VW-Aktie: Schmerzhafte Wahrheit
Das tut weh: Volkswagen sieht sich neuen Vorwürfen rund um Abgaswerte ausgesetzt – und gibt selbst andere Unregelmäßigkeiten zu. Diesmal geht es auch um CO2-Werte, die wirtschaftlichen Risiken für den Konzern sollen in Milliardenhöhe liegen. Für die VW-Aktie bedeutet das: Handbremse lösen, es geht bergab. CEO Müller gerät immer stärker unter Druck.
Das tut weh: Volkswagen sieht sich neuen Vorwürfen rund um Abgaswerte ausgesetzt – und gibt selbst andere Unregelmäßigkeiten zu. Diesmal geht es auch um CO2-Werte, die wirtschaftlichen Risiken sollen in Milliardenhöhe liegen. Für die VW-Aktie bedeutet das: Handbremse lösen, es geht bergab.
Volkswagen kommt nicht zur Ruhe: Nachdem bereits am Montag neue Vorwürfe der amerikanischen Aufsichtsbehörde EPA bekannt wurden, befördert nun eine eigene Mitteilung der Wolfsburger den Abgasskandal in neue Sphären. Bei internen Untersuchungen wurden offenbar Unregelmäßigkeiten bei CO2-Werten festgestellt. Rund 800.000 Autos könnten betroffen sein – wieder soll es sich hauptsächlich um Dieselfahrzeuge handeln.
„Im Rahmen der gerade laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren ist aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden.“ Im Klartext bedeutet das: Etliche Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns könnten mit falschen Verbrauchsangaben unterwegs sein. Auch eine geringe Zahl von Benzinern soll betroffen sein. Sie würden sich zu den rund elf Millionen Dieselfahrzeugen weltweit gesellen, die, wie der Konzern zugegeben hat, mit Manipulationssoftware aus dem Hause VW ausgestattet sind.
Aufsichtsrat äußert „Betroffenheit und Sorge“: Wirtschaftliche Risiken wachsen an
Für den ursprünglichen Abgasskandal, der seinen Anfang in Ermittlungen der amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) nahm, hatte Volkswagen bereits rund 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Dabei ging es vor allem um Stickoxid-Werte. Im aktuellen Fall werden die wirtschaftlichen Risiken „in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro beziffert“, so der Konzern in seiner Mitteilung vom Dienstagabend. Zwar müssten an den Fahrzeugen keine Umrüstungen vorgenommen werden, Kunden könnten sich aber Kosten erstatten lassen. Etwa, wenn aufgrund höherer CO2-Werte mehr Kfz-Steuer anfällt. Im VW-Aufsichtsrat trifft die Meldung auf „Betroffenheit und Sorge“. Man wolle alles dafür tun, um „Vertrauen wieder herzustellen“.
Die potenzielle Schadenssumme, die den Wolfsburgern durch die verschiedenen Unregelmäßigkeiten entstehen könnte, wächst also weiter an. Rechnet man alle aktuellen Vorwürfe zusammen, so ist man schnell im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Unterdessen müssen die Vorwürfe der EPA vom Montag erst noch geprüft werden. Volkswagen soll nämlich auch bei den großen 3-Liter-Motoren (V6-TDI-Diesel) getrickst haben. Die US-Behörde nennt den VW Touareg, den Porsche Cayenne sowie mehrere Audi-Limousinen.
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In der Software dieser Fahrzeuge sollen ein oder mehrere sogenannter Auxiliary Emission Control Devices (AECD) integriert sein, also Zusatzfunktionen zur Abgaskontrolle. Diese seien von Volkswagen „bei der Zulassung der Modelle nicht offengelegt, beschrieben und begründet“ worden, so die EPA. Zwar dementiert der Konzern den Einsatz einer Software-Funktion, welche die Abgaswerte in unzulässiger Weise verändert. Dennoch hat die Volkswagen-Tochter Porsche den Verkauf des Diesel-Cayenne in den USA vorerst gestoppt – freiwillig. Nach Wochen der Unschuldsvermutung für Porsche könnten nun auch die Stuttgarter tiefer in die Krise gezogen werden.
Durch die neuerlichen Vorwürfe wächst auch der Druck auf den neuen Volkswagen-Chef Matthias Müller. Er war zuvor CEO der Porsche AG. Müller lässt immer wieder verlauten, dass der Abgasskandal in allen Facetten „schonungslos und vollständig“ aufgeklärt werden müsse. „Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative. Für uns zählt einzig und allein die Wahrheit. Das ist die Voraussetzung für die grundlegende Neuausrichtung, die Volkswagen braucht“, so Müller.
Schmerzhaft ist der Abgasskandal derzeit vor allem für Anleger. Durch den Kurssturz im September hatte die VW-Aktie bereits ein Drittel an Wert eingebüßt. Nachdem sich das Papier noch am Montag wieder über 110 Euro gekämpft hatte, folgte am Dienstag und Mittwoch der Doppelschlag. Erst zogen die Vorwürfe der EPA den Kurs ins Minus. Zum heutigen Handelsstart krachet es dann so richtig: Fast neun Euro verloren VW-Aktien an Wert. Im Lauf des Vormittags setzt sich dieser Trend bislang fort, der Kurs hält sich nur knapp über der 100-Euro-Marke. Aktuell liegt das Papier noch bei 100,55 Euro mit einem Minus von 9,41 Prozent.
Marius Mestermann