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Unternehmen > 60 Milliarden Euro Börsenwert futsch

Was der ASML-Crash für Anleger bedeutet

(Foto: picture alliance / abaca | ABACA)

Der Auftragseingang des Chipausrüsters ist im dritten Quartal eingebrochen. Die Aktie der Niederländer verlor daraufhin zweistellig. Ist das nur eine Schwächephase oder das Ende eines jahrelangen Booms?

Wegen eines Datenlecks gerieten die Zahlen von ASML einen Tag zu früh an die Öffentlichkeit. Für die Aktionäre des weltweit führenden Chipanlagenbauers eine böse Überraschung, denn der Auftragseingang des Konzerns aus den Niederlanden war im dritten Quartal unerwartet deutlich eingebrochen. Entsprechend sah sich das Management um CEO Christophe Fouquet dazu gezwungen den Ausblick für 2025 zu kappen. Gerechnet hatte damit am Markt so gut wie niemand. Entsprechend heftig fielen die Reaktionen darauf aus. Innerhalb kürzester Zeit verlor die Aktie rund 16 Prozent. Rund 60 Milliarden Euro Börsenwert lösten sich in Luft auf. Für ASML war es der stärkste Kursrutsch seit 26 Jahren. Tags darauf gab die Aktie noch einmal um fast fünf Prozent nach. Weltweit verloren Chipwerte im Sog der Niederländer deutlich. Nvidia-Aktien gaben nach einem zuvor starken Lauf fast fünf Prozent nach. Die Aktien des Anlagenbauers Applied Materials häuften ein Minus von 9,9 Prozent an. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berechnet hat, entzogen Anleger dem Halbleiter-Sektor innerhalb eines Tages mehr als 420 Milliarden US-Dollar.

Macht ASML nur den Anfang?

Ein Paukenschlag, denn auch wenn der Technologiesektor zuletzt durch die Zinssenkungen der FED angeschoben wurde, ist nach wie vor die KI-Fantasie der größte Kurstreiber in der Branche. ASML stellt Maschinen für die am höchsten entwickelten Computerchips der Welt her, die unter anderem für KI-Anwendungen benötigt werden. Der globale Marktanteil von ASML im Bereich der Lithographie-Systeme liegt bei 80 bis 90 Prozent. Schwächeln die Niederländer, lässt sich zunächst davon ausgehen, dass der gesamten Halbleiterindustrie eine Wachstumsdelle droht. Schließlich bedeutet das, dass führende Hersteller weniger Geld für High-End-Maschinen in die Hand nehmen, woraus sich schließen ließe, dass diese selbst mit weniger Nachfrage nach High-End-Chips rechnen. So berichtete ASML beispielsweise, dass die bei Speicherchips führenden Unternehmen Samsung, Micron und Nvidias wichtigster Zulieferer SK Hynix weniger ausgeben würden als erwartet.

ASML-Aktie

Aufträge brechen um mehr als die Hälfte ein

In konkreten Zahlen bedeutet das für ASML in den Monaten Juli bis September Bestellungen im Wert von 2,63 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorquartal. Analysten waren im Schnitt vom Doppelten ausgegangen. Aufgrund dieses plötzlichen Auftragseinbruchs rechnet ASML für 2025 nun nur noch mit einem Nettoumsatz von 30 bis 35 Milliarden Euro. Bislang hatten die Niederländer 30 bis 40 Milliarden Euro veranschlagt. Die Bruttomarge erwartet der Konzernvorstand nun bei 51 bis 53 Prozent, statt bei 54 bis 56 Prozent. Da hilft es wenig, dass das dritte Quartal selbst noch außerordentlich gut gelaufen war. Die Nettoumsätze stiegen um rund 20 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro, der Nettogewinn legte in etwa um ein Drittel auf 2,08 Milliarden Euro zu. Beide Kennzahlen übertrafen die Erwartungen der Analysten, genauso wie die Bruttomarge von 50,8 Prozent.

