Vonovia: Wo noch mehr Deutsche wohnen
Der größte deutsche Immobilienkonzern, Vonovia, will unbedingt die Deutsche Wohnen schlucken. Mittlerweile kann Vonovia auf die Zustimmung des Bundeskartellamts bauen und hat dank Kapitalerhöhung auch das nötige Kleingeld beisammen. Doch das Objekt der Begierde wehrt sich weiterhin mit Händen und Füßen – kann die Deutsche Wohnen überhaupt noch entkommen?
Der größte deutsche Immobilienkonzern will unbedingt die Deutsche Wohnen schlucken. Mittlerweile kann Vonovia auf die Zustimmung des Bundeskartellamts bauen und hat dank Kapitalerhöhung auch das nötige Kleingeld beisammen. Doch das Objekt der Begierde wehrt sich weiterhin mit Händen und Füßen – und kann immer noch entkommen.
Ja, sagten die Vonovia-Aktionäre. Ja, sagte nun auch das Bundeskartellamt am Montag. Ja, sagten die Kapitalmärkte und gaben Vonovia frische drei Milliarden Euro. Nein, „das Angebot ist für die Deutsche Wohnen-Aktionäre nicht attraktiv“, sagte hingegen Michael Zahn, CEO der Deutsche Wohnen, schon Ende Oktober dieses Jahres. Da war gerade die vereinbarte Übernahme der LEG Immobilien AG durch sein Unternehmen geplatzt. Hinter dem Scheitern steckte jedoch nicht etwa eine grundsätzlich ablehnende Haltung der Aktionäre, sondern der Vorstoß des größten deutschen Immobilienkonzerns, der Vonovia SE. Der Gigant mit Sitz in Düsseldorf funkte dazwischen und unterbreitete seinerseits ein alternatives Angebot. Demnach sollten Deutsche Wohnen-Aktionäre für je elf Aktien sieben Vonovia-Aktien und eine Barkomponente in Höhe von 83,14 Euro bekommen.
Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der nicht nur Vonovia selbst stark wächst, sondern auch die Deutsche Wohnen die besten Neunmonatszahlen ihrer Geschichte vorlegte und nach eigener Aussage über Objekte mit einem Fair Value von 10,7 Milliarden Euro verfügt. Vonovia-CEO Rolf Buch erklärte das Einschreiten so: „Wir sind der Meinung, dass ein Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen eine tragfähigere und strategisch sinnvolle Transaktion darstellt und darüber hinaus erhebliche Vorteile für alle Beteiligten bringt.“ Zu erwarten wären demnach „Skalen- und Synergieeffekte in Höhe von 84 Mio. € pro Jahr (vor Steuern)“. Der Vorstand der Deutsche Wohnen ist anderer Meinung und lehnt das Angebot kategorisch ab, weil es das eigene „NAV-Wachstumspotential und die hohe Qualität des Immobilienportfolios“ nicht reflektiere. Doch Vonovia lässt sich davon nicht beirren. Der größte Fisch im Teich will lieber den zweitgrößten schlucken, statt zuzulassen, dass sich dieser den drittgrößten (LEG) einverleibt.
Torpedo-Aktion zum Start: Vonovia führt Übernahmekampf mit Entschlossenheit
Vonovia, das 2001 als „Deutsche Annington“ gegründet wurde und seit September im DAX ist, führt derzeit nach eigenen Angaben rund 370.000 Wohnungen im Leib. Bei der Deutsche Wohnen sind es mit 147.000 weniger als halb so viele, hinzu kommen 2.100 gewerbliche Objekte. LEG liegt mit etwa 107.000 Objekten noch einmal deutlich dahinter. Ein Zusammenschluss der beiden kleineren Konzerne hätte für Vonovia einen neuen starken Konkurrenten bedeutet. Das alternative Angebot für die Deutsche Wohnen durch den Branchenprimus führte jedoch dazu, dass „einflussreiche institutionelle Stimmrechtsberater“ ihre Meinung zur LEG-Übernahme änderten. Die Torpedo-Aktion von Vonovia hatte vollen Erfolg. Und der Kampf schreitet voran: Nachdem das Bundeskartellamt am Montag die Vonovia-Pläne ohne Auflagen durchwinkte, nahm der Angreifer am Donnerstag die nächste entscheidende Hürde.
