Ist Intel noch intelligent genug?
Künstliche Intelligenz und Datenanalyse sind die Zukunftsfelder der IT. Doch dafür braucht man spezielle Prozessoren, und es gibt einen überraschend starken Gegner. Verliert Intel seinen einzigen Wachstumsmarkt?
Künstliche Intelligenz und Datenanalyse sind die Zukunftsfelder der IT. Doch dafür braucht man spezielle Prozessoren, und es gibt einen überraschend starken Gegner. Verliert Intel seinen einzigen Wachstumsmarkt?
Es war der Tag von Diane Bryant. Sie leitet bei Intel den Bereich Datencenter und kündigte am Mittwoch in San Francisco einen neuen Super-Chip an. Der Xeon Phi „Knights Mill“ soll 2017 kommen und ungeahnte Kräfte haben. Zahlen gab es bei der Präsentation im Moscone Center nicht zu sehen. Stattdessen sahen die Teilnehmer eine bunte Powerpoint-Folie mit dem Titel „Optimiert für Deep Learning“. Darunter ein Pfeil, der steil nach oben zeigte und an dem groß „2017“ stand.
Es ist eine Kampfansage an einen Konkurrenten vor der Haustür. Nvidia, nur einen Steinwurf entfernt in Santa Clara, holt mit seinen „GPU“-Prozessoren mächtig auf – und das kann gefährlich werden für Intel. Die Börse jedenfalls glaubt derzeit an den Herausforderer: Die Nvidia-Aktie steht mit 61 Dollar nur knapp unter Allzeithoch und ist seit Jahresbeginn um 85 Prozent gestiegen. Intels Papiere haben seit Jahresbeginn nur 1,65 Prozent auf 35 Dollar zugelegt, deutlich unter dem Allzeithoch von über 70 Dollar vor dem Dotcom-Crash im Jahr 2000.
Mittels Datencentern wird die IT von Millionen Unternehmen weltweit betrieben, von kleinen Mittelstandsbetrieben bis hin zu multinationalen Fortune-500-Konzernen. Gigantische Anlagen halten das Internet am Laufen, sie beherbergen Googles Gigadatenbanken oder die Cloud-Angebote von Amazon oder Microsoft.
In diesen Zentren, die rund um die Welt verteilt sind, werkeln manchmal Zehntausende von Servern in gekühlten Hochsicherheitshallen. Egal ob man ein Katzenvideo im Web sucht, eine Reise bucht oder die Lohnabrechnung für Hunderttausend Angestellte verarbeitet, die Chancen, dass dabei irgendwo auf der Welt ein Intel-Prozessor zum Einsatz kommt, sind praktisch einhundert Prozent.
Noch ist der Intel-Marktanteil bei Datencenter-Prozessoren bei 99 Prozent
Bei den jüngsten und heißesten Entwicklungen gibt es erste Anzeichen von Schwäche bei Intel. „Auf sieben Prozent der Datencenter laufen heute Datenanalysen (mit künstlicher Intelligenz, Anm. d. Red.) und wir haben einen Marktanteil von 97 Prozent“, sagt Bryant. Es fehlen zwar nur zwei Prozent, aber dieser Markt steht ja auch erst ganz am Anfang.
Für Intel sind Datencenter im Moment der Lebensnerv, und Diane Bryant ist die Job-Versicherung für Konzernchef Brian Krzanich. Im zweiten Quartal 2016 konnte Intel seinen Umsatz gerademal um drei Prozent auf 13,5 Milliarden Dollar steigern. Der Nettogewinn nach Bilanzstandard GAAP lag mit 1,3 Milliarden Dollar um 51 Prozent unter Vorjahr. Das Geschäft mit PCs und Laptops brachte 7,3 Milliarden Dollar ein, drei Prozent weniger als im Vorjahr. Es war Diane Bryants Datencenter-Sparte, die mit einem Plus von fünf Prozent auf vier Milliarden Dollar den Abschluss rettete.
Doch das Wachstum müsste stärker sein. Ein Problem ist, dass es immer mehr Unternehmen in die Cloud zieht und sie deshalb keine eigenen Server mehr kaufen. Das zweite Problem ist die Datenanalyse. „Analytics ist der am stärksten wachsende Bereich in der Nutzung von Datencentern“, sagt Bryant. In Zukunft werde über 50 Prozent der Arbeit in Datencentern Datenanalyse sein, schätzt sie. Dabei ist künstliche Intelligenz und Maschinenlernen, eine Untergruppe der künstlichen Intelligenz, eingeschlossen. „Künstliche Intelligenz wird ändern, wie Unternehmen ihre Geschäfte betreiben,“ ist Bryant sicher. Doch künstliche Intelligenz und Maschinenlernen, bei der die Software sich und seine Ergebnisse selbst verbessert, ohne dass es programmiert werden muss, verlangt nach anderen Prozessoren als Textverarbeitung oder Websurfen.
