Lufthansa: Anleger erhalten Dividende, Aktie taumelt
Lufthansa hat im abgelaufenen Jahr gut 1,6 Milliarden Euro netto verdient. Vorstandschef Spohr präsentiert damit trotz Pilotenstreiks einen um 55 Prozent gestiegenen Betriebsgewinn. Geholfen haben niedrige Kerosinkosten, doch wichtiger waren wohl innere Konsolidierung und gestiegenes Passagieraufkommen. Analysten haben Lufthansa schon länger auf dem Kaufzettel. Doch es bleiben Problemfelder bei der traditionsreichen Kranich-Linie, und vielleicht deswegen ging der Kurs der Lufthansa-Aktie deutlich auf Sinkflug.

Lufthansa hat im abgelaufenen Jahr deutlich über 1,6 Milliarden Euro netto verdient. Vorstandschef Spohr präsentiert damit trotz Pilotenstreiks einen um 55 Prozent gestiegenen Betriebsgewinn. Geholfen haben niedrige Kerosinkosten, doch wichtiger waren wohl innere Konsolidierung und gestiegenes Passagieraufkommen. Analysten haben Lufthansa schon länger auf dem Kaufzettel (die BÖRSE am Sonntag berichtete). Doch es bleiben Problemfelder bei der traditionsreichen Kranich-Linie, und so ging die Kranich-aktie trotz exzellenter Zahlen in einen steilen Sinkflug.
Niedrige Treibstoffpreise und ein besser laufendes Passagiergeschäft haben der Lufthansa für das vergangene Jahr einen kräftigen Gewinnsprung beschert. Der Nettogewinn lag bei knapp 1,7 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte – er fiel damit rund 30 Mal so hoch aus wie 2014, als er bei nur 55 Millionen Euro gelegen hatte.
Rückenwind erhält die größte Airline-Gruppe Europas durch die niedrigeren Ölpreise. Die Ausgaben für Flugzeugsprit dürften sich deshalb in diesem Jahr nur noch auf 4,8 Milliarden Euro summieren – 100 Millionen Euro weniger als noch zu Jahresanfang erwartet. 2015 lag die Tankrechung bei 5,8 Milliarden Euro. „Wirtschaftlich war 2015 ein gutes Jahr“, resümierte der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr. Er verwies insbesondere auf das verdoppelte Jahresergebnis im Passagiergeschäft. Dieses sei „nicht nur den niedrigeren Treibstoffkosten“ zu verdanken. Auch die Passagierzahlen hätten sich positiv entwickelt.
Die wohl beste Nachricht ist, dass Lufthansa im Kerngeschäft mit dem Transport von Passagieren und hier besonders unter der Marke Lufthansa gut vorankommt. In der Vergangenheit war die so genannte Lufthansa Passage vor allem dadurch aufgefallen, dass man einen eher kleinen Teil zur Effizienzsteigerung beitrug. Der weitaus größere kam von den Tochter-Airlines wie Swiss oder AUA sowie den Service-Gesellschaften wie der Wartungstochter Lufthansa Technik oder dem Caterer LSG Sky Chefs.
Für 2015 gibt es wieder eine Dividende
Nun scheint aber auch in Schwung in das Passagiergeschäft unter der Marke Lufthansa zu kommen. Zwar hilft dabei der Ölpreis kräftig, doch er ist es nicht alleine. Zum einen zahlt sich die Übergabe der Europastrecken an Germanwings und künftig Eurowings aus. Jahrelang wurden hier dreistellige Millionenverluste eingeflogen, im vergangenen Jahr erzielte Germanwings/Eurowings mit einem bereinigten Betriebsergebnis von 38 Millionen Euro erstmals schwarze Zahlen. Zum anderen machen sich Effizienzgewinne bemerkbar, etwa die Konzentration auf Strecken, die auch rentabel sind. Viele Jahre lang war die „Hansa“ hier weniger diszipliniert zu Werke gegangen, weil man glaubte, mit Gewalt Rivalen fernhalten zu müssen.
Nachdem die Lufthansa-Aktionäre für das Jahr 2014 leer ausgegangen waren, soll für 2015 wieder eine Dividende gezahlt werden. Der Hauptversammlung werde vorgeschlagen, 50 Cent pro Aktie auszuschütten, erklärte das Unternehmen. Für das laufende Geschäftsjahr strebe der Konzern „abermals ein höheres Ergebnis an“, verkündete Spohr. Das zurückliegende Jahr bezeichnete er zugleich als ein „emotional sehr schwieriges“. Vor allem betriift dies den Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen vor einem Jahr. Der Copilot hatte das Flugzeug den Ermittlungen zufolge absichtlich in die Berge gesteuert. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben.
