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VW: Manipulation am laufenden Band

Der Manipulationsskandal bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise. Heute stellte sich heraus: 2,1 Millionen Fahrzeuge der Marke Audi sind weltweit von der Abgasaffäre betroffen. Allein in Deutschland handelt es sich um 577.000 Wagen. Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn wegen Betrugsverdachts.

BÖRSE am Sonntag

Der Manipulationsskandal bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise. Heute stellte sich heraus: Auch 2,1 Millionen Fahrzeuge der Marke Audi sind weltweit von der Abgasaffäre betroffen. Allein in Deutschland handelt es sich um 577.000 Wagen. Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn wegen Betrugsverdachts.

Vor rund eineinhalb Wochen war bekannt geworden, dass der Volkswagen-Konzern in den USA mit Abgaswerten von Dieselfahrzeugen bei Tests betrogen hatte. Eine entsprechende Software ist nach Angaben des Konzerns weltweit in elf Millionen Autos eingebaut – in Deutschland sind 2,8 Millionen Autos betroffen. Knapp 577.000 davon sind Fahrzeuge der VW-Tochter Audi, wie der Ingolstädter Konzern am Montag mitteilte.

Der fragliche Motor sei in den Varianten mit 1,6 und 2,0 Litern Hubraum als Turbodiesel in den Typen A1, A3, A4 und A6, dem Sportwagen TT sowie den Geländewagen Q3 und Q5 verbaut worden. In der Region Westeuropa gehe es um 1,42 Millionen Wagen, in den USA betreffe die Manipulation der Abgastechnik rund 13.000 Fahrzeuge. In China gebe es keine Fahrzeuge mit dem fraglichen Motor.

Es gehe dabei nur um Dieselmotoren, die die Abgasnorm EU 5 erfüllen. Aktuelle Motoren, die bereits die gültige Norm EU 6 einhalten, seien wie auch bei den anderen Volkswagen-Marken nicht betroffen. Der Motor, der bei VW die interne Bezeichnung EA 189 trägt, wurde in etlichen Marken des Konzerns verwendet, etwa auch bei Skoda. 

Mehrere Strafanzeigen: Ermittlungen gegen Winterkorn wegen Betrugsvorwürfen

Die für Wirtschaftssachen zuständige Behörde der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat unterdessen nach mehreren Strafanzeigen ein Verfahren gegen den Ex-Vorstandschef Winterkorn eingeleitet. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liege auf dem Vorwurf des Betruges durch den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten, betonte die Behörde am Montag.

Sie hatte erste Vorermittlungen bereits vergangene Woche aufgenommen und soll auch die Verantwortlichkeiten klären. Wörtlich heißt es dazu in einer Erklärung der Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen: „Weiter ist in diesem Zusammenhang eine Strafanzeige der Volkswagen AG ohne Benennung eines Beschuldigten eingegangen; Zielrichtung der Ermittlungen ist insbesondere die Klärung der Verantwortlichkeiten.“

Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates hatte nach einer Krisensitzung am vergangenen Mittwoch eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig angekündigt und erklärt: „Es steht nach Ansicht des Präsidiums fest, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auch strafrechtlich relevant sein können.“ Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden vom Konzern in aller Form unterstützt.

Top-Manager mit einem Faible für Technik: Was wusste Winterkorn?

Winterkorn war am vergangenen Mittwoch als Vorstandschef zurückgetreten. Zuvor hatte er den Betrug von VW zugegeben und sich dafür entschuldigt. Die Manipulationen beim größten europäischen Autobauer kosteten nach Winterkorn bereits weitere Spitzenmanager den Job und brachten eine ganze Industrie ins Zwielicht. In den USA und in Kanada rollt nach Medienberichten zudem eine Flut von Sammelklagen auf die Wolfsburger zu. Unklar ist, welche Auswirkungen die Ermittlungen auf mögliche Abfindungsansprüche Winterkorns haben.

