter Gas verzeichnete Gazprom, das zu 50 Prozent dem russischen Staat gehört, ein Plus von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach Deutschland wurde im vergangenen Jahr sogar rund 21 Prozent mehr Gas gepumpt. Ausschlaggebend für diese positive Entwicklung ist nicht zuletzt eine geschickte Preispolitik. So hat das Unternehmen den Kunden in Europa Rabatte eingeräumt, diese dankten es Gazprom und fragten mehr nach. Außerdem profitierte der von Alexei Miller geleitete Energiekonzern von den nachlassenden Lieferungen aus Norwegen und Nordafrika, und füllte diese Lücke.

Höhere Dividendenrendite durch Olympia

Die Gazprom-Aktie rückt zunehmend auch in das Blickfeld vieler Aktionäre. Zwar hat sich das Papier in den vergangenen drei Jahren tendenziell nach unten entwickelt und war keine gute Anlage, doch jetzt erwarten viele Analysten eine Steigerung der Attraktivität der Aktie. Ein Grund dafür ist der Wille der russischen Regierung, wonach staatlich kontrolliere Unternehmen zukünftig mindestens 25 Prozent des IFRS-Gewinns ausschütten sollen. Demnach gehen Analysten von einer kräftigen Erhöhung der Dividendenrendite im Fall Gazprom aus, 2013 lag sie bei 5,26 Prozent. Außerdem könnte dem Wertpapier zu gute kommen, dass die russische Wirtschaft sich momentan in ordentlicher Verfassung befindet. „Besonders im Vergleich zu Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und der Türkei steht Russland besser da“, analysiert Peter Szopo, Russland-Experte und Spezialist für Aktien aus Osteuropa von Erste Asset Management, die aktuelle Situation. Kurzfristig dürfte die Aktie deutliche Impulse durch die Olympischen Spiele in Sotschi erhalten, die am 7. Februar beginnen. In den vergangenen 30 Jahren gab es durch fast alle Winterspiele positive Effekte an den Börsen der austragenden Länder.