Wunderkind der Pharmabranche
Sie kommen aus Kalifornien, blieben lange Zeit unscheinbar und stellten dann ihre Branche auf den Kopf: Gilead ist heute ein Pharmakonzern der Superlative. Bekannt ist Gilead allerdings hierzulande vor allem bei insitutionellen Anlegern. Die schweizer BB Biotech AG zum Beispiel, eine Beteiligungsgesellschaft, hat sich bei Gilead stark engagiert.
Sie kommen aus Kalifornien, blieben lange Zeit unscheinbar und stellten dann ihre Branche auf den Kopf: Gilead ist heute ein Pharmakonzern der Superlative. Bekannt ist Gilead allerdings hierzulande vor allem institutionellen Anlegern. Die Schweizer BB Biotech AG zum Beispiel, eine der weltweit größten Biotechnologie-Beteiligungsgesellschaften, hat sich bei Gilead stark engagiert.
Mit ihren erfolgreichen Hepatitismitteln hat sich die US-Biotechfirma Gilead binnen weniger Jahre unter die führenden Pharmakonzerne katapultiert. Im vergangenen Jahr erzielte sie mit 22 Milliarden US-Dollar den höchsten Betriebsgewinn in der Geschichte der Branche. Diesen Rekordgewinn zu wiederholen wird allerdings schwierig werden.
Gilead hat, ebenso wie der iPhone-Konzern und anders als die etablierten Pharmariesen, seinen Sitz nicht an der feinen Ostküste, sondern in Kalifornien. Die Zentrale in Foster City ist nur 40 Kilometer von Cupertino entfernt. Und ähnlich wie Apple war auch Gilead noch zu Beginn des letzten Jahrzehnts ein eher unscheinbarer Akteur in seiner Branche. Das Unternehmen erzielte damals nur einige Hundert Millionen Dollar Umsatz und schrieb operativ Verluste. Ab 2003 setzte dann aber ein steiler Aufstieg ein.
Für das Jahr 2015 meldete Gilead am Dienstagabend einen Umsatz von 32 Milliarden Dollar, knapp ein Drittel mehr als im Vorjahr und über einhundert Mal so viel wie im Jahr 2000. Die Kalifornier sind damit aktuell die Nummer Fünf der Pharmabranche. Der operative Gewinn stieg gegenüber dem Vorjahr um knapp die Hälfte und erreichte mit 22 Milliarden Dollar den höchsten Wert, den jemals ein Pharmaunternehmen erzielt hat. Der Reingewinn wird mit 18 Milliarden Dollar ausgewiesen. Gilead verdiente damit mehr als Google oder Microsoft.
Motor hinter dem Aufstieg waren in den vergangenen beiden Jahren vor allem die äußerst erfolgreichen Hepatitismedikamente Sovaldi und Harvoni mit zusammen rund 19 Milliarden Dollar Umsatz. Mit dem erst Ende 2014 zugelassenen Harvoni gelang Gilead die kommerziell erfolgreichste Produkteinführung aller Zeiten. Das Kombinationsprodukt aus Sovaldi und einem weiteren Wirkstoff spülte im ersten Jahr nach Zulassung alleine 13 Milliarden Dollar in die Kassen des US-Unternehmens, während sich die Sovaldi-Erlöse von zehn auf fünf Milliarden Dollar halbierten. Eine tragende Säule für Gilead ist ferner das Geschäft mit Aidsmedikamenten, mit dem man in den 2000er-Jahren groß geworden ist. Darüber hinaus ist der Konzern in der Krebsbehandlung engagiert.
Hochpreisstrategie und ein „Apple"-Problem
Gilead verfolgt eine ausgeprägte Hochpreisstrategie. Die neuen Hepatitismedikamente brachte das Unternehmen zu Preisen von mehr als 60.000 Dollar für einen zwölfwöchigen Behandlungszeitraum auf den Markt – was einen Aufschrei bei Gesundheitspolitikern und Krankenkassen auslöste. Zwar werden die Preise inzwischen zwar sowohl in Europa als auch den USA durch Rabatte gemindert, sie bewegen sich aber noch immer im deutlich fünfstelligen Bereich.
Ähnlich wie der große kalifornische Nachbar, Apple, arbeitet auch Gilead mit einer ungewöhnlich schlanken Struktur, die sich ganz auf Produktentwicklung und Vermarktung konzentriert. Die Produktion und viele administrative Funktionen werden an externe Vorlieferanten und Dienstleister ausgelagert. Gilead kommt auf diese Weise mit gerade einmal rund 7.500 Beschäftigten aus, während zum Beispiel die umsatzmäßig ähnlich große GlaxoSmithKline mehr als 90.000 Mitarbeiter zählt. Der Pro-Kopf-Umsatz des US-Unternehmens ist mit 4,3 Millionen Dollar mehr als zehnmal so hoch wie im Schnitt der Pharmabranche. Diese Struktur und die Hochpreisstrategie sichern dem Konzern eine beispiellose operative Marge von 68 Prozent im vergangenen Jahr. Nach Steuern verdient Gilead mit jedem Dollar Umsatz 55 Cent Reingewinn.
Ähnlich wie bei Apple zeichnet sich indessen auch bei Gilead ein Ende der Wachstumsphase ab. Für 2016 hat das Management den ersten Umsatzrückgang seit der Firmengründung im Jahr 1987 angekündigt. Die Erlöse werden danach auf 30 bis 31 Milliarden Dollar sinken. Hintergrund ist der wachsende Wettbewerb im Hepatitis-C-Bereich, wo jüngst der US-Konzern Merck & Co die Zulassung für ein Mittel erhielt, das ähnlich gut wirkt wie die Gilead-Medikamente. Der Nettogewinn dürfte sich auf etwa 16,5 Milliarden Dollar verringern.
Die meisten Investoren gehen vor diesem Hintergrund offenbar davon aus, dass das US-Unternehmen den Zenit kurzfristig überschritten hat. Seit dem Höchststand im Sommer hat die Gilead-Aktie knapp ein Drittel ihres Wertes wieder verloren. Mit knapp 120 Milliarden Euro Marktkapitalisierung wird das Unternehmen derzeit nur noch mit dem Siebenfachen seines Gewinns bewertet, während sich die Kurs-Gewinn-Relationen der Pharmabranche bei durchschnittlich etwa 15 bewegen. Diese Verschnaufpause dürfte indes nicht auf einen dauernden Abschwung hindeuten. Vielmehr ist Gilead auffgrund des derzeit günsigen KGV derzeit eher ein Einstiegskandidat, und auch das Nachkaufen ist für die, die bereits investiert sind, eine erwägenswerte Option. Das „Apple"-Problem bei Gilead ist überwindbar. Handelsblatt / Siegfried Hoffmann / sig