Winterkorn galt als detailverliebter Top-Manager mit einem besonderen Faible für Technik – am Ende wurde ihm das Ausmaß des Abgasskandals in den USA aber doch zum Verhängnis. Der 68-Jährige wollte gewöhnlich jede wichtige Entscheidung selbst treffen. Vor dem Start neuer Modelle schaute „Mr. Qualität“ deshalb rund um den Globus auch persönlich zur Endabnahme vorbei und verlangte dabei nicht selten letzte Änderungen.

Umso mehr traf ihn, dass es bei einem zentralen Technikthema wie der Einhaltung von Umweltstandards Manipulationen bei US-Abgastests gab. Er sei „fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren“, sagte Winterkorn bei seinem Rücktritt am vergangenen Mittwoch in Wolfsburg. So groß die Produktpalette bei VW auch ist: An dem Schwaben, den viele intern nur „Wiko“ nannten, ging meist nichts Wichtiges vorbei. Bei den Mitarbeitern weltweit war sein Fachwissen bin hin zur kleinsten Schraube gleichermaßen geachtet wie gefürchtet.

Insider: Entwicklungschefs von Audi, VW Pkw und Porsche müssen gehen

Winterkorns Nachfolger Matthias Müller, der zuvor die Geschicke bei Porsche geleitet hat, hat eine schonungslose Aufklärung der Manipulationen bei den Emissionswerten von Diesel-Motoren angekündigt. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters suspendierte der Wolfsburger Autobauer drei weitere Vorstände.

Die Entwicklungschefs der Marken Audi, VW Pkw und Porsche, Ulrich Hackenberg, Heinz-Jakob Neußer und Wolfgang Hatz, seien von ihren Aufgaben entbunden worden, sagten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen. Derzeit werde ermittelt, inwieweit die Manager in die Abgas-Manipulationen verwickelt seien. VW wollte sich mit Verweis auf arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen nicht zu den Suspendierungen äußern.

Audi-Entwicklungschef Hackenberg hat einem Insider zufolge rechtliche Schritte gegen seine Beurlaubung eingeleitet. Er war 2007 zusammen mit Winterkorn von Audi nach Wolfsburg gewechselt und gilt als Erfinder des Baukastensystems, das Volkswagen derzeit bei immer mehr Marken einführt. Später kehrte Hackenberg nach Ingolstadt zurück, um Audi mit neuen Elektroautos auf die Sprünge zu helfen.

Auf Deutschlands Straßen droht Verlust der Zulassung

Volkswagen will in den nächsten Tagen einen Maßnahmen- und Zeitplan veröffentlichen. Daraus werde hervorgehen, welche Fahrzeuge wann zurückgerufen werden sollten, kündigte ein Sprecher an. Dazu liefen derzeit weltweit Gespräche mit den Behörden. Das Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat VW bis zum 7. Oktober eine Frist gesetzt. Bis dahin sollen die Wolfsburger einen konkreten Plan vorlegen, wann ihre Fahrzeuge ohne Manipulationssoftware die Abgas-Vorgaben einhalten.

Wie lange Volkswagen am Ende Zeit zur Nachbesserung haben werde, lasse sich noch nicht absehen. „Von vornherein zu sagen, in einem halben Jahr muss das erledigt sein, wäre wahrscheinlich unrealistisch“, sagte ein KBA-Sprecher. Falls die Nachbesserung nicht gelingen sollte, drohten den betroffenen Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen der Verlust der Zulassung und den entsprechenden Modellen ein Verkaufsverbot.

An der Börse hat die VW-Aktie im Zuge des Abgas-Skandals in der vergangenen Woche massiv an Wert verloren. Zeitweise büßte der Wolfsburger Konzern fast ein Viertel seines Börsenwerts ein. Auch am Montag war das Papier mit einem Minus von fast sechs Prozent der größte Verlierer im Leitindex Dax.

MM mit Material vom Handelsblatt/Reuters/dpa/afp