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Facebook: Krieg um die Werbung

Wenn es ums Geschäft geht, fackelt der nette Mark Zuckerberg nicht lange: Der von ihm aus der Taufe gehobene Facebook-Konzern geht konsequent gegen das deutsche Start-Up Adblock Plus vor, das Werbung auf den Seiten des sozialen Netzwerks ausfiltern will. Es ist ein Kleinkrieg in einen großen Konflikt.

BÖRSE am Sonntag

Wenn es ums Geschäft geht, fackelt Mark Zuckerberg nicht lange: Der von ihm aus der Taufe gehobene Facebook-Konzern geht gegen das deutsche Start-Up Adblock Plus vor, das Werbung auf den Seiten des sozialen Netzwerks ausfiltern will. Es ist ein Kleinkrieg in einen großen Konflikt.

Dieses Thema ist wichtig, daran lässt Facebook keinen Zweifel. Als die Macher von Adblock Plus diese Woche begannen, Anzeigen in der Timeline des sozialen Netzwerks auszufiltern, reagierte der Konzern prompt: Er passte seinen Programmcode an, damit auch Nutzer mit dem Werbeblocker die Werbung sehen. Und als Adblock Plus am Donnerstag den Filter neu einstellte, ließ die Reaktion ebenfalls nicht auf sich warten.

Ihrem Programmcode schickten beide Unternehmen deftige Worte hinterher. Der Adblock-Plus-Anbieter Eyeo wirft Facebook „dunkle Machenschaften“ vor, die gegen die Interessen der Verbraucher verstießen. Der Internetkonzern wiederum zeigt sich enttäuscht, dass die Werbeblocker-Firmen „die Nutzer auf Facebook bestrafen“.

Das Wettrüsten, das sich die Unternehmen angeblich im Namen der Nutzer liefern, ist Teil eines größeren Konflikts. Angesichts der Popularität von Adblockern sehen viele werbefinanzierte Online-Plattformen ihr Geschäftsmodell bedroht. So gehen neben dem sozialen Netzwerk auch etliche Medienunternehmen gegen Adblock Plus und ähnliche Software vor, technisch wie juristisch. Es geht dabei um grundsätzliche Fragen: Wer entscheidet, welche Werbung akzeptabel ist? Und hat dieses Geschäftsmodell überhaupt Zukunft?

Hinter Adblock Plus steckt das Kölner Unternehmen Eyeo. Es hat eine Browser-Erweiterung entwickelt, die Werbung automatisch erkennt und größtenteils herausfiltert. Seit einigen Monaten gibt es die Filtersoftware auch für Smartphones. Der Anbieter argumentiert, störende und aufdringliche Anzeigen auszublenden und somit gegen eine Fehlentwicklung auf dem Werbemarkt vorzugehen. Nach Firmenangaben nutzen weltweit 100 Millionen Menschen Adblock Plus.

Der Bezahlfilter von Adblock Plus

Es gibt eine sogenannte Whitelist, die Anzeigen nach bestimmten Kriterien durchlässt. Dafür will Eyeo große Websites zur Kasse bitten: Wer sich auf die Liste setzen lässt, soll 30 Prozent der Einnahmen an das Unternehmen abtreten. Die Grenze liegt den Angaben zufolge bei zehn Millionen Werbeimpressionen pro Monat.

Der Erfolg zeigt, dass Eyeo einen Nerv trifft. Tatsächlich ist Online-Werbung oft aufdringlich – so gibt es Formate, die sich über die ganze Seite legen, oder Videoclips, die automatisch starten und sich nicht stoppen lassen. In einer Umfrage von Tomorrow Focus Media gaben 58 Prozent der Nutzer an, dass sie Online-Werbung meistens störe. Hinzu kommt: Über Werbenetzwerke verteilen Cyberkriminelle teilweise schädliche Software. Deswegen empfiehlt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Einsatz von Adblockern.

Dieses Modell ist allerdings umstritten. So argumentierte der Verlag Axel Springer kürzlich in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln, dass Anzeigen zu journalistischen Angeboten gehörten und eine Blockade sowohl gegen das Wettbewerbsrecht als auch die Pressefreiheit verstoße. Mehr noch, es handle sich um „erpresserisches Angebot“.

