Wenn sich Weitsicht auszahlt
Das Geschäft der Optikerkette Fielmann ist hochprofitabel – und das schon seit vielen Jahren. Firmenchef Günther Fielmann sieht in aufstrebenden Online-Brillenhändlern keine Konkurrenz.
Das Geschäft der Optikerkette Fielmann ist hochprofitabel – und das schon seit vielen Jahren. Firmenchef Günther Fielmann sieht in aufstrebenden Online-Brillenhändlern keine Konkurrenz.
Als der staatlich geprüfte Augenoptikermeister Günther Fielmann 1972 sein erstes Fachgeschäft in Cuxhaven eröffnete, konnte er noch nicht ahnen, welche Erfolgsgeschichte er in den kommenden Jahrzehnten schreiben würde. Inzwischen ist das Unternehmen die umsatzstärkste deutsche Optikerkette und verkauft pro Jahr mehr als sieben Millionen Sehhilfen. Der heute 74-Jägrige ist nicht nur Unternehmensgründer, sondern auch Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender des seit 1994 börsennotierten Unternehmens. Die Familie Fielmann kontrolliert über ihre Holding, die Fielmann Familienstiftung und über direkte Anteile mehr als 70 Prozent der Aktien der Fielmann AG.
Der Werbeslogan „modische Fassungen zu günstigen Preisen“ hat sich schon lange herumgesprochen. Mehr als 90 Prozent aller Bundesbürger kennen laut Unternehmensgaben Fielmann. Hierzulande verkauft die Optikerkette nahezu jede zweite Brille, insgesamt sollen es in Deutschland 23 Millionen Menschen sein, die Fielmann-Gläser auf der Nase tragen. Aus dem einen Geschäft in Cuxhaven sind mittlerweile 679 Niederlassungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen, Luxemburg und den Niederlanden geworden. Das Handelsblatt beschrieb die Erfolgsgeschichte des Unternehmens einmal so: „Die Idee des Firmengründers, die Stigmatisierung der Brillenträger durch hässliche Kassengestelle abzuschaffen, hat bestens funktioniert. Fielmann hat es geschafft, den Brillenverkauf zum Discountgeschäft zu machen.“
Das Geschäft brummt
Die Geschäfte des im MDAX notieren Konzerns, zu dem rund 16.000 Mitarbeiter gehören, laufen auch in diesem Jahr bestens. Nach vorläufigen Schätzungen erhöhten die Hamburger im ersten Halbjahr ihren Absatz um fünf Prozent auf 3,7 Millionen Brillen – das sind 200.000 mehr als im Vorjahr. Der Umsatz stieg um sieben Prozent auf 719 Millionen Euro, der Vorsteuergewinn von kletterte um mehr als 15 Prozent nach oben auf 107 Millionen Euro.
Die durchweg positiven Zahlen kamen in den vergangenen Tagen an der Börse jedoch nicht so gut an. Der Grund: Die hohen Erwartungen der Investoren konnten nicht erfüllt werden. Zwar lagen Absatz, Umsatz und Gewinn höher als vor einem Jahr – die Wachstumsraten aus dem ersten Quartal dieses Jahres konnte Fielmann jedoch nicht halten. In den ersten drei Monaten hatte das warme Wetter und ein starker Absatz von Sonnenbrillen für neun Prozent Wachstum gesorgt – von April bis Juni konnte sich Fielmann „nur“ um knapp vier Prozent steigern. Weiterhin drückten Spekulationen darüber, ob die immer größer werdende Konkurrenz aus dem Internet dem MDAX-Konzern Marktteile abnehmen könnte, den Aktienkurs.
Online-Shops sind keine Konkurrenz
Der Fielmann-Chef betont, dass neue Online-Shops für sein Unternehmen keine ernsthafte Konkurrenz seien. „Wenn ich eine optimal eingestellte und gut sitzende Brille verkaufen will, dann kann ich das nur im Kontakt mit dem Kunden“, sagte Fielmann gegenüber dem Handelsblatt. Über das Internet ließen sich wichtige Informationen nicht messen. Die Folgen beim Kunden seien schlecht sitzende Brillen oder im Extremfall Doppelsehen und Kopfschmerzen. Die Kunden sehen das bisher offenbar ähnlich – im Gegensatz zu anderen Handelsbranchen bewegen sich die Online-Marktanteile bei Optikern im niedrigen einstelligen Bereich.
Die Fielmann-Aktie genießt bei den Börsianern einen guten Ruf, auch wenn der Kurs Anfang Juli von 105 auf 100 Euro einbrach. Unterm Strich konnte das Papier im bisherigen Jahresverlauf immer noch ein Plus von rund 18 Prozent verbuchen. Zum Vergleich: Der MDAX verlor im gleichen Zeitraum ein Prozent an Wert.
Das Düsseldorfer Bankhaus Lampe stufte die Aktie diese Woche von „Verkaufen“ auf „Halten“ hoch. Zugleich hob die Bank das Kursziel von 89 auf 100 Euro an. Analyst Christoph Schlienkamp erhöhte seine Ergebnisprognosen für die Optikerkette um etwa fünf Prozent für 2014 und um rund drei Prozent für 2015. Die Aktie habe sich trotz ihrer hohen Bewertung in den vergangenen Monaten gut entwickelt, so der Experte. Wegen der Dividendenrendite von knapp drei Prozent hielten viele Anleger den Wert offensichtlich als Anleiheersatz in ihrem Portfolio.
Noch viel Luft nach oben
Für weiteres Potenzial gebe es verschiedene Indikatoren. So geht Lampe von einem organischen Wachstum aus. Dafür spreche auch die weitere Erhöhung der Filialanzahl – vor allem in Deutschland – um gut 100 Geschäfte auf rund 700. Weiterhin, so die Analysten, führe die Computerisierung des Arbeitsplatzes dazu, dass das Einstiegsalter für eine Brille eine Dekade früher liege als noch vor einer Generation. Und last, but not least, erhalte das Unternehmen Rückwind durch den steigenden Anteil von Gleitsichtbrillen, Wachstumsmöglichkeiten bei Kontaktlinsen sowie die Weiterentwicklung des Hörgerätegeschäfts. Ein Gleitsichtglas ist ein spezielles Brillenglas mit verschiedenen Brechwerten zur Fern- und Nahkorrektur von Fehlsichtigkeiten und einer Alterssichtigkeit.
À propos Alter: Natürlich hat Günther Fielmann, der im September 75 Jahre alt wird, schon über einen Nachfolger nachgedacht. Bereits vor vier Jahren erklärte er, er wolle seinen damals 21 Jahre alten Sohn Marc schrittweise an die Unternehmensleitung heranführen. Den Zeitpunkt des Einstiegs in das von der Familie kontrollierte Unternehmen wollte und will der Patriarch aber noch nicht nennen. Noch regiert der Senior unumschränkt – und das könnte durchaus noch eine Weile so bleiben.