Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmens-News >

Unternehmen stecken im Förderdschungel fest

Wenn die Realwirtschaft auf die Finanzwirtschaft trifft, sprechen nicht alle sofort die gleiche Sprache. Doch die aktuellen Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen.

Großer Andrang auf dem Finance Summit der Börse Stuttgart (Bild: Börse Stuttgart).

Wenn die Realwirtschaft auf die Finanzwirtschaft trifft, sprechen nicht alle sofort die gleiche Sprache. Doch die aktuellen Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen.

Rezession, hohe Kosten, steigende ESG-Anforderungen und gleichzeitig eine schwierige Refinanzierung: Die Rahmenbedingungen für die Realwirtschaft haben sich deutlich verschärft. Einige Unternehmen stellen deshalb Investitionen zurück oder überlegen, ihre Projekte ins Ausland zu verlagern. „Wir hatten noch nie so viele Probleme gleichzeitig. Das ist auch für die Beratung durch die Banken eine Herausforderung“, bestätigt Lutz Diederichs, Vorstandschef der BNP Paribas Deutschland, auf dem Panel „Finanz- trifft Realwirtschaft“ des Stuttgart Finance Summits. Er beziffert den jährlichen Kapitalbedarf für die Transformation in Europa auf mehr als 250 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt umfasst ein Volumen von 476 Milliarden Euro.

Wie diese Transformation konkret aussieht, beschreibt Stefan Unger, im Vorstand von Daimler Truck verantwortlich für den Bereich Financial Services. Der Nutzfahrzeugkonzern sieht einen weiterhin wachsenden Bedarf nach Fahrzeugen für den Transport von Personen und Gütern über die Straßen der Welt. Das Unternehmen wurde vor zwei Jahren aus dem Daimler-Konzern herausgelöst. Mit Erfolg: Im vergangenen Jahr hat der Konzern das beste Ergebnis der Firmengeschichte erzielt. Mittelfristig soll der Umsatz von jetzt 55 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro steigen. Mit dem Spinn-off erhielt der Nutzfahrzeugbauer eine Chance, bestehende Kräfte zu heben und zu bündeln, so Unger.

Daimler Truck vollzieht gleichzeitig einen umfassenden Wandel. Der Konzern will so die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens für sich umsetzen. Hinter der Transformation stecken viel Technik und Software, so Unger. Die hat der Konzern offenbar im Griff. Dennoch hakt es: „Wir könnten viel mehr E-Trucks verkaufen, wenn es die nötige Infrastruktur gäbe“, verdeutlicht Unger. So ein gewaltiger Wandel könne nur gelingen, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen. Und die Finanzierung: Unger bewegt mit seinem Bereich ein Volumen von 24 Milliarden Euro, mit dem beispielsweise die Investitionen der Kunden mitfinanziert werden. Die würden inzwischen verstärkt „Truck as a Service“ nachfragen. Das bedeutet, dass nicht nur Nutzfahrzeuge, sondern auch Ladeinfrastruktur als Gesamtpaket geordert werden.

Unternehmen wie die Kunden von Daimler Truck haben für den eigenen Umbau in eine nachhaltige Struktur erheblichen Finanzierungsbedarf. Dabei könnten sie auch auf eine ganze Reihe von Fördertöpfen zugreifen, wenn sie nur bekannt wären. „Die Fülle der Möglichkeiten macht das System so kompliziert“, räumt Edith Weymayr ein. Die Chefin der L-Bank, der Förderbank des Landes Baden-Württemberg, ergänzt: „Manche Programme fallen daher aus der Wahrnehmung.“ Programmgestaltung und Prozesse müssen digitaler und damit schneller werden. „Förderfinanzierung kann ein Weg sein, Veränderung in der Industrie zu finanzieren“, gibt Patrik Trautwein, Vorstandsmitglied bei der IKB-Bank, zu bedenken.

Tatsächlich erschweren die Nachhaltigkeitskriterien der EU die Kreditvergabe ausgerechnet für die Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell umbauen und so nachhaltiger wirtschaften wollen. Denn auch die Darlehen sind mit einem CO2-Wert belastet. Jan-Philipp Gillmann, Europachef der Unternehmensbank der Deutschen Bank, spricht von 38 Millionen Tonnen CO2, die auf das Konto von sogenannten Finance Emissions gehen. „Die wollen wir in den kommenden Jahren auf Null bringen.“ Entsprechend gehe man mit den Kunden in den Dialog.

Ein schwieriger Dialog, denn die notwendigen Daten sind nicht so einfach zu beschaffen. Der Software-Spezialist SAP will hier den Banken helfen, sich einen besseren Überblick zu verschaffen, wie Falk Rieker, Chef des Bereichs Banking & Capital Markets, bestätigt. Vieles könne einfacher auf Knopfdruck erfolgen. Rieker ruft die Branche aber gleichzeitig auf, den Zugang der Unternehmen in die Bankensysteme zu erleichtern. Derzeit dauere es viele Wochen, nur um einen Betrieb für internationale Transaktionen anzuschließen. Vor allem Mittelständlern fehle zudem eine Übersicht, wo und wie sie sich refinanzieren können.  

Dabei bedarf es nach Ansicht von Diederichs auch mehr Möglichkeiten für die Kreditinstitute. Er sieht in der Verbriefung von Krediten eine solche Möglichkeit. Dadurch würde das Eigenkapital der Banken nicht belastet und so entstünde mehr Spielraum. Diederichs sieht ein Potenzial von 25 Milliarden Euro, das so gehoben werden kann. Er nennt als typisches Beispiel Autokredite, die man an Investoren weitergeben könne. Auch andere Panelteilnehmer sehen durch ein verändertes Regelwerk hier die Möglichkeit, wie man den Unternehmen mehr Geld zur Verfügung stellen kann. Dazu sucht die Finanzwirtschaft offenbar einen geeigneten Ansprechpartner in der Politik. „Für diese Fragen gibt es keine klare Zuständigkeit“, beklagt Gillmann.

Der Bedarf ist jedenfalls groß, wie Weymayr bestätigt. Kleine und mittelgroße Unternehmen würden verglichen mit dem Vorjahr trotz Krise deutlich mehr investieren. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich vor allem auf nachhaltige Technologien. Die L-Bank finanzierte 2022 Projekte im Gesamtvolumen von zwölf Milliarden Euro. „In diesem Jahr wird es eher mehr sein, so wie sich die Entwicklung darstellt“, so Weymayr. Grenzen setzt die Landeskasse. Hier bestimme auch der politische Wille, wie voll der Topf wird. Weymayr ist dennoch zuversichtlich: „Wenn aber die Nachfrage groß ist, reagiert die Politik flexibel.“ Gillmann von der Deutschen Bank mahnt zu einem grundsätzlichen Kurswechsel, um der anstehenden Transformation den nötigen Schub zu verleihen. „Wir brauchen mehr Verfügbarkeit von Kapital.“ Heute sei nicht klar, was von der EU und was von den Mitgliedsstaaten kommt. „Das ist bei IRA in USA wesentlich einfacher. Unternehmen bekommen binnen Wochen ihr Geld.“

BAS