Eine endgültige juristische Klärung steht noch aus. Die Richter in Köln gaben dem Kläger teilweise recht. Die Filterung sei nicht verboten, zumal die Verlage selbst etwas dagegen tun könnten – also mit Anti-Blockade-Software, wie sie mehrere Verlage bereits einsetzen. Das Geschäftsmodell, für „akzeptable Anzeigen“ Geld zu kassieren, sei jedoch eine „unzulässige aggressive Praktik“. Denn angesichts der hohen Verbreitung von Adblock Plus habe Eyeo eine Machtposition. Nun strebt das Unternehmen eine Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Auch das Handelsblatt hatte gegen Eyeo geklagt, aber vor Gericht verloren.

Internetkonzern setzt auf Technik und Argumente

Dass Werbung nerven kann, gibt Topmanager Andrew Bosworth zwar unumwunden zu. Die Nutzer störten sich an irrelevanten oder störenden Anzeigen, zudem wollten sie Kontrolle, schrieb er am Dienstag in einem Blogeintrag. Aber: „Wenn sie relevant und gut gemacht sind, können Anzeigen nützlich sein.“ Das soziale Netzwerk moniert zudem, dass teils auch originäre Inhalte dem Adblocker zum Opfer fallen.

In einer neuen Übersicht können Nutzer nun einstellen, wofür sie sich interessieren. Das Unternehmen listet auf, was für den einzelnen mutmaßlich von Interesse ist – als Kriterien nennt es unter anderem die Aktivitäten im sozialen Netzwerk und „Interaktionen mit Unternehmen“. Wer zu bestimmten Themen keine Werbung mehr sehen will, kann diese mit einem Klick entfernen. Ganz unterdrücken lässt sie sich allerdings nicht.

Kein Wunder: Das Werbegeschäft ist für Facebook von überragender Bedeutung. Es steuert mehr als 90 Prozent zum Umsatz bei. Daher sieht das Management in Software in Adblock-Software ein Risiko, wie es im Januar gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde SEC erklärte. Das Geschäft mit Werbung auf dem Desktop werde „gelegentlich“ von dieser Technologie beeinflusst, daher habe sie einen „negativen Effekt“ auf die finanziellen Resultate.

Bisher sind die Auswirkungen überschaubar, weil Facebook einen Großteil des Werbeumsatzes – zuletzt 84 Prozent – mit Anzeigen auf mobilen Geräten verdient. Allerdings gibt es inzwischen Werbeblocker für Smartphones und Tablets. Falls sich die Software auch auf mobilen Plattformen verbreite, so die Warnung gegenüber der SEC, sei auch das zukünftige Geschäft betroffen. Für das soziale Netzwerk findet der Kampf mit Adblock Plus auf keinem Nebenkriegsschauplatz statt.

Juristische und technische Mittel werden nicht reichen

„Wir haben es vermasselt“, schrieb Scott Cunningham von der internationalen Werbeorganisation Interactive Advertising Bureau (IAB) im vergangenen Herbst. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren die Nutzererfahrung aus dem Blick verloren. Die Werbung überrolle die Nutzer häufig, sauge ihre Akkus leer und fordere ihre Geduld heraus. Der Verband hat das „Lean Ads Program“ initiiert – es soll unter anderem dafür sorgen, dass Anzeigen künftig nicht mehr so aufdringlich sind und weniger die Netze verstopfen. Nutzer sollen zudem eine Wahl haben, welche Art von Werbung sie sehen. „Der Verbraucher fordert diese Änderungen“, erklärte Cunningham. „Wir müssen antworten.“

Ob das die Nutzer eines Tages davon überzeugt, die Adblocker auszuschalten? So schnell dürfte der Konflikt jedenfalls nicht enden. Im Firmenblog kündigte Adblock Plus bereits an, sobald wie möglich wieder Werbung auf Facebook zu filtern. Das Katz-und-Maus-Spiel werde weitergehen. Handelsblatt / Christof Kerkmann