Siemens: Zu viele Baustellen
Seit Peter Löscher die Siemens AG führt, müssen Anleger Reputationsrisiken nicht mehr fürchten. Das ist nach den überstandenen Belastungen sicher eine Erleichterung, doch operativ gelingt nicht alles. Das gefährdet die ambitionierten Profitabilitätsziele und drückt den Aktienkurs.

Ein Ende der unrühmlichen Serie von Affären, die den Münchner DAX-Riesen erschütterten, könnte in Sicht sein. Vom 6. September an steht der frühere Siemens-Zentralvorstand Uriel Sharef vor Gericht. Ihm wird Untreue im Zusammenhang mit einem Geschäft für fälschungssichere Ausweise in Argentinien vorgeworfen. Sharef ist der letzte der ehemaligen Topmanager, die sich im Zusammenhang mit dem größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte vor der Justiz verantworten muss. Siemens soll über Jahre hinweg in zahlreichen Ländern insgesamt eine Milliarde Euro an Bestechungsgeldern gezahlt haben, um an lukrative Aufträge zu kommen. Die dunklen Geschäfte kamen den Traditionskonzern dabei teuer zu stehen. Über 2,5 Milliarden Euro mussten für Strafzahlungen und Anwaltskosten aufwendet werden. Zudem wurde Siemens verpflichtet, ein umfassendes Anti-Korruptionsprogramm zu installieren.
Der Ansehensverlust war seinerzeit enorm. Nachdem der damalige Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld 2007 den Posten des Vorstandsvorsitzen zur Verfügung stellte und Heinrich von Pierer als Aussichtsratsvorsitzender zurücktreten musste, sollte der Österreicher Peter Löscher das angekratzte Image des Konzerns wieder aufpolieren. Das ist ihm gelungen, den Aktienkurs belastende Reputationsschäden sind in seiner Amtszeit bislang nicht aufgetreten.
Solel wird abgewickelt
Im täglichen Management gelingt Löscher dagegen nicht immer alles. Vor vier Jahren war Siemens mit großen Erwartungen in das Solargeschäft eingestiegen. Doch der Kauf des israelischen Unternehmens Solel für 284 Millionen Euro rechnete sich bei weitem nicht. Statt der erhofften Zuwächse konnte sich der Hersteller von solarthermischen Anlagen nicht gegen die Konkurrenz aus China behaupten. Zuletzt überstiegen die Verluste die Umsätze. Versuche, Solel zu verkaufen, scheiterten. Nun wickelt Siemens das Unternehmen ab. Unterm Strich dürfte der erfolglose Ausflug ins Solargeschäft den Konzern rund eine Milliarde Euro gekostet haben.
Deutlich besser läuft dagegen das Wind-Geschäft. Siemens ist der weltgrößte Hersteller von Offshore-Windturbinen. Allerdings gibt es auch hier Sturmböen und Gegenwind. Der Netzanschluss der Nordseewindparks vor Borkum und Helgoland an das Stromnetzt auf dem Festland kommt nicht wie geplant voran. 682 Millionen Euro lasteten in den vergangenen eineinhalb Jahren deshalb auf den Siemens-Bilanzen.
Auch in der Bahnsparte läuft nicht alles auf den richtigen Geleisen. Die Deutsche Bahn wartet schon lange, sehr lange auf die Auslieferung neuer ICE-Züge. Sie sollten schon im Winter 2012 ausgeliefert werden, nun wird es wohl bis 2014 dauern.
Die Verzögerungen in verschiedenen Geschäftsfeldern zwangen Löscher, die ursprüngliche Ergebnisprognose von fünf Milliarden Euro im Mai nach unten zu revidieren. Nun zweifeln Anleger, ob Siemens sich nicht auch noch von auch von einem weiteren Ziel verabschieden muss. In puncto Profitabilität wollte Löscher dem Konkurrenten General Electric näher kommen. Die US-Amerikaner brachte es im vergangenen Jahr immerhin auf 15 Prozent, Siemens nur auf nur neun Prozent.
Die Skepsis der Investoren spiegelt sich im Aktienkurs wider. Auf Sicht von sechs Monaten gab der Titel über drei Prozent ab. Der deutsche Leitindex schaffte im selben Zeitraum dagegen immerhin ein Plus von acht Prozent. Siemens-Investoren warten nun gespannt auf den für Anfang Juli geplanten Börsengang des Tochterunternehmens Osram. Sie bekommen dann für zehn Siemens-Aktien eine Aktie des Leuchtmittelherstellers ins Depot gebucht. Der Mutterkonzern setzt jedenfalls auf eine gute Entwicklung. Er behält 19,5 Prozent der Anteile. So könnte, nachdem schon nicht alle Brände gelöscht sind, den Siemens-Aktionären doch immerhin in absehbarer Zeit ein Licht aufgehen.