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Sind die Rahmenbedingungen für Value-Aktien so gut wie nie?

Value-Aktien erleben ihre Renaissance. Sie profitieren von Aufholeffekten nach Shut- und Lockdowns, aber auch von der steigenden Inflation. Gleichzeitig können Anleger in dem Segment den hohen Gesamtmarktbewertungen teilweise entfliehen.

(Foto: Travis Wolf / Shutterstock)

Value-Aktien erleben ihre Renaissance. Sie profitieren von Aufholeffekten nach Shut- und Lockdowns, aber auch von der steigenden Inflation. Gleichzeitig können Anleger in dem Segment den hohen Gesamtmarktbewertungen teilweise entfliehen.

Die Aktienmärkte haben in den letzten 14 Monaten ein Kursfeuerwerk von mehr als 50 Prozent hingelegt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI World Index vom 23-fachen der erwarteten 12-Monatsgewinne scheinen die Bewertungen aber besorgniserregend hoch zu sein. Zum Vergleich: Im April 2010, also 14 Monate nach dem Aktienmarkttief der Finanzkrise, lag das KGV nur beim 14-fachen. Aktuelle Kurstreiber waren vor allem Wachstumsaktien, die auf ein goldenes Jahrzehnt zurückblicken. Nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, sollten Anleger vor diesem Hintergrund in Erwägung ziehen, ihr „Beuteschema“ zu ändern. „Die Bewertungsschere zwischen Growth und Value-Aktien hat sich in den letzten Jahren immer weiter geöffnet“, stellt der Kapitalmarktexperte fest. Investoren könnten aus seiner Sicht mit einer stärkeren Berücksichtigung von Value-Aktien den Malus der hohen Gesamtmarktbewertung zumindest partiell kompensieren.

Wachstumsaktien profitierten vor allem von Bewertungsausweitung

Relativ schwaches Wirtschaftswachstum, technologische Adaption und niedrige Zinsen waren nach Analyse von Tilmann Galler der Nährboden für eine Wertentwicklung, wie sie zuletzt in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zu erleben war. Seit April 2010 haben globale Wachstumsaktien ihren Besitzern demnach einen Ertrag von 335 Prozent beschert und damit 182 Prozent mehr als Value-Aktien. „Interessanterweise war der Mehrertrag der Wachstumsaktien nur zu einem relativ geringen Anteil durch höheres Gewinnwachstum getrieben“, erklärt der Experte. Bei den Wachstumsaktien lag das gesamte Gewinnwachstum pro Aktie in der Periode bei 73 Prozent, während Value-Aktien die Gewinne um 40 Prozent steigern konnten. Die Bewertungsausweitung war demnach der größte Ertragsbringer der letzten 11 Jahre. Das KGV der Wachstumsunternehmen hat sich von 15x auf 32x mehr als verdoppelt. Die Bewertung von Value-Aktien mute nach Ansicht des Ökonomen mit einem KGV von 15x geradezu günstig an. Die Pandemie habe diese Entwicklung nochmals beschleunigt.

Fundamentale Veränderung der Ertragskraft erwartet

Ein zweiter Faktor, der die Bewertungsschere in den letzten drei Jahren zwischen Wachstums- und Value-Aktien weiter geöffnet hat, ist nach Analyse von Tilmann Galler der Kampf gegen den Klimawandel. Das Ziel der CO2-Neutralität habe Kurse und Bewertungen alternativer Energie- und Versorgerunternehmen sowie von Herstellern elektrischer Antriebskonzepte nach oben katapultiert. „Auf dem aktuellen Bewertungsniveau bedeutet das nichts anderes, als dass die Marktteilnehmer eine fundamentale und nachhaltige Veränderung der Ertragskraft der Unternehmen erwarten: weg von Finanzwerten, Industrie, klassischem Einzelhandel und Energie hin zu Fintech, IT, Online-Handel und nachhaltiger Energieerzeugung“, stellt der Ökonom fest. Es spreche einiges dafür, dass dies langfristig eintreten werde.

Expansive Fiskalpolitik pusht Value

Aktuell lohnt es sich nach Meinung Gallers allerdings für Investoren, sich den lange verschmähten Value-Aktien zuzuwenden. Denn die Pandemie und die Reaktion der Politik hätten im Vergleich zur vorherigen Dekade die Parameter an den Märkten in einem entscheidenden Punkt verändert – der Fiskalpolitik. Die Abwendung von der stabilitätsorientierten Politik hin zu einer expansiven und wachstumsorientierten Fiskalpolitik schaffe zumindest kurzfristig ein Umfeld von kräftigem Wirtschaftswachstum und Inflation. „Value-Branchen profitieren überproportional von dieser Entwicklung. Die Industrie wächst dank staatlicher Investitionsprogramme, Finanzwerten hilft die steilere Zinsstrukturkurve und der Einzelhandel profitiert von dem aufgestauten Bedürfnis nach einer realen ‚Shopping-Erfahrung‘“, erklärt Galler. Das bedeute, dass in einem Umfeld üppigen Wirtschafts- und Gewinnwachstums Investoren ihr „Beuteschema“ verändern sollten. „Wachstum um jeden Preis“ werde durch „Wachstum zum günstigen Preis“ – sprich Value – ersetzt. Mithilfe eines stärkeren Fokus auf Value-Aktien könnten Investoren den hohen Gesamtmarktbewertungen zumindest teilweise trotzen.