USA-Reise: Müllers Ausrutscher wird Fall für Aufsichtsrat
Ein Interview in Detroit sorgte für Irritationen und Ärger: Als ihm ein Reporter des öffentlichen Radiosenders NPR ein paar Fragen stellt, spielte VW-Chef Matthias Müller den Abgasskandal herunter: „Ehrlich gesagt, war es ein technisches Problem.” VW hatte „nicht die richtige Interpretation der amerikanischen Gesetze“. Die Ingenieure des Konzerns hätten lediglich „Lösungen gefunden, die mit den amerikanischen Gesetzen nicht kompatibel“ gewesen seien. Das hat jetzt Folgen.
Ein Interview, das VW-Chef in Detroit gab, könnte ihn noch teuer zu stehen kommen: gegenüber einem Reporter des öffentlichen Radiosenders NPR spielte er den Abgasskandal herunter: „Ehrlich gesagt, war es ein technisches Problem.” VW hatte „nicht die richtige Interpretation der amerikanischen Gesetze“. Die Ingenieure des Konzerns hätten lediglich „Lösungen gefunden, die mit den amerikanischen Gesetzen nicht kompatibel“ gewesen seien.
Auch wenn das Interview auf Bitten von Volkswagen wiederholt wurde und Müller sich korrigierte: Einen guten Eindruck hat der 62-Jährige damit nicht hinterlassen. Am Dienstag wird daher also der VW-Aufsichtsrat tagen. Schwerpunkt der Beratungen sei der Stand der Aufklärungsarbeiten in der Abgasaffäre, sagten zwei mit der Sache vertraute Person gegenüber Reuters. Auch der Sonderausschuss zur Aufarbeitung der Abgasmanipulationen werde nächste Woche zusammenkommen. Müller hatte bei der Detroiter Autoshow wie auch in den Gesprächen mit der US-Umweltbehörde EPA versucht, das durch den Abgasskandal ramponierte Image des Wolfsburger Autobauers wieder aufzupolieren.
Gerade vom Treffen mit EPA-Chefin Gina McCarthy am Mittwoch hatten sich viele eine Lösung erhofft, wie die rund 600.000 manipulierten Fahrzeuge in den USA mit aktueller, regelkonformer Technuik nachgerüstet werden können. Ergebnisse des Spitzentreffens, an dem auch VW-Markenchef Herbert Diess teilnahm, wurden zunächst nicht bekannt. „Wir werden weiter an einer Lösung arbeiten“, hatte McCarthy im Anschluss lediglich gesagt.
Volkswagen will die EPA von einem komplett neu entwickelten Katalysator überzeugen, der bei rund 430.000 Fahrzeugen eingebaut werden soll, um die Stickoxidgrenzwerte in den USA einzuhalten. Für weitere gut 100.000 Wagen, die nur mit hohem Aufwand repariert werden könnten, ist ein Rückkauf im Gespräch.
Die absolut unbefiredigenden Ergebnisse der Müller-Reise in die USA zeigten: Die Krise bei VW ist noch längst nicht ausgestanden, die Hoffnung auf ein versöhnliches Ende des Abgasskandals ist verfrüht. Anleger zweifeln, ob es VW schaftt, mit gut abgestimmten Rückrufaktionen den finanziellen Schaden einzudämmen und die Behörden zu besänftigen Immerhin: Ende Januar kommen die ersten von insgesamt 2,5 Millionen Diesel-Fahrzeugen in Deutschland in die Werkstätten. Allein hierzulande sind die Antriebe hunderttausender Pkw der Marken VW, Audi, Skoda und Seat mit einer Manipulationssoftware versehen. In Prüfsituationen wird der Schadstoffausstoß reduziert, sodass die Fahrzeuge scheinbar keine Grenzwerte verletzen. Tatsächlich sind die Stickoxid-Werte jedoch um ein Vielfaches höher. Volkswagen hat das längst zugegeben, alles andere hätte den ohnehin schon angeschlagenen Ruf des Konzerns wohl vollends demoliert.
Ausgerechnet: US-Konkurrenz trumpft 2015 groß auf
Die USA sind für Volkswagen schon seit langem ein äußerst schwieriger Markt, bislang kommen die Wolfsburger kaum über ein Nischendasein heraus. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 607.100 Fahrzeuge ausgeliefert – das sind zwar 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr, aber die Rekordabsätze der US-Konkurrenz zeigen, dass der Eindruck täuscht. Ford hat 2015 beispielsweise über 2,6 Millionen Fahrzeuge in den USA verkauft und sich damit um rund fünf Prozent gesteigert. Mit diesen Zahlen im Nacken reist Müller also durch die Staaten, und am heutigen Mittwoch muss er einen besonders heiklen Stopp einlegen.
Sein Treffen mit der Chefin der US-Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, dürfte wegweisend für den weiteren Verlauf der Krise sein. Denn bislang hat Volkswagen den Amerikanern noch keine Lösung zur Aufarbeitung des Skandals schmackhaft machen können. Problematisch dabei ist, dass die Ausbesserungen in den USA aufgrund strengerer Stickoxid-Grenzwerte wohl aufwendiger ist als zum Beispiel in Deutschland. Erst am Dienstag teilte zudem die kalifornische Umweltbehörde CARB mit, dass ein Rückrufplan von Volkswagen aus dem vergangenen Dezember mit Bitte um Nachbesserung abgelehnt wurde. Die Frist: bis morgen.
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Der Konzern müsse die Dinge wieder geraderücken, sagte die CARB-Chefin Mary Nichols: "Sie haben weitergemacht und haben die Lüge noch verschlimmert, und als sie erwischt wurden, haben sie versucht, es zu leugnen." Matthias Müllers Auftritt wirkt im Licht dieser Aussage noch unpassender, schließlich hat sich Volkswagen mit dieser Taktik schon einmal schwer die Finger verbrannt. Doch so schlimm, wie die Vielzahl kritischer Äußerungen es nahelegen, steht es um den Volkswagen-Konzern gar nicht – zumindest im Schnitt.
Zwar gingen die Auslieferungen von Volkswagen Pkw im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent zurück, dafür legte Skoda mit 1,06 Millionen Fahrzeugen einen Absatzrekord hin. Lindernd wirkte auch die Steigerung von Porsche-Verkäufen im Gesamtjahr um 18,6 Prozent auf 225.100 Fahrzeuge. In der Bilanz steht daher statt des erhofften Rekordjahres zwar ein Absatzrückgang von zwei Prozent. Doch die Anleger an den Börsen haben sich mit der Situation offenbar zurechtgefunden und investieren mit Optimismus.
Hoffnung auf Lösung in den USA treibt den Aktienkurs
Am Mittwoch können die VW-Vorzugsaktien daher um 1,28 Prozent zulegen und sind aktuell je 122,50 Euro wert. Im insgesamt aufstrebenden DAX gehört Volkswagen damit zu den Gewinnern. Nach Müllers Noteinsatz in Washington dürften sich auch die Analysten wieder an die Aktie heranmachen und das Potenzial des Papiers abklopfen. Verlaufen die Verhandlungen mit den US-Behörden in den nächsten Tagen positiv, stehen die Zeichen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends gut. Sollte sich Müller allerdings weitere Patzer leisten, kann es auch schnell bergab gehen – von der Volatilität der Gesamtmarktes einmal ganz abgesehen. Klar ist: je länger die Aufarbeitung des Abgasskandals dauert, desto schmerzhafter wird er sich in der Bilanz von Volkswagen niederschlagen. Sei es durch Strafzahlungen oder sinkende Verkäufe.
Marius Mestermann / mit Material von Handelsblatt