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Volkswagen hält Kurs – trotz Krise

Trotz der Dieselaffäre hat Volkswagen das Autobauen nicht verlernt. Zum Halbjahr hat sich das operative Geschäft deutlich verbessert, wie die entsprechende Bilanz beweist. Doch die Folgekosten des Abgasskandals schlagen erneut kräftig zu Buche. Dass VW auf gutem Weg, aber noch nicht über den Berg ist, scheint auch die vorherrschende Meinung der Anleger zu sein. Die VW-Aktie ist nach Bekanntgabe der Zahlen deutlich im Minus.

BÖRSE am Sonntag

Trotz der Dieselaffäre hat Volkswagen das Autobauen nicht verlernt. Zum Halbjahr hat sich das operative Geschäft deutlich verbessert, wie die entsprechende Bilanz beweist. Doch die Folgekosten des Abgasskandals schlagen erneut kräftig zu Buche. Dass VW auf gutem Weg, aber noch nicht über den Berg ist, scheint auch die vorherrschende Meinung der Anleger zu sein. Die VW-Aktie ist nach Bekanntgabe der Zahlen deutlich im Minus.

Wenn die Abgasaffäre nicht wäre, könnte der Volkswagen-Konzern an diesem Donnerstag glänzen. Im ersten Halbjahr ist der operative Gewinn im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahrs um gut sieben Prozent auf 7,5 Milliarden Euro gestiegen. Wie das Unternehmen weiter mitteilte, wäre die operative Rendite dadurch auf 7,0 Prozent (Vorjahr: 6,4) geklettert. Vor allem die Konzerntöchter Audi, Porsche und Skoda haben dieses Ergebnis getragen.

Bei der Marke Volkswagen, auf die sich die Dieselaffäre konzentriert, gibt es leichte Verbesserungen des operativen Geschäfts. Bei VW greifen auch erste Schritte zur Effizienzsteigerung. Das vergleichsweise gute Geschäft geht zudem auf die unverändert hohen Absatzzahlen in China zurück. Außerdem werden fast überall in Europa mehr Autos verkauft. Auch das Flottengeschäft mit Firmenwagen läuft für Volkswagen wieder besser. Der Umsatz ist im Konzern im ersten Halbjahr um 0,8 Prozent auf knapp 108 Milliarden Euro gefallen.

Doch am Ende trübt wieder die Abgasaffäre die vergleichsweise gute Zahlen des ersten Halbjahres. Volkswagen muss neue Rückstellungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro bilden. Schon im vergangenen Jahr hatte der Konzern dafür 16,2 Milliarden Euro zurückgelegt. Weitere Sonderbelastungen von 600 Millionen Euro trüben das an sich gute operative Ergebnis. Allein die schwedische Lastwagen-Tochter Scania hat 400 Millionen Euro wegen der möglichen Beteiligung an einem Lkw-Kartell zurückgestellt. Die EU-Kommission in Brüssel ermittelt gegen die Volkswagen-Tochter.

Enorme Kraftanstrengungen stehen noch aus

VW-Vorstandschef Matthias Müller zog in einer ersten Reaktion eine positive Zwischenbilanz. „Gerade angesichts der aktuellen Belastungen können wir mit dem Halbjahresergebnis zufrieden sein. Die Zahlen zeigen, dass unser operatives Geschäft solide ist“, sagte Müller am Donnerstagmorgen in Wolfsburg. Finanzchef Frank Witter warnte zugleich, dass weiter „enorme Kraftanstrengungen“ notwendig seien, um die hohen Belastungen aus der Dieselaffäre aufzufangen.

„Die verbesserte Rendite der Konzernmarke VW ist ein klarer Hinweis darauf, dass sich die Dinge bei Volkswagen schneller als erwartet verändern“, meinte Arndt Ellinghorst, Autoexperte beim Investmentberater Evercore ISI in London. Aus Investorensicht ist für ihn unter den Automobilherstellern weltweit Volkswagen der interessanteste Wert – weil in Wolfsburg unter dem neuen Management eine echte „Turnaround-Story“ begonnen habe.

Der VW-Konzern trotzt besonders mit seinen Auslieferungen der Dieselkrise. Ein starker Monat Juni schob den Autobauer bei seiner Verkaufsbilanz zum Halbjahr merklich ins Plus. Im Juni lieferte Europas größter Autobauer mit seinen zwölf Marken 883.400 Fahrzeuge an Kunden aus; 5,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Mit dem starken Juni stehen nach sechs Monaten die Zeichen bei den Verkäufen klarer als zuvor auf Zuwachs: 5,12 Millionen Fahrzeuge – vom VW-Up bis zum schweren Scania-Lkw – sind 1,5 Prozent Verbesserung im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015. Trotz der Dieselkrise steuert der Konzern damit 2016 auf ein Auslieferungsplus zu. VW muss aber wahrscheinlich auch mehr Rabatte geben, um die Autos am Ende auch verkaufen zu können.

Toyota die Rücklichter gezeigt

Volkswagen hat den japanischen Rivalen Toyota beim Absatz im ersten Halbjahr auf den zweiten Platz verwiesen. Der japanische Branchenprimus, zu dem auch der Kleinwagenbauer Daihatsu und der Nutzfahrzeughersteller Motors gehören, verkaufte zwischen Januar und Juni weltweit 4,99 Millionen Autos, wie Toyota am Donnerstag bekanntgab. Das ist ein Rückgang zum Vorjahreszeitraum von 0,6 Prozent.

Außer Russland und Südamerika bereitet der zweitgrößte Automarkt USA unverändert Sorgen. Dort stehen die Auslieferungen auch wegen eines Diesel-Verkaufsstopps zum Halbjahr gut sieben Prozent im Minus, in den USA verkaufte der Konzern 273.800 Autos. Die Rückgänge auf diesen Märkten konnte China mehr als ausgleichen. Dort legten die Verkäufe um sieben Prozent auf knapp 1,9 Millionen Autos zu. Gut 36 Prozent aller Verkäufe macht Volkswagen inzwischen in China. Die Abhängigkeit des VW-Konzern vom chinesischen Markt nimmt damit weiter zu. Ohne China wären die Absatzzahlen im Juni im Vergleich zum Vorjahrsmonat um 7,3 Prozent geschrumpft.

Am Dienstag hatte es im Rechtsstreit mit US-Autofahrern immerhin eine erste spürbare Entlastung gegeben. VW hat im Mammut-Rechtsstreit um manipulierte Abgaswerte vorerst grünes Licht vom zuständigen Gericht für einen Milliarden-Vergleich mit den US-Klägern erhalten. Richter Charles Breyer, bei dem Hunderte US-Zivilklagen gebündelt sind, gab am seine vorläufige Zustimmung zu dem geplanten Kompromiss. Es handele sich um eine faire und angemessene Lösung, befand Breyer bei einer Anhörung in San Francisco.

Mit Kunden und US-Behörden hatte sich der Wolfsburger Autobauer auf einen Vergleich von bis zu 14,7 Milliarden Dollar (13,4 Milliarden Euro) geeinigt. Mit der Zahlung sollen die Zivilklagen in den USA beigelegt werden, ohne dass es zum Prozess kommt. Richter Breyer zeigte sich zufrieden nach einer Anhörung, bei der die Konfliktparteien die geplante Einigung im Detail erläutern mussten. Es seien „enorme Anstrengungen“ unternommen worden, um eine Lösung zu finden. Die endgültige Entscheidung in diesem Verfahren fällt im Oktober. Handelsblatt / Stefan Menzel