Kann man auf Bilfinger noch bauen?
Dass Roland Koch sich nicht vehement gegen die deutsche Energiewende gewehrt hätte, kann man nun wahrlich nicht behaupten. Bereits als hessischer Ministerpräsident wetterte er mehrfach heftig gegen die Pläne der Bundesregierung. Er weiß offenbar genau, warum.
Dass Roland Koch sich nicht vehement gegen die deutsche Energiewende gewehrt hätte, kann man nun wahrlich nicht behaupten. Bereits als hessischer Ministerpräsident wetterte er mehrfach heftig gegen die Pläne der Bundesregierung. Er weiß offenbar genau, warum.
Als „spontan“ und „nicht vollständig durchdacht“ stufte Koch den energiepolitischen Umschwung in Deutschland nach der Fukushima-Katastrophe in Japan ein. Ende vergangenen Jahres rief er auf einer Veranstaltung gar zu brachial-kämpferischen Widerstandhandlungen auf: Den Bau neuer Photovoltaik-Anlagen solle man dadurch stoppen, indem „man Steine drauf wirft“. Mit dieser Aussage handelte sich der ehemalige CDU-Politiker eine Strafanzeige wegen Gewaltaufrufs ein. Schonender geht Koch, mittlerweile seit drei Jahren als Vorstandschef beim Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger aktiv, mit seinem Intimfeind Energiewende seither dennoch nicht um. Nach wie vor nutzt er jede sich bietende Gelegenheit zur Attacke. Aktuell macht Koch die Energiewende für die schleppenden Geschäfte seines Konzerns verantwortlich.
„Insbesondere das Geschäftsfeld Power leidet unter den Folgen der Energiewende in Deutschland, die bei den Energieversorgern zu einer erheblichen Investitionszurückhaltung führt. Die negativen Auswirkungen auf das Investitionsverhalten in anderen Ländern Zentraleuropas waren in ihrer Dimension nicht absehbar. So verhindert beispielsweise kostenloser deutscher Windstrom Kraftwerksneubauten in Polen“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens. Problematisch sind zudem die fehlenden Kraftwerksprojekte in Deutschland. Sie führen dazu, dass Gerüstbauer und weitere Gewerke auf andere Märkte ausweichen müssen. Dadurch verstärkt sich der Preisdruck in der Prozessindustrie. Hinzu kommt, dass Deutschlands zweitgrößtes Bauunternehmen derzeit unter dem Schiefergasboom in den USA leidet: „Im Geschäftsfeld Industrial spürt der Öl- und Gassektor die drastischen Sparmaßnahmen seiner europäischen Kunden in der Wartung und Instandhaltung, ausgelöst durch die sinkenden Gaspreise in den USA“.
Das mittelfristige Wachstumsziel, mit dem Koch 2011 angetreten war, gerät mehr und mehr ins Wanken. Statt mit einer erwarteten deutlichen Zunahme des bereinigten operativen Gewinns rechnet das Mannheimer Unternehmen nun für 2014 mit einem Rückgang von bis zu 10 Prozent. Bei einem Umsatz von rund 7,9 Milliarden Euro- Koch strebte bei seinem Antritt noch eine Leistung zwischen elf und zwölf Milliarden Euro an- rechnet man mit einem bereinigten Ergebnis von 230 bis 245 Millionen Euro. Während der bereinigte operative Gewinn 2013 noch bei 419 Millionen Euro lag, dürfte er dieses Jahr auf einen Wert zwischen 380 und 400 Millionen Euro abrutschen. Als Reaktion auf die enttäuschenden Prognosen will Koch ein Sparprogramm durchsetzen. Neben dem Abbau von 1250 Stellen in der Verwaltung soll vor allem die Kraftwerksparte, die durch den Ausbau des Ökostroms zunehmend überflüssig und unrentable wird, betroffen sein. Außerdem wurde ein Einstellungstop beschlossen. Bilfinger erwarten, dass das Sparprogramm im zweiten Halbjahr zunächst zu einem Aufwand in zweistelliger Millionenhöhe führt.
An den Aktienmärkten schlug die Nachricht der Gewinnwarnung ein wie eine Bombe. Von einem Tag auf den anderen brach der Kurs um fast 18 Prozent in sich zusammen, seither gab es keine Stabilisation. Die Unterstützungslinie von 70 Euro im Jahreschart konnte nicht verteidigt werden und wurde nach unten durchbrochen. Bis zur nächsten Unterstützungslinie bei 60 Euro dürfte die Aktie wohl noch Luft nach unten haben. Auch der langfristige Aufwärtschart seit Mitte 2010 wurde nach unten verlassen „Es war jetzt Zeit für den früheren Politiker Koch, zu liefern - und was ist jetzt los? Eine harsche Warnung“, kritisierte ein Börsianer. Die renommierte US-Investmentbank Goldman Sachs blickt im Gegensatz zu vielen Analysten nicht ganz so negativ in die Zukunft und hat keine Verkaufsempfehlung ausgesprochen. Ihr Kursziel für Bilfinger hat sie von 73 auf 79 Euro angehoben, die Einstufung aber auf „neutral" belassen. Die Renditen – „Total Shareholder Return" – des Bausektors wiesen, für sich betrachtet, noch etwas Aufwärtspotential auf, sie seien aber niedriger als in anderen Industriesektoren, schrieb Analyst Will Morgan in einer Branchenstudie. Die Bauwirtschaft in Europa dürfte sich insgesamt langsam erholen. Der Experte hob seine Kursziele für die Branche an, weil er jetzt die Ergebnisprognosen für das Jahr 2016 als Grundlage für seine Berechnungen verwendet.
Trotz des erheblichen Gegenwindes, verursacht durch die jüngsten Meldungen, will Koch den bereits unter seinem Vorgänger Herbert Bodner eingeschlagenen Weg fortsetzen. So hat sich Bilfinger in den letzten Jahren weitgehend aus dem klassischen Bau von Hochhäusern, Straßen oder Brücken verabschiedet und macht sein Geschäft nun zum großen Teil mit Service-Arbeiten für Industriekunden, beispielsweise mit Generalüberholung oder Betrieb von Kraftwerken, dem Bau von Hochdruck-Rohrleitungen oder der Isolierung ganzer Anlagen. Im freien Fall sieht Koch Bilfinger nicht, vielmehr haben die jüngsten Ereignisse „mit durch den Markt bedingten Veränderungen zu tun". Bis 2016 will Koch ungeachtet aller Hiobsbotschaften an seinem Ziel festhalten, eine operative Marge von sechs Prozent zu erreichen. Im Vorjahr landete Bilfinger bei 4,8 Prozent. Auch plant der ehemalige hessische Ministerpräsident weiter Übernahmen. Bis Ende 2015 sind 650 Millionen Euro für Zukäufe verfügbar.