Fragen, Klagen und Versagen bei Volkswagen
Der Abgasskandal von Volkswagen wird nun in den Gerichtssaal getragen. Bis zu 90 Milliarden US-Dollar könnte das den deutschen Autobauer kosten. Die VW-Aktie ist auf Talfahrt, Analysten und Aktionäre erwarten ein schlechtes Jahr 2016.
Der Abgasskandal von Volkswagen wird nun in den Gerichtssaal getragen. Bis zu 90 Milliarden US-Dollar könnte das den deutschen Autobauer kosten. Die VW-Aktie ist auf Talfahrt, Analysten und Aktionäre erwarten ein schlechtes Jahr 2016.
Es war zu erwarten, dass Dieselgate nicht nur ein einziger großer Knall bleiben würde. Vielmehr wird der Abgasskandal nun zu dem, was alle längst befürchtet hatten: Ein handfester juristischer Kampf. Die umfangreichen Ermittlungsarbeiten der US-Umweltschutzbehörde EPA und des amerikanischen Justizministeriums mündeten in einer Milliardenklage, die das Ministerium in dieser Woche lancierte. Aus dieser Zivilklage könnte eine Höchststrafe von bis zu 90 Milliarden US-Dollar resultieren. Zusätzlich sieht sich der VW Konzern noch zahlreichen Sammelklagen aus dem Ausland von Südkorea bis Spanien konfrontiert.
In Deutschland wird es allerdings keine Sammelklage geben. Betrogene Autofahrer und enttäuschte Aktionäre können allenfalls selbst versuchen, Ansprüche auf Schadensersatz geltend zu machen. Für die Wolfsburger hätte das Jahr 2016 kaum unangenehmer starten können. Eigentlich kann es nur noch besser werden. So sehen es beispielsweise auch die Analysten von BNP Paribas und haben ihr Kursziel auf 163 Euro hochgestuft. Die kalkulierten Prozesskosten seien allgemein überschätzt, heißt es aus Frankreich. Dennoch rumort es kräftig an allen Ecken und Enden. Bereits in den ersten Handelstagen des neuen Jahres verlor das VW-Papier fast 15 Prozent. Die Vorzugsaktien stehen im Moment bei rund 115 Euro. Ende Dezember kostete das Papier noch rund 135 Euro. Der Abgasskandal und der chinesische Börsencrash tragen fast gleichermaßen zur Misere bei.
Zehn Milliarden Dollar Imageverlust
Der Wertverlust der Aktie ist eklatant - der Verlust des Markenimages ist jedoch noch größer. Die Londoner Beraterfirma „Brand Finance“ beziffert den Imageverlust von Volkswagen seit Beginn des Abgasskandals auf zehn Milliarden US-Dollar. Den Schaden, den der Konzern der deutschen Wirtschaft als Ganzes zugefügt hat, wird dabei nicht einmal berechnet.
In der Vergangenheit zeigte sich VW in Sachen Kommunikationsarbeit nicht gerade von seiner besten Seite. In Deutschland war die Öffentlichkeitsarbeit zwar wenigstens zurückhaltend bemüht, aber über den Atlantik säuselten nur schwer vernehmbare Entschuldigungs-Winde. Da besteht Aufholbedarf. Die 31 Seiten lange Klageschrift der US-Regierung wirft dem Wolfsburger Konzern sogar vor, die Aufklärungsarbeiten „behindert und blockiert“ und „Material zurückgehalten“ zu haben.
Das klingt stark nach einer unangenehmen Gesprächsgrundlage. Trotzdem ist CEO Matthias Müller dieser Tage in den USA unterwegs, um Gespräche zu führen. Die Fronten sind verhärtet: Dem Volkswagen Konzern liegt nun es daran, die Kosten des Skandals auf ein Minimum zu begrenzen. Immerhin handelt es sich um fast 600.000 manipulierte Fahrzeuge. Die Wolfsburger bieten technische Nachrüstungen an, um teure Rückrufaktionen zu begrenzen. Das Kraftfahrtbundesamt steht derartigen Nachrüst-Lösungen offen gegenüber. Die US-Behörde EPA ist dabei aber leider strenger. Dort wird gefordert, dass alle betroffenen Fahrzeuge vom Konzern zum aktuellen Marktpreis zurückgekauft werden. Das könnte den Automobilhersteller nach Schätzungen des Branchenexperten vom Bankhaus Metzler, Jürgen Pieper, rund zehn Milliarden Euro kosten.
Damit wäre man zwar noch weit weg von den 90 Milliarden, die in dieser Woche durch die Medien kursierten. Aber eine optimale Lösung sieht für den Konzern, der 2014 noch einen Rekordgewinn von 12,7 Milliarden Euro verzeichnete, anders aus. Neben einem Fabrikbesuch wird Müller auch zu der ersten großen Automesse des Jahres nach Detroit reisen. Just in der amerikanischen Autostadt schlechthin, in der übrigens auch die Klage des Justizministeriums gegen VW erhoben wurde, soll für Normalität und Weitermachen geworben werden.
Absatzeinbruch bei VW
Auf der Technikmesse CES in Las Vegas stellte in dieser Woche bereits der Volkswagen-Markenchef Herbert Diess die digitale Neuausrichtung der Volkswagen-Produkte vor. Wie die meisten deutschen Autobauer, möchten die Wolfsburger ihre Automobile mehr und mehr digitalisieren und mit dem Internet verbinden. Außerdem steht Elektromobilität zunehmend auf der Agenda der Entwickler. Denn dort hat VW eine Menge Aufholbedarf gegenüber BMW und anderen. In den letzten Jahren ruhten sich die VW-Strategen einwenig auf den sensationellen Erfolgen - auch von dieselmotorisierten Fahrzeugen - aus und hielten es nicht für nötig, sich umfangreich mit E-Mobilität und anderen Zukunftstrends praktisch auseinanderzusetzen.
Der Absatz der VW-Fahrzeuge brach in den letzten Monaten ein. Im Dezember verkaufte der Autobauer trotz zahlreicher Rabatt-Aktionen nur noch 31.000 Autos und damit neun Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Vom Ruf allein macht Volkswagen mit Sicherheit keine großen Gewinne mehr. Progressivität und gute Qualität müssen wieder in den Vordergrund rücken.
Fazit
Wenngleich die tatsächlichen Schadensummen wahrscheinlich geringer ausfallen werden, als es in dieser Woche von manchen Experten kolportiert wurde, ist der Druck auf VW-Boss Matthias Müller immens hoch. Seine Reise in die USA war längst überfällig. 2016 wird ein sehr unruhiges Jahr für Volkswagen. An den Aktien des Konzerns sollten sich nur risikofreudige Anleger bedienen. WCW