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Neuer VW-Chef: Piëchs Favorit

Matthias Müller war einst der Kandidat, den sich Ferdinand Piëch an der VW-Spitze gewünscht hat. Jetzt wird er tatsächlich Nachfolger von Martin Winterkorn. War das Piëchs Werk? Und: Wer ist der neue Mann an der Spitze?

BÖRSE am Sonntag

Matthias Müller war einst der Kandidat, den sich Ferdinand Piëch an der VW-Spitze gewünscht hat. Jetzt wird er tatsächlich Nachfolger von Martin Winterkorn. War das Piëchs Werk? Und: Wer ist der neue Mann an der Spitze?

Mit seinen Aussagen zur Verantwortung der Wirtschaft in der Flüchtlingsfrage sorgte er kürzlich für Aufsehen. „Es ist an der Zeit, dass Wirtschaftslenker zu bestimmten Dingen ihre Meinung sagen. Wir müssen uns Extremismus entgegenstellen und Haltung zeigen“, hatte Müller in der „Süddeutschen Zeitung“ gefordert. Damit bezog der 62-Jährige als erster deutscher Topmanager öffentlich Stellung zu einem Sujet, bei dem sich die Wirtschaftselite bislang ansonsten eher kleinlaut gab.

Müller als großer Impulsgeber einer politischen Debatte über gesellschaftliche Verantwortung? Das wäre vielleicht etwas überhöht. Aber immerhin zeigt der künftige Vorstandschef von Volkswagen Selbstbewusstsein. Zwei Eigenschaften zeichnen ihn außerdem aus: Loyalität und Gradlinigkeit.

Nach Handelsblatt-Informationen haben sich die Mitglieder des Aufsichtsrats-Präsidiums am Donnerstag Nachmittag auf Müller als Nachfolger des zurückgetretenen Martin Winterkorn geeinigt. Am Freitag soll die Personalie offiziell verkündet werden. Am Vormittag trifft sich der 20-köpfige Aufsichtsrat von Volkswagen, um die Spitzenposition im Konzern endgültig zu bestätigen. Am frühen Nachmittag wird mit der offiziellen Verkündung gerechnet. Seit dem Jahr 2010 führt er den Sportwagenbauer Porsche, der unter ihm von Rekord zu Rekord eilte.

Kontakte knüpfen bei Audi: Müller und Winterkorn

Seine persönliche Betroffenheit ist nicht gespielt, wenn er sagt: „Ich wünsche jedem Menschen auf der Welt, dass er einmal am Tag warm essen und ruhig schlafen kann. Kein Mensch gibt doch freiwillig und leichten Herzens seine Heimat auf.“ Müller, selbst ein Flüchtlingskind, weiß, wovon er spricht. Sein Vater war Rennleiter beim Autohersteller DKW in den 1950er-Jahren. Der Sohn begleitete ihn als kleiner Junge zu den Rennen auf dem Sachsenring.

Nahe Chemnitz geboren, siedeln seine Eltern wenig später mit dem Sohn nach Bayern um. Keine einfache Zeit für Müller. Aber er liebt den Sport, verschafft sich so Respekt bei seinen Altersgenossen und gewöhnt sich den bayerischen Dialekt im Laufe der Jahre so gut an, dass ihn heute jeder für einen waschechten Bajuwaren hält. Von klein auf muss Müller sich anpassen und gleichzeitig durchsetzen. Keine schlechte Mischung, um später im Berufsleben, insbesondere im stark hierarchisch geprägten Volkswagen-Konzern, voranzukommen.

Nach dem Abitur lernt er zunächst Werkzeugmacher bei Audi, studierte dann an der Fachhochschule München Informatik. Im Jahr 1977 kehrt er zu Audi zurück. Dort arbeitet er sich rasch hoch. Ab 1995 koordiniert Müller die Planung sämtlicher Baureihen und wird mitverantwortlich für den Kleinwagen A2, der mit seiner Aluminiumkarosserie zwar innovativ war, sich aber nur schlecht verkaufte. "Dabei habe ich viel gelernt, besonders was das Timing von Produkten im Markt anbelangt", sagt Müller heute. Im Jahr 2003 steigt er unter dem damaligen Audi-Chef Martin Winterkorn zum Chefkoordinator auf.

Nie aktiv um Positionen bemüht

Als Winterkorn 2007 Chef des VW-Konzerns wird, nimmt er Müller mit nach Wolfsburg. Anfang Oktober 2010 installiert Winterkorn ihn an der Spitze der Porsche AG in Stuttgart-Zuffenhausen. Seit März dieses Jahres sitzt Müller auch im Konzernvorstand von Volkswagen. Wegen seiner strategischen Fähigkeiten und seiner tiefen Kenntnisse des Konzerns galt er bei den Turbulenzen im Machtkampf zwischen Winterkorn und Ferdinand Piëch als möglicher Nachfolgekandidat für den Posten des Vorstandsvorsitzenden.

Lange hatte Müller jegliche Ambitionen dementiert und auf sein Alter hingewiesen. Er habe sich nie aktiv um Positionen bemüht, sondern sei immer gefragt worden, ob er einen Job machen wolle, sagte er einmal. Im April soll Piëch ihn gefragt haben, ob er in der Not den Job von Winterkorn übernehmen könnte.

So berichteten es Insider, eine Bestätigung für diesen Vorgang gab es und gibt es offiziell nicht. Die Dinge liefen zunächst anders. Piëch verlor damals den Machtkampf gegen Winterkorn, und Müllers Chancen, den VW-Chefposten zu ergattern, schienen bis zum Abgas-Skandal, in dem nun Winterkorn versunken ist, gegen null zu tendieren.


Verdienste als Porsche-Chef

Als Porsche-Chef saß er dagegen fest im Sattel. Unter Müller soll der Sportwagenbauer in diesem Jahr erstmals mehr als 200.000 Fahrzeuge verkaufen, eine Marke, die ursprünglich erst für 2018 vorgesehen war. Zudem ist Porsche mit einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent eine wichtige Gewinnsäule des VW-Konzerns.

Und letztendlich rechnet ihm Porsche-Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche hoch an, dass Müller mit dem Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans das sportliche Image der Marke wieder geschärft hat. Wer solche Turbulenzen heil übersteht, darf sich schon mal in die Flüchtlingsdiskussion einmischen - zumal aus Überzeugung.

Handelsblatt/Martin-W. Buchenau/MM