Blitzschnelle Abarbeitung von unglaublichen Datenmengen
Für künstliche Intelligenz und Maschinenlernen sind normale PC- und Serverprozessoren nicht optimal geeignet. Sie holen sich, vereinfacht ausgedrückt, immer einen Befehl nach dem anderen rein, arbeiten ihn ab, geben das Ergebnis zurück und holen sich den nächsten. Darum wurden in den frühen Tagen des Computers auch die Taktraten der PC-Chips, mit denen sie ihre Befehle holen, immer weiter in die Höhe gejagt. Nur so wurden sie schneller – und immer heißer. Heute wird die Arbeitslast auf mehrere Kerne verteilt, um die Taktraten wieder zu senken. Oder sie wird eben auf Co-Prozessoren wie Nvidias Pascal- oder P100-Datenbeschleuniger ausgelagert.
Nvidia, der Spezialist für Grafikkarten, hat seine Grafikprozessoren zu Serverprozessoren umgebaut. Sie lassen ganz viele Prozessoren Befehle parallel abarbeiten und sind dadurch um ein Vielfaches schneller. Der Nachteil: GPUs sind nicht flexibel. Sie können nicht mal eben eine Textverarbeitung laufen lassen. Deswegen nennt man sie „Co-Prozessoren“. GPUs können aber eines, und das rasend schnell: Immer wiederkehrende Aufgaben abarbeiten. Ideal für „deep learning“, also das Trainieren von künstlicher Intelligenz durch gigantische Datenmengen, wie sie das Internet der Dinge jede Sekunde von Milliarden von vernetzten Geräten anliefern wird.
Die Investitionen der vergangenen Jahre scheinen sich nun für Nvidia auszuzahlen. Das zweite Quartal 2016 brachte ein Umsatzplus von 24 Prozent auf 1,43 Milliarden Dollar, für das dritte werden 1,68 Milliarden Dollar erwartet. Intel prognostiziert für das gleiche Quartal eine Stagnation zum Vorjahr. „Wir sind begeistert wie nie über die Aussichten von deep learning und künstlicher Intelligenz, die alle Industrien und Märkte erreichen werden“, sagt Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang. „Wir haben alle Grafik-Computing-Prozessoren in den vergangenen fünf Jahren auf deep learning ausgerichtet.
Heftige Kritik an der Konkurrenz
Auf Intel ist Huang indes nicht gut zu sprechen: Am Dienstag griff er in einem Blog-Eintrag den Konkurrenten scharf an und warf ihm vor, mit veralteten Daten zu arbeiten, um besser auszusehen. Bissig merkte der Nvidia-Chef an: „Es ist verständlich, dass Neulinge die vielen Entwicklungen auf diesem Feld in Hard- und Software nicht kennen.“ Intel kartete zurück und beharrte auf der Korrektheit der Ergebnisse, die dem Stand der Technik und der Testsoftware zum Testzeitpunkt entsprochen hätten. Es gebe gute Gründe, warum eine für alles nutzbare CPU wie Xeon einem Mix aus CPU und Co-Prozessor vorzuziehen sei.
Als Beleg präsentierte Intel am Mittwoch einen Manager des chinesischen Web-Giganten Baidu auf seiner Bühne. Er bestätigte, dass Baidu, bislang ein treuer Nvidia-Kunde, seine Spracherkennungs-Software mit Xeon Phi-Prozessoren ausrüsten werde. Ob er aber komplett wechselt, wollte Intel auf Nachfrage nicht kommentieren. Aber eines ist klar. Der Kampf ist voll entbrannt. Intel ist diesmal wild entschlossen, nicht mehr so lange abzuwarten wie bei Smartphones. Seinerzeit war der Markt schon verteilt, als Intel den ersten und kaum brauchbaren Smartphone-Prozessor herausbrachte. Wie groß diese Demütigung sein muss, wurde am Dienstag klar, als Intel, quasi so nebenbei, einen Lizenzdeal mit den britischen ARM-Prozessorentwicklern bekanntgab.
Intel wird jetzt ARM-Chips für Smartphone-Hersteller fertigen, um die Werke auszulasten. Eine Entwicklung wie bei den Smartphones darf Intel nicht noch einmal passieren, das ist Konzernchef Krzanich und dem Aufsichtsrat klar. Dafür haben sie Diane Bryant. Handelsblatt / Axel Postinett