Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmens-News >

Russland-Sanktionen: weiterhin Gas importieren, aber Russlands Finanzanlagen im Ausland ins Visier nehmen

Seit langem verkauft Russland mehr an den Rest der Welt als es kauft. Infolgedessen ist das Nettoauslandsvermögen seit mindestens 1996 Jahr für Jahr gestiegen (die einzige Ausnahme war 1998) und hat nun 1,4 Billionen Dollar erreicht, was den kumulierten Überschüssen der Leistungsbilanz des Landes oder 90 % des nominalen BIP des letzten Jahres entspricht. Nur der kleinere Teil dieses Vermögens besteht aus offiziellen Devisenreserven (36 %), der Rest befindet sich im Besitz des privaten Sektors, d. h. der russischen Haushalte und Unternehmen.

(Foto: solarseven / Shutterstock)

Seit langem verkauft Russland mehr an den Rest der Welt als es kauft. Infolgedessen ist das Nettoauslandsvermögen seit mindestens 1996 Jahr für Jahr gestiegen (die einzige Ausnahme war 1998) und hat nun 1,4 Billionen Dollar erreicht, was den kumulierten Überschüssen der Leistungsbilanz des Landes oder 90 % des nominalen BIP des letzten Jahres entspricht. Nur der kleinere Teil dieses Vermögens besteht aus offiziellen Devisenreserven (36 %), der Rest befindet sich im Besitz des privaten Sektors, d. h. der russischen Haushalte und Unternehmen.

Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management

Nicht allen scheint bewusst zu sein, dass Russland einer der weltweit größten Nettokapitalexporteure und Eigentümer von Auslandsvermögen war und ist. Die Identifizierung und das Einfrieren dieser Vermögenswerte wäre ein äußerst wirksames Mittel, das die gesamte russische Elite treffen und den längst überfälligen Regimewechsel und den Eintritt Russlands in den europäischen Club der Demokratien vorantreiben würde. Die europäischen Gasimporte aus Russland abzuschneiden, wäre dagegen nicht nur keine Sanktion, sondern einfach nur dumm. Besser ist es, unsere Speichertanks zu füllen, solange das Gas fließt, und die Investitionen in Flüssiggas-Terminals und alternative Energien zu beschleunigen.

Während die russische Zentralbank ihre Reserven hauptsächlich in Form von liquiden, niedrig verzinsten Anleihen und Schuldverschreibungen in Dollar, Euro, Yen, Yuan, Schweizer Franken und Pfund Sterling hält, haben sich die privaten Eigentümer vorwiegend auf  Beteiligungen an Unternehmen, auf Immobilien, Infrastruktur, Staatsanleihen, Investment-Fonds und sogar Fußballvereine konzentriert. Es handelt sich um gewaltige Summen.
In Großbritannien halten 85.000 Offshore-Firmen, deren Eigentümer den Finanzämtern fast nie bekannt sind, britische Vermögenswerte. Viele von ihnen dürften russische Gelder verwalten. Die britische Regierung hat wiederholt versprochen, herauszufinden, hier einmal Transparenz zu schaffen. Dazu ist es bisher aber nicht gekommen. Der wichtigste Grund dürfte sein, dass das Geschäft mit der Geldwäsche in der Londoner City boomt und sehr profitabel ist. Die Schweizer verfolgen eine ähnliche Strategie.

Die Frage ist: Warum schickt der russische Privatsektor weiterhin einen so großen Teil der nationalen Ersparnisse ins Ausland? Die Ökonomen haben dafür einen Begriff: „commodity curse“. Wenn ein Land zu sehr von der Ausfuhr von Rohstoffen abhängt, behindert das die Entwicklung der übrigen Wirtschaft. Für die Reichen des Landes ist es sehr profitabel und einfach, Löcher zu bohren und das Gas, das Öl, die Kohle, das Kupfer, das Nickel und so weiter auf den Weltmärkten zu verkaufen. Es besteht keine Notwendigkeit, anspruchsvollere Produkte zu entwickeln. Für diese Leute kommt es vor allem darauf an, die Kontrolle über ihre Goldesel behalten - was bedeutet, dass sie Zugang zu den Hebeln der Macht haben müssen, und diese befinden sich im Falle Russlands im Kreml.

Das ist ein Rezept zur Verarmung eines Landes. Nur ein paar Zahlen: Das deutsche BIP ist 2,4-mal größer als das russische, trotz der viel kleineren Bevölkerung, und pro Kopf viermal größer. Gemessen am gesamten nominalen BIP und zum heutigen Wechselkurs ist die Europäische Union nicht weniger als 11½-mal größer als Russland. Die Ukraine anzugreifen und zu hoffen, damit dauerhaft Erfolg zu haben, ist angesichts dieser Statistiken eindeutig Wunschdenken. Russland ist ein wirtschaftlicher Zwerg, der keine Chance hat, sobald die EU Ernst macht. Das passiert gerade.