Von wegen Trump! Das Risiko kommt aus Rom!
Die bevorstehenden Wahlen in Italien ziehen nicht dieselbe Aufmerksamkeit der Anleger auf sich wie der drohende transatlatische Handelskrieg. Dabei birgt diese Wahl erhebliches Risiko speziell für die europäischen Märkte. Die Augen der Marktteilnehmer, die angstgeweitet auf Donald Trump starren, sollten sich besser auf Rom richten. Sebastian Sigler fasst die Erwartungen der Marktteilnehmer zusammen.
Die bevorstehenden Wahlen in Italien ziehen nicht dieselbe Aufmerksamkeit der Anleger auf sich wie der drohende transatlatische Handelskrieg. Dabei birgt diese Wahl erhebliches Risiko speziell für die europäischen Märkte. Die Augen der Marktteilnehmer, die angstgeweitet auf Donald Trump starren, sollten sich besser auf Rom richten.
Von Sebastian Sigler
Aus den meisten aktuellen Meinungsumfragen für die bevorstehenden Parlamentswahlen in Italien geht hervor, dass es am kommenden Sonntag, wenn abgestimmt wird, keinen klaren Sieger geben wird. Als wahrscheinlichsten Ausgang erwarten die meisten Beobachter entweder eine Technokraten-Regierung oder eine große Koalition. In diesen beiden Fällen sind kaum drastische Auswirkungen auf die Anleihenmärkte zu erwarten. Die Sache könnte jedoch anders aussehen, wenn eine dieser Gruppen genug Sitze für die Bildung einer Regierung gewinnen würde, insbesondere, wenn es sich bei dieser Gruppe um die Koalition der Mitte und rechter Parteien handelt.
Kommt Berlusconi wieder?
Es ist fraglich, ob die Marktbeobachter, die noch zur Ruhe mahnen, wirklich Recht behalten. Die letzten vor der Wahl veröffentlichten Meinungsumfragen legen nahe, dass die Koalition der Mitte-Rechts-Parteien, zu der auch die von Silvio Berlusconi geführte Forza Italia gehört, die meisten Sitze gewinnen könnte. Und dieses Szenario, das viele Poitiker und ebensoviele Börsengurus wegzulächeln versuchen, ist das wahrscheinlichste. An den europäischen Börsen könnte es am kommenden Montag ein böses Erwachen geben. Und das nicht nur, weil die Konstellation in Rom eine ungeliebte sein könnte. Robert Greil, Chefstratege bei Merck Finck Privatbankiers, behält angesichts dieser Aussichten offenkundig die Nerven: „Die US-Zinsängste bleiben das bestimmende Thema für die Finanzmärkte. Kurzfristig rückt zwar die Italien-Wahl in den Fokus – schon weil ihr Ausgang angesichts vieler unentschiedener Wähler unsicher ist. Trumps Ankündigung von Einfuhrzöllen facht aber die Inflations- und damit Zinsängste weiter an.
Außerdem sind die Sorgen vieler Anleger beim Blick nach Italien bislang noch Zukunftsmusik. Den die Finanzmärkte erkennen bislang einen grundsätzlich proeuropäischeren Ton der italienischen Parteien. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Entwicklung am Staatsanleihenmarkt: In der Regierungskrise unter Berlusconi im November 2011 notierten zehnjährige italienische Staatsanleihen noch bei über sieben Prozent. Inzwischen liegt die zehnjährige Rendite bei 2,1 Prozent und die zweijährige Rendite sogar unter der maischen Nullinie, bei minus 0,2 Prozent. Auch der Zinsabstand zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen ist seit dem Frühjahr 2017 kontinuierlich auf dem Rückzug. Er befindet sich mit aktuell 1,3 Prozent im zehnjährigen Bereich auf dem niedrigsten Stand seit 2016. Im zweijährigen Bereich erhielten Anleger Anfang Februar 2018 mit gerade einmal 0,2 Prozent sogar den geringsten Renditeaufschlag seit 2005.