Die Herren Piloten sehen's noch nicht ein
Zudem legten Flugbegleiter und Piloten wegen Tarifstreitigkeiten wiederholt die Arbeit nieder. Im Tarifkonflikt mit dem Personal hat Spohr gegen zunächst entschlossenen Widerstand der Gewerkschaften durchaus Erfolge vorzuweisen. So haben mit dem Bodenpersonal und den Flugbegleitern die beiden größten Berufsgruppen die verlangte Umstellung des Betriebsrentensystems grundsätzlich akzeptiert. Die Lufthansa trägt für die Beschäftigten nicht mehr das Zinsrisiko, sondern zahlt nur noch einen fest definierten Beitrag. Offen ist aber immer noch der Konflikt mit den Piloten, der bislang zu 13 Streiks geführt hat.
Trotz der Streiks hat die Lufthansa im vergangenen Jahr so viele Passagiere befördert wie noch nie. Die Zahl der Fluggäste kletterte konzernweit um 1,6 Prozent auf 107,7 Millionen. Zur Lufthansa gehören auch die Fluglinien Swiss, Austrian Airlines und ein Teil von Brussels Airlines. Bei letzterer prüfe die Lufthansa derzeit die weiteren Optionen, sagte Finanzchefin Simone Menne. Die Entscheidung solle bis Mitte des Sommers fallen.
Doch es gibt auch Warnsignale in der grundsätzlich guten Bilanz. Über der dritten Sparte, dem Dienstleistungsbereich, ziehen dunkle Wolken auf. Lufthansa Cargo, die Frachttochter, leidet unter der weltweit nachlassenden Nachfrage, etwa weil China schwächelt. Gleichzeitig schwächelt das Geschäft der Wartungstochter Lufthansa Technik. Auch sie war bislang stets eine Säule für die Lufthansa-Erträge, auf die der Konzern in diesem Jahr aber nicht allzu sehr bauen sollte. Das ist deshalb bitter, weil die Services traditionell ein Bereich sind, der Europas größter Fluggesellschaft dabei hilft, temporäre Schwächen im Kerngeschäft abzufedern.
Ryanair ist aggressiv, totalitäre Araber verzerren den Wettbewerb
Vor allem der größte europäische Player im Billigsegment, Ryanair, heizt den Wettbewerb an. Nachdem die Iren über Jahre vor allem auf kleinere Flughäfen in der Provinz gesetzt hatten, bedienen sie nun zunehmend auch große Flughäfen wie Berlin oder Köln. Zudem bieten inzwischen auch Billig-Airlines gegen entsprechenden Preisaufschlag Leistungen an, die sich vor allem an Geschäftsreisende richten – ein Segment, in dem vor allem etablierte Fluggesellschaften unterwegs sind.
Emirates, Qatar Airways und Etihad punkten vor allem auf der lukrativen Langstrecke. Die Airlines vom arabischen Golf haben rasante, von den Herrscher-Familien finanziell massiv unterstützte Wachstumspläne. Weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien haben sie bereits fest im Griff und bei einigen europäischen Airlines sitzen sie mit am Steuerknüppel – zum Beispiel Etihad bei Air Berlin oder Alitalia. "Von fairem Wettbewerb ist hier keine Spur! Die autokratischen und totalitären Strukturen im streng sunnitisch-wahabitischen Nachbarland Saudi-Arabien, das auch die Emirate de facto beherrscht, sind auch für den Wettbewerb im Luftverkehr eine große Gefahr", analysiert Sebastian Sigler, der Chefredakteur dieser Zeitung.
Carsten Spohr will die Lufthansa wetterfest machen für die Zukunft, denn der Konkurrenzkampf über den Wolken ist hart. Der Umbau des größten europäischen Luftverkehrskonzerns ist eine Mammutaufgabe. Neben der klassischen Premium-Lufthansa baut Lufthansa-Chef Spohr deshalb mit Eurowings eine Billigschiene auf, die im Europa-Verkehr Ryanair oder Easyjet Paroli bieten soll. Kern des Konzepts ist „Eurowings Europe“ mit Sitz in Wien. Derzeit stellt sie Piloten zu deutlich geringeren Gehältern ein, als bei der Lufthansa-Mutter gezahlt werden.
Längst noch nicht alle Probleme sind gelöst. Doch der seit 1926 fliegende Kranich hat Aufwind. Viele interne Probleme sind gelöst, für die noch bestehenden Schwächen gibt es Fahrpläne zur Behebung. Wenn nun noch die Piloten die soziale Kompetenz und den Weiblick besitzen, sich am ihnen zustehenden Platz einzuordnen, kann die Lufthansa befreit und mit guten Ergebnissen für die Anleger abheben. Doch die Risiken können sich noch deutlich im Kursverlauf niederschlagen, und das jederzeit, wie der Kurseibruch des Kranich-Papiers am 17. März 2016 belegt. Handelsblatt / Jens Koenen / sig