Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen > Ausgaben explodieren

Konzertbranche in der Kostenfalle: Warum Live-Events 2025 zum Hochrisikogeschäft werden

Der Kandidat Sebastian Zappel und Coach Yvonne Catterfeld sitzen im Finale der Castingshow „The Voice of Germany" auf der Bühne. Catterfeld sorgte kürzlich für Aufsehen, als sie auf Instagram auf außergewöhnlich ehrliche Weise zwei geplante Konzerte absagte – aus wirtschaftlichen Gründen. (Foto: picture alliance)

Live-Boom vorbei? Während Megastars Stadien füllen, geraten kleinere Veranstalter und Künstler unter massiven wirtschaftlichen Druck. Steigende Kosten, Fachkräftemangel und neue Marktregeln verändern die Eventbranche grundlegend.

Die Veranstaltungswirtschaft steht 2025 vor einem Paradigmenwechsel. Eine Branche, die lange auf Wachstum, Flexibilität und Kreativität setzte, wird von einer Kostenwelle überrollt. Ob Festivals, Tourneen oder Firmen-Events: Das Geschäftsmodell „Live-Erlebnis“ verliert seine ökonomische Stabilität. Was bleibt, ist eine klare Erkenntnis: Live-Unterhaltung ist kein Selbstläufer mehr – sondern zunehmend ein Hochrisikogeschäft.

Kostenexplosion hinter den Kulissen

Die Treiber des Drucks sind vielfältig – und haben sich in kurzer Zeit potenziert:

  • Materialkosten: Preise für Aluminium, Stahl und Lichttechnik sind seit 2021 um bis zu 50 % gestiegen. Bühnenbau, Traversen oder Tonanlagen belasten Budgets stärker denn je.

  • Logistik & Transport: Internationale Tourneen müssen mit verdoppelten Frachtkosten kalkulieren – von CO₂-Auflagen ganz zu schweigen.

  • Fachkräftemangel: Techniker, Rigger, Bühnenbauer – die Pandemie hat die Belegschaft ausgedünnt. Rückkehrer lassen sich nur mit teuren Anreizen gewinnen, Löhne steigen um bis zu 30 %.

  • Energiekosten: Strompreise belasten Hallen, Open-Air-Bühnen setzen teure Generatoren ein. Energieeffizienz ist Pflicht, aber selten leistbar.

  • Regulatorik: Höhere Sicherheitsauflagen, steigende Versicherungsprämien und Genehmigungsverfahren machen Events teurer – bei gleichbleibendem Preisdruck.

Fallstudie aus der Praxis: Wenn selbst etablierte Namen absagen

Ein bemerkenswerter Fall macht die Dimension greifbar: Yvonne Catterfeld sagte jüngst ihre Tournee in mehreren Städten ab – trotz bestehender Verträge. Die Begründung: Wirtschaftlich nicht tragbar. Geringe Nachfrage, gestiegene Fixkosten, kein Spielraum bei den Ticketpreisen. Statt Gewinn hätte die Tour zu hohen Verlusten geführt.

Ein Einzelfall? Im Gegenteil: Immer mehr mittlere Acts, Veranstalter und Technikdienstleister ziehen sich aus dem Live-Geschäft zurück. Die Margen sind zu dünn, das Risiko zu hoch.

Marktdynamik: Zwei-Klassen-System bei Events

Während internationale Pop-Ikonen wie Taylor Swift oder Coldplay Millionenbudgets mobilisieren und mit gigantischen Produktionswerten Stadien füllen, kämpfen kleinere Anbieter ums Überleben. Festivals wie das Melt – einst feste Größe im deutschen Festivalkalender – verschwinden leise von der Bildfläche. Die Konsequenz:

  • Marktkonzentration zugunsten großer Agenturen,

  • Qualitätsgefälle zwischen High-End-Shows und Low-Budget-Events,

  • Zugangsbarrieren für Nachwuchs, Indie-Labels und unabhängige Veranstalter.

Börsenrelevanz: CTS Eventim, DEAG & Co. unter Druck

Investoren sollten genau hinschauen: Die wirtschaftliche Lage der Live-Branche trifft auch einige börsennotierte Unternehmen der Branche. CTS Eventim (ISIN: DE0005470306) etwa, einer der Marktführer in Europa, verzeichnete 2024 zwar Rekordumsätze – Analysten warnen jedoch vor steigenden Produktionskosten und sinkender Ticketnachfrage im Mid-Market-Segment. Der Verkauf von Eintrittskarten (Tickets) für Veranstaltungen (Konzerte, Festivals, Open Airs, Sport etc.) sowie die Organisation von Live-Events sind das Kerngeschäft des Unternehmens. Das Segment Live Entertainment hatte 2024 einen Umsatzanteil von rund 70 Prozent, ist aber gleichzeitig deutlich margenschwächer als das Ticketgeschäft. So betrug der Anteil am um Sondereffekte bereinigten Konzernergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) lediglich 23 Prozent. Im Ticketgeschäft lag der EBITDA-Anteil dagegen bei 77 Prozent bei einem Umsatzbeitrag von rund 30 Prozent.

Auch der US-amerikanische Wettbewerber Live Nation (ISIN: US5380341090), ein internationaler Branchenriese, erwirtschaftete 2024 mit 82 Prozent den Großteil seiner Erlöse mit der Durchführung von Live-Events. Das Unternehmen investiert zunehmend in digitale Zusatzformate und Sponsoringmodelle – ein Indiz dafür, dass Live allein nicht mehr tragfähig ist. Die Kapitalmärkte beginnen, zwischen Mega-Acts und strukturell gefährdeten Veranstaltungsbereichen zu unterscheiden.

Ein weiterer kleiner deutscher Branchenvertreter ist die DEAG Deutsche Entertainment (DEAG). Das Unternehmen (ISIN: DE000A3E5DA0) ist ein führender europäischer Live-Entertainment-Anbieter mit Sitz in Berlin. An 23 Standorten in sechs Ländern werden jährlich rund 6.000 Veranstaltungen aller Genres durchgeführt.

CTS EVENTIM

Live Nation Entertainment

DEAG Deutsche Entertainment

Strukturwandel oder Zeitenwende?

Die Branche erlebt mehr als nur eine Delle – es ist ein tiefgreifender Strukturwandel. Flexibilität, Improvisation und Leidenschaft reichen nicht mehr aus. Wer künftig erfolgreich sein will, braucht:

  • Professionalisierung auf allen Ebenen

  • Investitionen in Technologie und Nachhaltigkeit

  • Innovative Erlösmodelle – von Streaming bis Sponsoring

Gleichzeitig wird das Publikum preissensibler, kritischer – und weicht zunehmend auf andere Freizeitformate aus. Das Vertrauen in bezahlbare Kulturangebote schwindet – eine gefährliche Entwicklung für eine Gesellschaft, die auf soziale Teilhabe durch Kultur angewiesen ist.

Fazit

Die Eventbranche ist ein Frühindikator für die wirtschaftliche Lage im Konsumsektor – und ein sensibles Barometer für gesellschaftlichen Wandel. Wer in den kommenden Jahren in Live-Entertainment investieren will – ob als Unternehmen, Investor oder Kulturförderer – muss die Spielregeln neu denken. Sonst wird aus der Bühne ein Minenfeld.

Das Magazin

BÖRSE am Sonntag

Zur Online Ausgabe Newsletter abonnieren
Das Magazin

AnlagePunk

Zur Online Ausgabe Newsletter abonnieren

Ähnliche Artikel