Ob sich diese betont gelassene Sicht der Dinge halten lässt? Im Gegensatz zum traditionellen Mitte-Rechts-Dogma würden laut Wahlprogramm der Koalition von Berlusconi deutliche Mehrausgaben und ein größerer Haushalt zu erwarten sein. Das wäre Gift für die europäischen Aktienmärkte. Negative Auswirkungen sind auch bei italienischen Schuldtiteln zu erwarten. Die Zentralbank des Landes würde wahrscheinlich mehr Staatsanleihen (BTP) emittieren, und zwar exakt zu einem Zeitpunkt, zu dem der größte Käufer, nämlich die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Käufe von Staatsanleihen zurückfährt. So zumindest erwartet es David Zahn vom Vermögensverwalter Franklin Templeton. Und er hält es durchaus für möglich, dass die Wahlen auf der italischen Halbinsel, bei denen eine europafeindliche Mehrheit durchaus möglich erscheint, eine „übermäßige Marktreaktion“ auslösen könnten.
Ist jetzt sogar der „Italexit“ in Sicht?
Die Finanzexpertin Sandra Navidi geht noch einen Schritt weiter. Sie weist darauf hin, dass die Arbeitslosenzahlen in Italien mit rund zehn Prozent sehr hoch sind. Das Staatsdefizit sei zudem auf Rekordniveau, das Bankensystem insegesamt noch nicht über den Berg. Verschuldung und Steuern könnten nach einem Rgierungswechsel in Italien im Gleichschritt steigen, die Erholung der letzten Monate könnte dahin sein. Das Wirtshaftswachstum zwischen Mailand und Palermo lag ohnehin unter dem EU-Durchschnitt. Es erscheint möglich, dass die Anleger italienische Anleihen in großen Stil abwerfen und dass in der Folge der Euro-Rettungsschirm aufgespannt werden muss. Aber wird der groß genug sein?
Das erscheint mehr als unsicher. Falls der Rettungsschirm benötigt wird, drohen in Rom sogar Athener Verhältnisse, denn Italien ist ein Schwergewicht unter den Euro-Ländern – Griechenland ist dagegen ein Wirtschaftszwerg. „Italexit“ ist deswegen das Schreckenswort, das viele Analysten denken, das aber kaum einer ausspricht. Und währenddessen sorgen sich viele Anleger lediglich um die Politik der USA, was aber kein Wunder ist: Donald Trump ist von einer Mehrheit der Journalisten zu einem überlebensgroßen Schreckgespenst aufgeblasen worden. Die erkennbare Hysterie, mit der nach Washington D. C. geblickt wird, ist dabei rational nur schwer zu begründen – trotz drohenden Handelskriegs. Auseinandersetzungen über Strafzölle gab es immerhin schon öfter. Sie waren gewiss nicht hilfreich, sind aber immer auch vorbeigegangen.
A propos lockere Finanzpolitik...
Italien hin, Frankfurt her: Viele Anlegersorgen scheinen auch der weitere Entwicklung der Geldpolitik der Eurozone zu gelten. Denn könnte gute Gründe dafür geben, dass sich die Europäische Zentralbank noch bis 2020 zurückhalten wird, bevor sie die Zinsen anhebt. Mario Draghi hat nach wie vor das langfristige Ziel sei, die Inflation der Eurozone bei „knapp unter zwei Prozent“ zu zementieren. Doch angesichts der Lage in Italien scheint dieses Szenario derzeit in weitere Ferne gerückt, auch kleine Zinsanhebungen durch die EZB werden unwahrscheinlicher. Für Beobachter wie den Franklin-Templeton-Mann Zahn liegt es sogar nahe, dass sich die EZB gut damit abfinden könnte, wenn die Inflation kurzfristig über zwei Prozent steigen würde. Nur – dorthin muss sie erst einmal kommen!
Werden mit der Wahl in Italien, und das ist die aktuell wirklich drängende Frage, die verhalten positiven Aussichten im ökonomischen Bereich stärker an den Märkten auswirken als der „double trouble“ aus Rom und Washington? Große Zweifel scheinen angebracht. Anleger sollten vielleicht etwas abwarten, bevor sie sich engagieren.