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Einer Konzernmitteilung zufolge emittierte Vonovia schon am Mittwoch Anleihen im Gesamtwert von insgesamt drei Milliarden Euro in wiederum drei Tranchen. Und rühmte sich mit einem Rekord: „Dies ist die größte Euro-Anleiheemission, die weltweit jemals in der Immobilienwirtschaft begeben wurde.“ Der gewichtete Zinskupon beträgt laut Vonovia 1,69 Prozent bei einer durchschnittlichen Laufzeit von über fünf Jahren. Verwenden will der Konzern das frische Geld „für allgemeine Geschäftszwecke und zur Reduzierung der kürzlich unterschriebenen Brückenfinanzierung für die Barkomponente des Übernahmeangebots für die Deutsche Wohnen.“ Finanzvorstand Stefan Kirsten sieht darin ein starkes Zeichen: „Unsere Anleihe wurde von langfristigen und verlässlichen Investoren wie beispielsweise Staatsfonds mehr als zweifach überzeichnet. Dies zeigt das große Vertrauen der nationalen und internationalen Kapitalmärkte in unsere Strategie und unser Geschäftsmodell. Zudem bestätigt dies die positive Einschätzung der Anleger bezüglich unseres geplanten Zusammenschlusses mit der Deutsche Wohnen.“
Gegenwehr der Deutsche Wohnen: Schlucken statt geschluckt werden
Ganz und gar nicht positiv ist weiterhin die Haltung des Deutsche-Wohnen-Vorstands zum Vonovia-Angebot. Der Konzern will sich mit einer Übernahme seinerseits Luft verschaffen und wachsen. 15.200 Wohneinheiten, auch „Harald-Portfolio“ genannt, werden vom kleineren Mitbewerber Patrizia Immobilien AG abgelöst, der Preis soll bei 1,2 Milliarden Euro liegen. Vonovia-CEO Rolf Buch dazu: „Wir haben die Auswirkungen des von der Deutsche Wohnen angekündigten Erwerbs des ‚Harald-Portfolios‘ eingehend analysiert. Im Ergebnis sind wir zu dem Schluss gekommen, unser angekündigtes Übernahmeangebot weiterzuverfolgen." Wesentliche Bedingung für den Vollzug der Offerte sei es, dass Vonovia mindestens 50 % plus eine Aktie (auf voll verwässerter Basis) angedient werden: „Dies ist die Schwelle, die für die Realisierung des vollen Synergiepotenzials notwendig ist“, heißt es von Vonovia.
Bei aller Aufregung um die geplante Übernahme in der vergangenen Woche hat sich eines nicht geändert: Die Entscheidung steht noch aus, und sie könnte alle bisherigen Pläne zunichte machen. Seit dem 1. Dezember können Aktionäre der Deutsche Wohnen schon auf das Angebot eingehen, die Frist läuft bis zum 26. Januar. Dann soll der Ausgang des Übernahmekrimis endgültig feststehen. An der Börse ist man sich indes noch ziemlich unsicher. Nach den Kursgewinnen am Montag sackte die Vonovia-Aktie bis zum Freitagabend wieder auf 27,35 Euro ab und fügte sich dem negativen Trend am Gesamtmarkt. Auch die Papiere der Deutsche Wohnen gaben die Zugewinne vom Wochenstart wieder ab und stehen derzeit bei 24,59 Euro. Für die Vonovia-Aktie sieht der Analyst Georg Kanders vom Düsseldorfer Bankhaus Lampe in seiner heutigen Studie dennoch ein Potenzial bis 35 Euro und bleibt bei einer Kaufempfehlung. Bedingung bleibt jedoch, kaum überraschend, die Zustimmung der Deutsche Wohnen-Aktionäre zum Übernahmeangebot.
Marius Mestermann