US-Leitzins unverändert, Börsen verunsichert
Die Federal Reserve übt sich in Zurückhaltung: Der Leitzinssatz soll unverändert bleiben. Notenbank-Chefin Janet Yellen will vor neuen Maßnahmen die Entwicklung der Konjunktur beobachten. Ist damit die eigentlich erwartete Zinserhöhung abgesagt? Die Märkte sind verunsichert. Wo sind jetzt die Möglichkeiten für Anleger?
Die Federal Reserve übt sich in Zurückhaltung: Der Leitzinssatz soll unverändert bleiben. Notenbank-Chefin Janet Yellen will vor neuen Maßnahmen die Entwicklung der Konjunktur beobachten. Die Märkte sind verunsichert, denn ein weiterer Zinsschritt im März ist jetzt extrem unwahrscheinlich geworden.
Die Turbulenzen um China und der freie Fall des Ölpreises zwingen die US-Notenbank Fed nach der Zinswende zur Vorsicht. Sie entschied am Mittwoch, den Schlüsselsatz zur Versorgung des Finanzsystems mit Geld bei 0,25 bis 0,5 Prozent zu belassen. Sie pausierte nach der Erhöhung vom Dezember, die eine erste geldpolitische Straffung nach sieben Jahren Nullzins brachte.
Yellen hat sich Spielraum verschafft. Sie kann bis zum März abwarten, aber zugleich ihre Linie beibehalten, die Zinsen nach und nach behutsam zu erhöhen. Die von Yellen gelitete Fed hat dabei die zu Jahresbeginn von heftigen Turbulenzen geschüttelten Finanzmärkte sowie die abflauende Weltkonjunktur genau im Blick. Der konservative Ökonom Martin Feldstein hatte zuvor in einem Interview mit der Website „Marketwatch“ gewarnt, Yellen solle sich nicht von den Turbulenzen an den Märkten beeinflussen lassen, sondern „ihre Zinserhöhungen durchziehen".
Sie spricht zudem nicht mehr davon, dass sich Auf- und Abwärtsrisiken für die US-Konjunktur die Waage halten. Das US-Wirtschaftswachstum habe sich Ende 2015 abgeschwächt. „Die Aussichten auf einen weiteren Zinsschritt Mitte März haben sich verringert“, bestätigt denn auch Ökonom Harm Bandholz von der Großbank UniCredit. Manche Experten rechnen erst für das zweite Halbjahr mit einem weiteren Zinsschritt.
Was bedeutet das für Anleger? Im Gegensatz zum letzten Jahr, wo die niedrigen Zinsen wie eine Gelddruckmaschine für die Börsen waren, hat jetzt die Verunsicherung die Überhand gewonnen. Politische Krisen und der durch einen weltweiten Unterbietungskrieg verursachte niedrige Ölpreis spielen hier die Hauptrolle. Genau hinsehen, nach Möglichkeit Wachstumsbranchen ausmachen, rechtzeitig die Reißleine ziehen: das sind Vorsichtsmaßnahmen, die jetzt angebracht sind. Sich ein paar blue chips hinlegen und warten, bis der Reichtum kommt: das reicht nicht mehr.
Martin Feldstein warnt: „Für die Inflation wird kurzfristig weiterhin ein niedriger Wert erwartet.“ Ebendiese niedrige Inflation war schon im Dezember das stärkste Argument gegen eine Zinserhöhung, während der Arbeitsmarkt dafür sprach und schließlich den Ausschlag gab. Bisher hat die Fed nur betont, dass sie mittelfristig eine Rückkehr zu den gewünschten zwei Prozent erwartet, das wurde jetzt wiederholt, aber weniger entschieden. Fast klingt es so, als halte Yellen es auch für möglich, dass die Inflation nicht in den Zielkorridor steigt. Die konkrete Bezugnahme auf die kurzfristig niedrige Inflationsrate jedenfalls ist neu und spricht relativ deutlich gegen eine kurzfristige Zinserhöhung.
Dow Jones dreht in Minus
Die Wall Street reagierte, ganz wie die andrene Märkte weiltweit, verunsichert auf den Zinsentscheid aus Washington. Dies wohl auch, weil ein noch vorsichtigerer Tenor der Fed-Erklärung erwartet worden war. Der Dow-Jones-Index drehte in einem schwankenden Handel ins Minus. Der Euro legte zum Dollar weiter zu. Aus den noch im Dezember von der Fed für 2016 signalisierten vier Zinserhöhungsschritten werde wohl nichts, meint Ökonom Omer Esiner vom Devisenhandelshaus Commonwealth Foreign Exchange. In der März-Sitzung der Fed dürfte seiner Ansicht nach eine geringere Zahl avisiert werden.
Die Börsen in China stürzten Anfang Januar ab, was weltweit die Angst vor einer Konjunkturabkühlung schürte. Hinzu kommt der freie Fall des Ölpreises. „Er wird inzwischen als eine Bedrohung für die Weltkonjunktur gesehen. Dieses Gedankengut hat sich scheinbar auch die US-Notenbank mittlerweile zu Eigen gemacht“, meint Chefökonom Otmar Lang von der Targobank. Die Fed hält jedoch weiterhin an ihrer Einschätzung fest, dass die niedrigen Rohölnotierungen und der starke Dollar die Inflation nur vorübergehend auf einem unerwünscht niedrigen Niveau halten. Mittelfristig rechnet die Zentralbank damit, dass sie ihr Ziel einer Jahresteuerung von zwei Prozent wieder erreichen wird.
Das Zögern der Fed als böses Omen
Die Fed, die stabile Preise sichern und Vollbeschäftigung fördern soll, hatte mit der Zinswende auf die zusehends aufgehellte Lage am Arbeitsmarkt und den stabilen Aufschwung reagiert. Doch nun droht Gegenwind, wie sie in ihrer Erklärung anklingen lässt. Für die am Freitag anstehenden Daten zum vierten Quartal 2015 erwarten Experten eine deutliche Abkühlung der Konjunktur: Aufs Jahr hochgerechnet soll nur noch ein Plus von 0,8 Prozent herausspringen, nach 2,0 Prozent in den Sommermonaten.
Auch der Technologie-Riese Apple muss im laufenden Quartal erstmals seit 13 Jahren einen Umsatzrückgang hinnehmen. Vor allem die Konjunkturabkühlung in China drückt auf die Geschäfte mit dem Kassenschlager iPhone. Der Ölpreisverfall trifft auch Teile der US-Industrie hart. So ist zum Beispiel die technisch aufwendige und kostspielige Ölschieferförderung vielerorts unrentabel geworden. Hinzu kommt die Stärke des Dollar, der die Wettbewerbsposition der amerikanischen Exporteure beeinträchtigt. Handelsblatt / rtr / sig