VW: Sackgasse an der Westküste?
Der Diesel-Skandal spitzt sich zu: Bald wird das Ausmaß der juristischen Konsequenzen greifbar. Volkswagen-Chef Matthias Müller wird aus den USA dabei auch persönlich angegriffen. Endstation Westküste? Ein kalifornischer Richter fährt schwere Geschütze auf. An der Börse ist die VW-Aktie bei Langzeit-Anlegern unbeliebt, aber bei risikobewussten Tradern ist sie für riskante Rallye-Profite durchaus zu haben. Dies vielleicht auch, weil die ersten Summen, die von US-Anwälten für mögliche Entschädigungszahlungen in Deutschland genannt werden, eher moderat klingen.
Der Diesel-Skandal spitzt sich zu: Bald wird das Ausmaß der juristischen Konsequenzen greifbar. Volkswagen-Chef Matthias Müller wird aus den USA dabei auch persönlich angegriffen. An der Börse ist die VW-Aktie weiter unbeliebt, aber dennoch für riskante Rallye-Profite zu haben.
Jetzt wird es persönlich. Im Dieselgate-Skandal des VW-Konzerns greifen die US-amerikanischen Sammelkläger nun die Manager des Konzerns persönlich an. Nachdem Martin Winterkorn und andere hochrangige VW-Funktionäre bereits angeklagt wurden, steht nun auch der amtierende Vorstandsvorsitzende im juristischen Kreuzfeuer der Ermittler. Matthias Müller wird nach jüngsten Medienberichten in gleich drei Sammelklagen mit Vorwürfen wie Wettbewerbsverzerrung, Betrug, Vertragsbruch und irreführender Werbung belastet.
Die Klageschrift aus San Francisco klingt mitunter zwar wie billige Boulevard-Schlagzeilen, ist für Müller Unternehmen aber bitterernst zu nehmen. So ist die Rede vom „dreistesten Firmen-Verbrechen der Geschichte.“ Mit den Dieselmanipulationen habe man ausgerechnet die Umweltbewusstesten unwissentlich zu den größten Verschmutzern auf den Straßen gemacht. Volkswagen wollte um jeden Preis Erfolg haben, heißt es im über 700 Seiten langen Schreiben. Neben vielzähligen Besitzern, klagen auch VW-Vertragshändler und freie Autohäuser, die sich vom Konzern hintergangen fühlen. Das könnte abseits der Gerichtsverhandlungen auch langfristig noch zu Komplikationen im Tagesgeschäft kommen. Schließlich ist ein gutes Verhältnis zwischen dem deutschen Autobauer und den Distributoren vor Ort unabdingbar für den Erfolg eines Herstellers.
Zu den Sammelklagen äußert sich CEO Müller gegenüber der Deutschen Presse-Agentur überraschend entspannt: „Das scheint deren Geschäftsmodell zu sein. Es ist ja eine geübte Praxis in den USA, die offensichtlich jetzt auch versucht wird, nach Europa und Deutschland zu transportieren. Wir sehen dem ganz gelassen entgegen.“ Unterschätzen sollte er die schwerste Krise der Firmengeschichte jedoch nicht. Börsenanalysten wie Stefan Burgstaller von Goldman Sachs halten gar nichts von der guten Miene zum bösen Spiel: Die anhaltende Unsicherheit rund um die Klagen in den USA könnten den Aktienkurs weiter belasten, heißt es in Burgstallers Studie.
Der Richter erhöht den Druck
Bei der ersten Gerichtsanhörung in dieser Woche erhöhte Bezirksrichter Charles Breyer den Druck auf den VW-Konzern. In einem Ultimatum fordert er die — vermutlich technische — Lösung des Abgas-Problems von VW in Absprache mit der US-Umweltbehörde EPA. Bis zum 24. März müssen sich Techniker und Manager aus Wolfsburg nun etwas einfallen lassen. Für den europäischen Markt können wohl vergleichbar einfache technische Lösungen gefunden werden. In den USA sind die Abgas-Grenzwerte für Diesel-Fahrzeuge aber deutlich strenger und somit schwieriger zu beheben. Dem Autohersteller drohen hohe Rückkaufkosten.
An der deutschen Börse zeigt sich die VW-Aktie auch als schwierige Anlage: Nach einer erneut volatilen Woche, konnte sich das VW-Papier am Freitag jedoch als einer der Tagesgewinner ins Wochenende verabschieden. Das Papier wird wieder bei über 100 Euro gehandelt. Wenn man sich überlegt, dass die Volkswagen-Aktie noch vor einem Jahr bei 250 Euro stand, ist der Dieselgate-Crash an der Börse durchaus dramatischer Natur. VW gehört aktuell zu den schlechtesten DAX-Werten.
Dabei sieht das operative Geschäft des Konzerns gar nicht so schlecht aus wie die Nachrichtenlage. Die Auslieferungszahlen der vergangenen Monate sind überraschend überzeugend. Im Januar lieferte die VW Group 847.800 Fahrzeuge aus und damit 3,7 Prozent mehr als im ersten Monat des Vorjahres. Besonders das Geschäft in China konnte dabei überzeugen. Weltweite Rabattaktionen infolge der Skandale fördern die Verkäufe zwar, die guten Zahlen sind aber trotzdem erstaunlich. Es soll sogar eine größere Zahl von Käufern geben, die gerade wegen der manipulierten Software nun umso überzeugter VW fahren: dies sei auch eine Art technischer Überlegenheit, so ist zu hören.
Die Schummel-Software als Stimulator bei den Verkaufszahlen? Ob das stimmt, sei dahingestellt, aber eines ist auch hier klar: Autofahren ist niemals nur eine Kopfsache, und VW könnte ebendies ein wenig nützen. Zumal VW-Besitzer in Deutschland wohl auch mit einer kleineren Entschädigung rechnen dürften, wenn es nach US-Anwälten geht. Jenseits des Atlantiks wurde als eine erste Zahl 75 Millionen Euro genannt. Das ist noch nicht das letzte Wort, aber es dürfte sich für die Wolfsburger Konzernspitze sehr moderat anhören. Was wiederum den Anlegern gefällt.
Fazit
Beim Volkswagen-Konzern stehen wichtige Wochen an. Im Diesel-Skandal stellt der zuständige Richter dem deutschen Autobauer ein Ultimatum. In spätestens vier Wochen muss VW eine Lösung präsentieren. Ob sich die äußerliche Gelassenheit von CEO Matthias Müller auch auf die Aktionäre überträgt, ist noch fraglich. Die Kunden laufen dem Konzern aber bisher nicht davon. WCW