Geht Dropbox noch vor dem Börsengang pleite?
Dropbox spekuliert offenbar auf einen Börsengang im Jahr 2017. Für den kriselnden Cloud-Dienstleister könnte das möglicherweise die letzte Chance sein, Kasse zu machen – läuft dem Start-up die Zeit davon?
Dropbox spekuliert offenbar auf einen Börsengang im Jahr 2017. Für den kriselnden Cloud-Dienstleister könnte das möglicherweise die letzte Chance sein, Kasse zu machen – läuft dem Start-up die Zeit davon?
Für Einhörner, wie Start-ups mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar genannt werden, läuft es dieses Jahr einfach nicht rund. Um genau zu sein: Für die jungen, aufstrebenden Firmen aus dem Silicon Valley ist es das schlechteste Jahr seit der Finanzkrise 2008. Statt der gewohnten Erfolgsmeldungen erschütterten Skandale das Vertrauen in die wundersame Schaffenskraft der US-Westküste. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz wagt nun Dropbox-Gründer Drew Houston die Flucht nach vorn – und lotet offenbar die Möglichkeiten eines Börsengangs aus.
Das ist ein kühnes Vorhaben angesichts der negativen Meldungen vieler Technologiefirmen: Das einst mit neun Milliarden Dollar bewertete Blutanalyse-Start-up Theranos wurde als Schwindel entlarvt. Die mit knapp 600 Millionen Dollar an Investorengeldern befeuerten Erwartungen an Personalsoftware-Anbieter Zenefits erfüllten sich nicht. Und zuletzt gab sich Uber, der mit knapp 70 Milliarden Dollar bewertete Online-Fahrdienstvermittler, in China geschlagen. Angesichts der ausbleibenden Performance bei vielen Start-ups geht mal wieder die Angst um, dass die Bewertungen zu hoch seien und die Blase bald platzen könnte.
In diesem Marktumfeld wagen sich nur wenige Gründer an die Wall Street. Vielmehr war der Trend zu beobachten, Firmen bewusst privat zu halten. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl börsenrelevanter Transaktionen um 56 Prozent, so die Analyse der Investmentbank Renaissance Capital. Zugleich verabschieden sich einige Technologiefirmen sogar wieder von der Börse – laut der M&A-Beratung Bulger Partners waren das allein im Jahr 2015 Unternehmen im Gesamtwert von 20 Milliarden Dollar.
Twilio als Vorbild?
Dass der Software-Dienstleister Twilio Ende Juni einen guten Start an der Börse hinlegte und kurz darauf steigende Umsätze meldete, blieb eine der wenigen Ausnahmen. Dem Beispiel will nun offenbar Dropbox folgen. Der 2007 gegründete Dienst, bei dem Nutzer Fotos und Dokumente über das Internet speichern und abrufen können, sondiert laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg einen Börsengang im kommenden Jahr und die Höhe möglicher Einnahmen.
Damit ändert das Unternehmen seine Strategie. Noch vergangenen November hatte Gründer Houston erklärt, in nächster Zeit keinen Börsengang zu planen. Die jüngste Entwicklung könnte nun aber ein Zeichen dafür sein, dass dem Start-up die Zeit davonläuft. Dropbox' Bewertung von zehn Milliarden Dollar gerät zunehmend in die Kritik. Die Firma schreibt noch immer keine schwarzen Zahlen, und das Bereitstellen von digitalen Datenspeichern ist heute kein aussichtsreiches Nischengeschäft mehr, sondern einer der hart umkämpften Märkte für Tech-Riesen.
Immer mehr Firmen, allen voran Amazon Web Services, gefolgt von Microsoft, IBM und Google, bieten "Software as aService" (SaaS) an. Für kleinere Unternehmen im Markt wird es schwerer. Dropbox versucht gegenzuhalten: Seit November 2015 gibt es ein Angebot speziell für Firmen, zudem testet das Unternehmen gerade einen Onlinedienst für das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten - ähnlich Google Docs. Vor kurzem ist der Speicherdienst auch eine Partnerschaft mit dem Konzernriesen Hewlett Packard Enterprise (HPE) eingegangen, um Großkunden gemeinsam zu bedienen. Ob das alles reicht, um gegen die Konkurrenten zu bestehen, darf bezweifelt werden. Dropbox-Manager Todd Jackson versprach daher auch mehr Kostenkontrolle.
Börsengang als letzte Chance?
