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Teenager beginnen Facebook wegzulaufen

Umsatz, Gewinn, Werbeeinahmen – alles lag beim sozialen Netzwerk Facebook im dritten Quartal über den Erwartungen. Die Aktie explodierte nachbörslich förmlich, Firmenchef Mark Zuckerberg konnte strahlen. Doch dann sagte Finanzchef Ebersman folgenschwere Sätze.

BÖRSE am Sonntag

So hat es bei dem Musiknetzwerk Myspace auch angefangen, und frühere Stars im Bereich soziale Medien wie Friendster oder Schüler-VZ können ein Lied davon singen. Wenn die Jugendlichen wegbleiben, kann ein soziales Netzwerk schnell ins Schlingern kommen. Noch ist es bei Facebook nicht so weit, aber erste Anzeichen sind da, wie das Management im Analystengespräch nach der Vorlage hervorragender Quartalszahlen am Mittwoch einräumte. Eine nachbörsliche Kursexplosion um fast 15 Prozent auf mehr als 55 Dollar in der Spitze sackte innerhalb von Minuten komplett in sich zusammen. Erst einmal abwarten, heißt jetzt die Devise. Gerüchte um bröckelnde Akzeptanz des Facebook-Angebots hatte es immer wieder gegeben, aber noch vergangenes Quartal hatte Mark Zuckerberg alle Bedenken höchstpersönlich zerstreut. Es gebe keine Anzeichen für einen Facebook-Müdigkeit unter US-Jugendlichen, hatte er beteuert.
Das hörte sich im Lauf der Woche dann etwas anders an. Finanzchef David Ebersman versuchte die Nachricht so beiläufig wie möglich unterzubringen. Es sei insgesamt schwierig, die Aktivität von Teenagern zu messen, merkte er im Analystengespräch an. Viele gäben falsche Altersangaben an. Aber man habe trotzdem versucht, Messmethoden zu entwickeln. Und siehe da: sie zeigten einen leichten Rückgang der täglichen Aktivitäten unter jüngeren US-Jugendlichen auf Facebook. Trotzdem, versuchte Ebersman zu beruhigen, sei die Nutzung durch Teenager insgesamt „praktisch unverändert“ gegenüber dem zweiten Quartal und die Durchdringung des Jugendmarktes „so gut wie vollständig.“ Außerdem sei die statistische Signifikanz der Entdeckung „zweifelhaft“. Aber warum wurde sie dann erwähnt? Das war der Moment, wo die Stimmung drehte und Wall Street den Panikknopf drückte.

Zuckerberg peilt „trotzdem" nächste Milliarde an

So funktioniert die Facebook-Geldmaschine: Ein Facebook-Nutzer informiert sich auf einer Website über ein Produkt. Ein Werbenetzwerk, das mit Facebook kooperiert, installiert einen „Cookie“, eine winzige Datei, die den Besuch dokumentiert. Etwa so: Nutzer interessiert sich für ein bestimmtes Mobiltelefon. Beim nächsten Facebook-Besuch informiert das Unternehmen das Werbenetzwerk. Der Nutzer bleibt dabei anonym. Der Werbedienstleister leitet binnen Sekunden eine Auktion ein. Hersteller bieten dafür, eine Anzeige zu präsentieren. Das beste Gebot bekommt den Zuschlag.
Pro Auktion geht es nur um Centbeträge, und doch klingeln angesichts riesiger Nutzerzahlen für Facebook die Kassen wie bei einem Hauptgewinn am „einarmigen Banditen“ in Las Vegas. Der Nettogewinn nach dem strengen US-Bilanzierungsmaßstab GAAP summierte sich im dritten Quartal auf 425 Millionen Dollar, nachdem im Vorjahr noch ein Minus von 59 Millionen Dollar zu Buche stand. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres sind es zusammen schon knapp eine Milliarde Dollar.
Wenngleich nicht so signifikant wie die Werbung, aber doch ein Indikator für verpasste Chancen: Der Umsatz aus dem hauseigenen Zahlungssystem für Computerspiele wird im kommenden Quartal wohl zurückgehen, warnt der Finanzchef. Hier sind vor allem die Umsätze aus Spielen versammelt. Der größte Partner aus der Aufbauzeit, Zynga, macht gerade eine extreme Talfahrt durch und hatte zuvor bereits schwache Zahlen vorgelegt. Andere Spielehersteller sind wohl nicht in der Lage oder nicht Willens, das auszugleichen. Immer mehr, so wie Zynga, setzen nicht mehr nur auf Facebook, sondern bieten eigene Spieleplattformen an. Damit umgehen sie den 30-prozentigen Umsatzschnitt, den sich Facebook gönnt. Es deutet gleichzeitig an, dass es mit dem Einstieg in den F-Commerce, dem Online-Handel über Facebook noch nicht gut bestellt ist. Dazu kommt, dass im Vorjahr vier statt drei Monate gemessen wurden. Angesichts all dessen stellte Mark Zuckerberg nun eine neue Idee vor: Facebook soll jetzt auch das sichere Onlinebezahlen möglich machen. Derzeit befindet sich das Vorhaben noch in der Testphase, doch schon bald soll der Dienst an den Start gehen. Vor allem dem Bezahldienst Pay-Pal, einer Ebay-Tochter, würde damit Konkurrenz erwachsen.

Wie geht es weiter?

Analysten verweisen auf zwei große Potenziale: Videowerbung und den Bilderdienst Instagram. Erst Mitte September war ein Feldversuch gestartet worden, bei dem Videos auf Facebooks Mobile-Apps automatisch anlaufen, wenn sie auf dem Bildschirm erscheinen. Sie bleiben allerdings stumm, solange sie nicht angeklickt werden. Das wird als klarer Schritt zum Einstieg in den lukrativen Video-Werbemarkt interpretiert. Dabei gibt es aber viele Unwägbarkeiten zu beachten, zum Beispiel, ob die ständig laufenden Videos die Batterie des Smartphones zu stark leer saugen. Das wäre fatal.
Instagram mit seinen 150 Millionen Nutzern ist sogar noch gänzlich werbefrei. Wenn sich das ändert, ist der nächste Umsatzschub zu erwarten. Werbung auf dem populären Foto- und Videodienst ist geplant, hat Zuckerberg schon früher erklärt. Aber man wolle es auf keinen Fall „versauen“ und vorsichtig angehen, um keine Nutzer zu verschrecken. Zum Beispiel Jugendliche.
Zuckerberg selbst setzt auf klassische Tugenden: Wachstum. Er peilt „die nächste Milliarde“ an. Das Gemeinschaftsprojekt „Internet.org“ mit Partnern wie Samsung oder Qualcomm hat sich der Aufgabe verschrieben, preisgünstiges Internet für Entwicklungsländer bereitzustellen. Das käme allen zu Gute, natürlich auch Facebook. Handelsblatt