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Weltrad: Von der Massenfertigung zur Manufaktur

Viele deutsche Unternehmen haben klein angefangen. Einstige Werkstätten sind dank ihres Erfindungsreichtums und unternehmerischen Geschicks zu  Konzernen von Weltgeltung geworden. Doch es gibt auch die entgegengesetzte Entwicklung: Manche einst  große Namen zieren heute kleine Firmen.

BÖRSE am Sonntag

Der Name „Weltrad“ könnte als leicht größenwahnsinnig abgetan werden, gäbe es nicht die lange Historie des kleinen Radherstellers aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt. Denn in den späten 1920er-Jahren war das Unternehmen eine Größe. Nicht auf der ganzen Welt, aber in Deutschland, wo in dieser Zeit über 2,5 Mio. Räder der Marke verkauft wurden. Damit war das „Weltrad“ das meistverkaufte Fahrrad in den bewegten Zeiten der Weimarer Republik.

Damals konnte die Firma schon auf über 40 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken.  Bereits 1885 hatten die Schlossermeister Carl Hoyer und Walter Glahn in Schönbeck die Hoyer & Glahn-Elektrotechnische Werkstatt gegründet. Wie der Name verrät, ging es zunächst nicht um Zweiräder, sondern um elektrische Anlagen, genauer gesagt Strom- und Blitzschutzanlagen. Erst fünf Jahre später stiegen die beiden Gründer in die Fahrradproduktion mit der  Fahrradfabrik  von Hoyer und Glahn ein.

Die Entscheidung, sich auf Fahrräder zu spezialisieren, fiel nach der Jahrhundertwende und erwies sich als goldrichtig. Von 2.300 gefertigten Rädern im Jahr 1902 wuchs die Produktion bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 73.000 Stück jährlich.  Dabei machte das Unternehmen immer wieder durch wegweisende Entwicklungen wie den Fahrradfreilauf „Mundus“ auf sich aufmerksam.

Die Erfolgsgeschichte wurde durch den Ersten Weltkrieg jäh ausgebremst. Der Mangel an wichtigen Rohstoffen in Deutschland führte zur Beschlagnahmung von Gummi und brachte die Fahrradproduktion zum Erliegen. Erst in den 1920er- und 1930er-Jahren ging es wieder stetig bergauf. Das Unternehmen produzierte nun auch Kinderwagen und während des Zweiten Weltkriegs Teile für Maschinengewehre. Das Ende kam mit der Teilung Deutschlands. Der im Osten gelegenen Firma fehlten die Zulieferer aus Westdeutschland und damit kam die Fahrradproduktion erneut zum Stillstand. „Weltrad“ ging schließlich in der VEB Traktorenwerk Schönebeck auf und damit als Fahrradhersteller unter.

Doch damit war das Schicksal der Marke nicht besiegelt. Ein Fahrradgeschäft in Schönebeck sorgte nach einem halben Jahrhundert für die Renaissance. Inhaber Göran Scherf begann Mitte der 1990er-Jahre mit der Restaurierung alter Welträder. Der Ingenieur René Leue erwarb hier ein restauriertes Rad und damit war der Grundstein die Neuproduktion gelegt. Nach der Entwicklung eines neuen Weltrades und einer ersten Vorserie wurde 2004 die „Weltrad Manufaktur“ aus der Taufe gehoben.

Mit gerade einmal sieben Mitarbeitern hat das Unternehmen den Anspruch, klein, aber fein zu sein. Die neuen Modelle orientieren sich im Design an den Klassikern der alten „Weltrad“ und werden nach Plänen aus den 1930er-Jahren gefertigt. Auf die Segnungen der aktuellen Fahrradtechnik muss der Fahrer freilich nicht verzichten. Die maßgeschneiderten Rahmen werden mit Gangschaltung, Halogenbeleuchtung und moderner Bremstechnik bestückt.

Dank mehrerer Fernsehauftritte  sind die Räder mittlerweile über die Grenzen von Schönebeck hinaus bekannt. Die steigende Nachfrage – sogar aus dem Ausland – bewegte die Firma zum Kauf des Rahmenbaus der früheren DDR-Radsportmannschaft, sodass die neuen Welträder mit Maschinen gefertigt werden, mit denen einst die Rennräder der Helden des ostdeutschen Radsports hergestellt wurden.

Für seine Kunden hat Weltrad ein besonders Angebot: Künftige Besitzer können in Gästezimmern übernachten, bevor sie ihr Gefährt abholen. Mittlerweile ist die Firma zu einer Berühmtheit bei Radlern geworden. Ein Aufenthalt in Schönebeck und eine Führung durch die Manufaktur gelten als touristisches Highlight am Elberadweg und können inzwischen über Reisebüros gebucht werden.

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