Der Börsengang könnte für Dropbox die letzte Möglichkeit sein, Kasse zu machen, bevor dem Markt das Scheitern der Firma gegenüber dem Wettbewerb allzu deutlich wird. Nicht zuletzt gilt die Aussicht auf das Vergolden der eigenen Anteile als beste Motivation, wanderungswillige Mitarbeiter an sich zu binden, wenigstens kurzfristig.
Ein ähnliches Schicksal trifft auch die Big-Data-Analytics-Firma Cloudera, zu deren Investoren Intel gehört. Eigentlich rechnete die Branche bereits mit einem Börsengang von Cloudera gegen Ende dieses Jahres. Doch offenbar werden die Erwartungen nicht erfüllt. Das US-Finanzunternehmen Fidelity hat daher die Bewertung für beide Start-ups bereits massiv herabgesetzt, um 38 Prozent bei Cloudera und 20 Prozent bei Dropbox.
Doch auch einige der bereits börsennotierten Tech-Firmen haben es derzeit nicht leicht. So schreibt der Kurznachrichtendienst Twitter, der im Dezember 2013 an die Börse gegangen ist, noch immer Verluste. Zwar versucht das Unternehmen, sich mit einer breiteren Aufstellung gegen stagnierende Nutzerzahlen zu stemmen. Bisher allerdings mit mäßigem Erfolg. „Nutzerbasis und Inhalte des Kurznachrichtendienstes haben erheblichen Wert, auch wenn es Twitter schwerfällt, diesen zu realisieren“, schätzt Analyst Heath Terry von Goldman Sachs die Lage nach Veröffentlichung aktueller Quartalszahlen ein. Von ihrem Höchststand bei über 73 Dollar wenige Wochen nach dem Börsengang ist die Aktie daher weit entfernt und notiert sogar unter dem Ausgabepreis von 26 Dollar. Einen Hoffnungsschimmer für die Anleger gab es Anfang dieser Woche, als eine US-Zeitung über eine mögliche Kooperation des Kurznachrichtendiensts mit Apple berichtete. Demnach könnten Videoinhalte von Twitter über die Fernsehbox Apple TV übertragen werden.
Es gibt nur ein Facebook – bislang
Box, einer der größten Wettbewerber von Dropbox, notiert ebenfalls unter dem Ausgabepreis von 14 Dollar. Beim Börsengang im Jahr 2015 musste das Unternehmen bereits Abstriche machen. Die Bewertung lag mit 1,7 Milliarden Dollar deutlich unter den 2,4 Milliarden Dollar, die das Unternehmen kurz zuvor noch bei einer privaten Finanzierungsrunde erzielt hatte – ein Schicksal, das auch Dropbox drohen könnte.
Lediglich das soziale Netzwerk Facebook, seit Mai 2012 börsennotiert, macht den Anlegern Freude. Nach starken Quartalszahlen ist die Aktie zuletzt auf ein neues Allzeithoch von über 128 Dollar gestiegen. Vor allem das Geschäft mit der Werbung läuft rund. Zugleich bespielt das Netzwerk alle wichtigen Kanäle und sticht hier oft die Wettbewerber aus: Facebook-Live macht Twitter beim Streaming Konkurrenz, Instagram Stories zielt auf den Wettbewerber Snapchat. Den Chatmarkt halten die Facebook-Tochter WhatsApp sowie der Messenger im Griff. Da derzeit kein zweites Facebook in Sicht ist, haben Unternehmen zuletzt statt auf Börsengänge auf Übernahmen gesetzt. IT-Riese Microsoft kaufte beispielsweise das Berufsnetzwerk LinkedIn für 26,2 Milliarden Dollar. Gemeinsam mit dem Xing-Konkurrenten baut Microsoft nun das Geschäft mit Firmendaten aus.
Sollte Dropbox dennoch den Sprung auf das Parkett schaffen, könnten trotz aller Herausforderungen weitere Tech-Börsengänge folgen. Denn die Liste an Einhörnern, die noch in Privathand sind, ist lang - darunter Airbnb Snapchat und Square. Nicht alle Unternehmen werden das IPO ganz freiwillig wagen, doch zu lange warten dürfen sie nicht mehr. Denn irgendwann wollen die Erstinvestoren Kasse machen. Weiteres Geld über Privatplatzierungen aufzunehmen wird zudem irgendwann schwierig. Darüber hinaus sollten Start-ups beim Börsengang stark wachsen, und die Gewinnschwelle sollte zumindest in Reichweite sein. Überschreitet eine Firma bereits ihren Zenit und das Umsatzwachstum schrumpft wieder, werden die Chancen auf einen erfolgreichen Börsengang geringer. Handelsblatt / Britta Weddeling