Überreaktion oder schmerzhaftes Ende des Booms?

Hat der Markt gemessen daran überreagiert? Oder bahnt sich da tatsächlich das Ende eines jahrelangen Booms an, womit die gegenwärtigen Zahlen kaum noch einen Wert hätten? Unter Analysten fallen die Reaktionen auf den Quartalsbericht höchst unterschiedlich aus. DZ-Bank Experte Ingo Wermann hat sein Kursziel von 935 auf 650 Euro gesenkt und die Aktie auf „Halten“ herabgestuft. Viele Chiphersteller würden derzeit wegen der schwachen Nachfrage nach Halbleitern außerhalb des KI-Segments den Bau neuer Werke verschieben, erklärte Wermann. Es könnte also durchaus länger dauern, bis sich die Auftragslage bei ASML wieder aufbessert. Auch UBS-Analyst Francois-Xavier Bouvignies blieb mit Blick auf den Kursrutsch vorsichtig. Er erwarte, dass die Konsensschätzung für das Ebit 2025 um 15 bis 20 Prozent sinkt, schrieb er, beließ sein Kursziel jedoch bei 900 Euro.

Analysten von JPMorgan und Goldman Sachs sehen Einstiegsgelegenheit

Sandeep Deshpande von JPMorgan beurteilt die Lage bei ASML mit einem Kursziel von 1.100 Euro und dem Votum „Overweight“ hingegen wesentlich optimistischer. Der Markt sei mit Blick auf den Chipausrüster zu pessimistisch geworden, kommentierte Deshpande, der dem Konzern 2025 weiterhin ein Wachstum von knapp 25 Prozent zutraut. Auch für das Jahr darauf hält Deshpande ein zweistelliges Wachstum für möglich. Durch das Festhalten an seinem bereits vor dem Crash der Aktie hohen Kursziel, traut er den ASML-Papieren beinahe eine Verdopplung zu. Jefferies-Experte Janardan Menon hält sogar weiterhin 1.260 Euro für möglich. Die Auftragsschwäche und die gesenkte Prognose dürften die Geschäftsentwicklung nur verzögern, begründete er sein positives Urteil.  Auch Goldman-Sachs Analyst Alexander Duval beließ sein Kursziel bei 1.185 Euro. Auch wenn die Bestellungen die Konsensprognose verfehlt hätten, bliebe der Auftragsbestand hoch, schrieb Duval.

Aktie so günstig wie lange nicht, aber ASML braucht neue Wachstumsfantasie

Kursziele mehrerer Analysten von weit über 1.000 Euro, noch dazu von Top-Adressen wie JP Morgan und Goldman Sachs, das sind bei dem aktuellen Kurs von etwas über 630 Euro zweifellos überzeugende Einstiegempfehlungen. Tatsächlich liegt das KGV nach dem Kurssturz mit 23 auch unter dem Durchschnitt von 27 der vergangenen Jahre. So günstig bewertet war die Aktie also schon lange nicht mehr und nach wie vor hat ASML ein Quasi-Monopol bei Anlagen für Hochleistungschips. Chiphersteller weltweit kommen an den Niederländern nicht vorbei, wollen sie Spitzenqualität herstellen und liefern. Trotzdem dürfte der jüngste Kurssturz eine Frage in den Mittelpunkt rücken: Wie lange kann ein Boom halten? Spitzenposition am Markt hin oder her, was wenn der Markt irgendwann gesättigt ist? Was, wenn es kaum noch neue Werke braucht und damit kaum noch neue Maschinen? Für den Aktienkurs von ASML dürfte daher vor allem eines entscheidend sein: sind die Niederländer in der Lange noch bessere Maschinen zu entwickeln, die die eigenen Vorgänger so weit übertrumpfen, dass Chipproduzenten weltweit gezwungen sind, die neuen Anlagn zu kaufen, um nichts ins Hintertreffen zu geraten? Dann nämlich könnte die 1000-Euro-Marke sehr schnell fallen.

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