Investment für Mutige: Gazprom
Beide Länder haben einen Gasliefervertrag über 400 Milliarden Dollar unterzeichnet. Darüber freut sich auch der russische Gas-Monopolist Gazprom. Die Aktie des Unternehmens ist dennoch etwas für risikobereite Anleger.
Russland vereinbart Megadeal mit China. Beide Länder haben einen Gasliefervertrag über 400 Milliarden Dollar unterzeichnet. Darüber freut sich auch der russische Gas-Monopolist Gazprom. Die Aktie des Unternehmens ist dennoch etwas für risikobereite Anleger.
Vor Kurzem ist das passiert, womit die meisten Experten eigentlich gar nicht mehr gerechnet hatten: Russland und China habe sich nach zähen, jahrelangen Verhandlungen auf einen 30-jährigen Gasliefervertrag geeinigt. Für Gazprom sind das gute Nachrichten. Der weltgrößte Gasförderer soll dass Reich der Mitte ab dem Jahr 2018 pro Jahr 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas liefern. China wird dafür insgesamt 400 Milliarden Dollar auf den Tisch blättern. Die Vereinbarung sieht Lieferungen über eine neue östliche Pipeline vor, die beide Länder verbindet.
Die Gazprom-Aktie drehte im Zuge der Meldung ins Plus. Aber auch über die vergangenen Monate hinweg betrachtet, konnte der russische Gastitel merklich zulegen. Nachdem der Kurs in den vergangenen Jahren abwärts gelaufen war und im März dieses Jahres einen Tiefpunkt von unter fünf Euro erreicht hatte, konnte das Papier in den vergangenen beiden Monaten seinen Wert auf über sechs Euro steigern – ein Plus von rund 20 Prozent.
Auch wenn es in der Ukraine noch immer knallt und die Waffen immer noch nicht schweigen, so könnte doch eine baldige Aussicht auf eine Lösung des Konfliktes den Preis der Gazprom-Aktie weiter nach oben treiben. Andererseits: Sollte es in der Ukraine tatsächlich zu einem Bürgerkrieg kommen und sich die Lage noch weiter verschlechtern, könnte es das mit dem Aufwärtstrend der Aktie gewesen sein. Dies zeigt auch der Kurseinbruch der vergangenen Tage. Die Strategie des designierten Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, der gegenüber den prorussischen Separatisten kein Pardon kennt, gießt weiteres Öl ins Feuer. Zudem schlug der resolute Regierungschef der Ukraine auch die Gesprächsangebote aus Moskau aus.
Dennoch: Der Deal mit China sichert Gazprom für drei Jahrzehnte einen Abnehmer für Milliarden Kubikmeter an sibirischem Erdgas. Damit könnte China Westeuropa als wichtigsten Markt den Rang ablaufen. Dies gab Gazprom-Chef Alexej Miller auch beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg zu verstehen: „Wir glauben, dass der Abschluss dieses Abkommens die Gaspreise auf dem europäischen Markt beeinflussen wird. Das zum Ersten. Zum zweiten: Gestern hat die Konkurrenz um die russische Gasressourcen begonnen.“ Zugleich verschweigt Miller keinesfalls sein Interesse, auch weiterhin in Europa Geschäfte zu machen: „Wir sind imstande, so viel Gas zu liefern, wie viel der Markt benötigt. Wenn wir von Europa sprechen, so waren und bleiben wir auch weiterhin ein verlässlicher Partner.“
Die Ukraine als Nadelöhr
Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ließ jüngst die Gazprom-Aktie einknicken. Russland verlangt, dass die Ukraine zunächst zwei Milliarden Dollar ihrer Gasschulden begleicht. Ansonsten will Gazprom in den kommenden Tagen nur noch gegen Vorkasse liefern. Nebeneffekt: Dies könnte wiederum zu Engpässen in der Europäischen Union führen. Denn die Ukraine ist das wichtigste Transitland für die Gaslieferungen in die EU. Sollten der russische Gasmonopolist auf die Pipelines durch die Ukraine verzichten, würden die Gasexporte nach Europa um ein Drittel zurückgehen. 2013 hatte Gazprom seinen Anteil am europäischen Gasmarkt auf einen neuen Rekord von mehr als 30 Prozent gesteigert. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Unternehmens 162,7 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa und in die Türkei gepumpt worden, ein Plus von vier Prozentpunkten gegenüber 2012.
Deutschland bleibt mit rund 30 Milliarden Kubikmetern pro Jahr mit Abstand größter Abnehmer von russischem Gas. Die Menge entspricht etwa 40 Prozent der deutschen Einfuhren. Die Bundesrepublik ist für den Fall eines Falles gewappnet. Hierzulande gibt es 51 Gasspeicher mit einer Kapazität von 23 Milliarden Kubikmeter. Dies entspricht laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mehr als einem Viertel des deutschen Jahresbedarfs an Gas. Deutschland verfügt damit über weltweit viertgrößte Speicherkapazität. In den 28 EU-Mitgliedsstaaten sind die Speicher derzeit im Schnitt zu knapp 60 Prozent gefüllt. Die Bundesregierung teilt mit, es gebe „derzeit keinerlei Anhaltspunkte für Liefereinschränkungen“. Das gelte für Gas ebenso wie für Rohöl- und Produktlieferungen.
Fundamental spricht die günstige Bewertung der Gazprom-Aktie durchaus für weiteres Aufwärtspotential des Titels. Dies zeigt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Das für 2015 erwartete KGV liegt bei 2,86. Zum Vergleich: Der deutsche Energieversorger RWE hat ein 2015er-KGV von 13,1. Die Kennzahl stellt den Kurs und den Gewinn eines Unternehmens pro Aktie ins Verhältnis. Je niedriger das KGV, desto preisgünstiger ist die Aktie.
Fazit: Der Gazprom-Titel dürfte in erster Linie eher etwas für mutige Anleger sein. Zwar sprechen die günstige Kursbewertung sowie der Deal mit den Chinesen eindeutig für das Potenzial der Aktie. Dennoch gibt es angesichts der teilweise unberechenbaren russischen Politik immer wieder Unwegsamkeiten. Auch sorgt Staatschef Wladimir Putin mit seinen martialischen Drohkulissen für wenig Vertrauen bei westlichen Kapitalgebern. Und obgleich China bereit ist, für die Gaslieferungen einen stolzen Preis zu bezahlen, ist auch klar, dass in den kommenden Jahren zunächst viele Milliarden Dollar für den Bau von Pipelines nach China investiert werden müssen.