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Unternehmen > Verfehlte Erwartungen

Sollten Anleger bei Siemens jetzt Gewinne mitnehmen?

(Foto: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Erst das Rekordhoch. Dann der Kurssturz. Anleger haben Siemens viel zugetraut. Doch die Münchner enttäuschen im zweiten Geschäftsquartal in ihrer wichtigsten Sparte.

Ob der Dax am Donnerstag seine Rekordjagd fortgesetzt hätte, hätte Siemens nicht Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal vorgelegt? Man weiß es nicht. Dass Deutschlands Leitindex jedoch nach seinem neuen Rekordhoch von Mittwoch tags drauf direkt um fast 0,8 Prozent nachgab, hatte definitiv etwas mit dem Kurseinbruch der Siemens-Papiere zu tun. 6,7 Prozent verloren die Titel des zweitwertvollsten Dax-Konzerns nach Vorlage des Quartalsberichts, das lässt sich nicht mal so eben ausgleichen.

Was ist da los in München? Die seit Oktober laufende Dax-Rally hatte Deutschlands Maschinenbau-Krösus zuvor maßgeblich mitgetragen. Die Aktie war erst Anfang der Woche auf ein neues Rekordhoch bei 188,88 Euro gestiegen. Ausgehend von Ende Oktober resultierte das in einem Kursplus von fast 60 Prozent.

Siemens-Aktie

Jetzt auf einmal der Crash, nachdem Siemens seit langem einmal wieder die Umsatz- und Gewinnerwartungen der Analysten verfehlt hatte. Die Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal gerieten solide, was Anleger im Hinblick auf den stark gestiegenen Aktienkurs aber offenbar als ungenügend werteten. Im industriellen Geschäft sank das Ergebnis um zwei Prozent auf 2,51 Milliarden Euro. Analysten hatten mit 2,68 Milliarden Euro gerechnet. Der Umsatz blieb mit 19,2 Milliarden Euro konstant. Der Nettogewinn fiel um 38 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, was allerdings an positiven Sondereffekten aus der Wertbeteiligung an Siemens Energy, die es im Jahr zuvor gegeben hatte, lag. Schon eher alarmierend: der Auftragseingang ging um zwölf Prozent auf 20,5 Milliarden Euro zurück. Und vor allem: die zukunftsweisende Sparte Digital Industries schwächelt, ist sogar Hauptgrund für das schwächer als erwartete Abschneiden des Konzerns im ersten Quartal des Jahres.

Gerade auf diese Sparte aber konzentriert sich Siemens. Ein Großteil der vergangenen Kursgewinne rühren aus dem eingeleiteten Umbau vom Industrie- zum Digitalkonzern, den CEO Roland Busch betont, wo immer es geht. Sparten, die nicht mehr zu dieser Ausrichtung passen, werden an die Börse gebracht oder verkauft, wie nun die Innomotics-Sparte, die E-Motoren und Antriebssystem produziert. Sie soll für 3,5 Milliarden Euro an den US-Investor KPS Capital Partners gehen. Die Wettbewerbshüter müssen noch zustimmen.

Die Zukunft im Konzern bestimmen Digitalisierung, Automatisierung, Technologisierung. Ein Wandel, der angesichts der weltwirtschaftlichen Entwicklungen wohl auch der einzige Weg ist, um weiterhin Wachstum zu generieren. Umso problematischer, wenn dieser Wandel stockt, wenn die darauf aufbauende Anlagestory Risse bekommt.

Genau das ist mit den Zahlen für die ersten drei Monate des Jahres geschehen. Der Umsatz in der Digital Industries-Sparte dürfte im laufenden Geschäftsjahr nun um vier bis acht Prozent sinken, wie Siemens prognostiziert. Auch die Marge wird dem Ausblick nach auf 18 bis 21 Prozent sinken. Ursprünglich rechnete Siemens mit 20 bis 23 Prozent.

Von Januar bis März nahm Siemens in der DI-Sparte zehn Prozent weniger Aufträge an als noch im Jahr zuvor. Der operative Gewinn ging um über 40 Prozent zurück. Siemens macht Billig-Konkurrenz aus China zu schaffen, genauso wie die dort aktuell schwächelnde Nachfrage aufgrund von noch gut gefüllten Lagern. Auch die lahmende Konjunktur in Deutschland lastet auf der Sparte. Die Erwartungen seien bereits niedrig gewesen, dennoch sei es noch ein gedämpftes Quartal gewesen, schrieb Deutsche Bank-Analyst Gael de-Bray in einer Studie zur Aktie.

Dass die Zahlen insgesamt nicht noch schlechter ausfielen, verdankt Siemens seiner Gebäude- und Infrastruktur-Technik-Sparte. Dort erreichte Siemens im zweiten Geschäftsquartal das obere Ende der anvisierten Marge und rechnet für das laufende Geschäftsjahr nun mit 16 bis 17 Prozent. Der Umsatz soll um acht oder mehr Prozent steigen. Der Auftragseingang kletterte um zehn Prozent.

Anleger beruhigt das nur wenig, die Wachstumsfantasie steckte in der DI-Sparte. Insofern sind die vorgelegten Zahlen ein – zumindest kleiner – Schock. Die deutlichen Wertverluste schickten den Aktienkurs so auch unter die 21-Tage-Linie. Analysten gehen derweil davon aus, dass der Gewinn je Siemens-Aktie für das Jahr 2023/24 nur noch 10,35 Euro erreicht und nicht, wie vom Konzern selbst angepeilt, 10,40 bis elf Euro.

Fazit: Siemens wirtschaftet solide, erzielt Milliardengewinne und zahlt vergleichsweise sichere Dividenden. Daran wird sich so schnell wohl nichts ändern. Der Umbau zum Tech- und Digitalkonzern geht aber nicht ganz so schnell voran, wie von manch Anleger erträumt. Nachdem die Aktie in den vergangenen Monaten weit geklettert ist, sind Gewinnmitnahmen die logische Folge. Kurzfristig könnten weitere folgen. Langfristig erzählt Siemens mit seiner DI-Sparte aber immer noch eine glaubwürdige Erfolgsgeschichte, womit Value-Fans weitere Rücksetzer auch als Kaufgelegenheit nutzen könnten.  

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