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Volkswagen-Aktie: Vorschneller Optimismus?

Seit knapp zwei Wochen ist die VW-Vorzugsaktie nun schon im ununterbrochenen Aufwärtstrend. Und das trotz immer neuer Verwicklungen und Vorwürfe rund um die massive Manipulation von Abgaswerten. Wie viele Milliarden an Börsenwert kann der Wolfsburger Konzern tatsächlich wieder gutmachen?

BÖRSE am Sonntag

Seit knapp zwei Wochen ist die VW-Vorzugsaktie nun schon im ununterbrochenen Aufwärtstrend. Und das trotz immer neuer Verwicklungen und Vorwürfe rund um die massive Manipulation von Abgaswerten. Wie viele Milliarden an Börsenwert kann der Wolfsburger Konzern wieder gutmachen?

Volkswagen hat derzeit eine Marktkapitalisierung von knapp 62 Milliarden Euro. Ein tiefer Fall, betrachtet man den Vergleichswert von 84 Milliarden vom 17. September. Angesichts des schweren Manipulationsskandals und den auch heute noch unwägbaren Kosten für Volkswagen ist der Absturz keine Überraschung, die Erholung vom zwischenzeitlichen Tiefpunkt hingegen durchaus bemerkenswert. Am 2. Oktober war Volkswagen an der Börse plötzlich nur noch knapp 49 Milliarden Euro wert. Seitdem musste der Konzern nicht nur weitere Manipulationen – darunter auch CO2-Abgaswerte – einräumen, sondern bekam gestern auch noch ein zweites Verfahren von der Staatsanwaltschaft Braunschweig aufgehalst. Diesmal geht es um Steuerhinterziehung, es besteht ein direkter Zusammenhang zu den CO2-Werten und der daraus berechneten Kfz-Steuer. Ermittelt wird gegen fünf Personen innerhalb des Konzerns.

Auch Audi steht seit Montagabend verstärkt im Kreuzfeuer der Kritik: Wie die Volkswagen-Tochter bekanntgab, wurde seit 2009 auch in Audi-Fahrzeugen mit 3,0-Liter-TDI-Motoren eine in den USA verbotene Software verbaut. Man habe zunächst nicht gewusst, dass die fraglichen Komponenten genehmigt werden müssten, erklärte Medienberichten zufolge ein Sprecher des Unternehmens am Dienstag in Ingolstadt: "Als klar wurde, dass unerlaubte Software-Bestandteile enthalten sind, hat Audi mit CEO Stadler an der Spitze unverzüglich gehandelt und die Software den US-Behörden offengelegt." Die Tatsache, dass die verschiedenen Manipulationen vom Volkswagen-Konzern erst nach und nach zugegeben werden, bringt auch den als Retter angetreten Volkswagen-CEO und früheren Porsche Chef Matthias Müller in Bedrängnis. 

Aktienkurse weiter auf Erholungskurs: Analysten stärken den Trend

Helmut Becker vom Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München bezeichnet die Wahl Müllers als Fehler: "Jetzt rächt sich, dass man nicht jemanden von außen an die Konzernspitze geholt hat, der unbelastet ist.“ Während also die Volkswagen-Verantwortlichen reihenweise unter Druck geraten und im Zentrum von Ermittlungen stehen, steigt der Kurs der VW-Aktien unbeirrt an. Getrieben wird die Erholung vor allem durch positive Analysteneinschätzungen, wie das gestrige Beispiel zeigt: Während der DAX einen schwachen Tag verbuchte und unter die 11.000-Punkte-Marke rutschte, strahlte die VW-Vorzugsaktie mit einem satten Kursplus von 2,86 Prozent. Auch am Mittwochvormittag setzte sich der Trend fort, das Papier steht derzeit bei 117,85 Euro – der beste Wert seit Bekanntwerden der Abgasmanipulationen. 

Grund dafür dürfte vor allem die jüngste Neubewertung der Schweizer Großbank UBS gewesen sein. Analyst Patrick Hummel rät Anlegern in einer Studie vom Dienstag klar zum Kauf der Vorzugsaktie und ruft statt 150 Euro nun ein Kursziel von 160 Euro aus. Das würde auch eine Rückkehr des Börsenwerts in alte Höhen bedeuten. Hummel stuft den im Aktienkurs eingepreisten finanziellen Schaden für Volkswagen als zu hoch ein und findet optimistische Worte für das aktuelle Restrukturierungspotenzial des Konzerns. Eine weitere Erholung der Aktie erwartet auch die französische Investmentbank Exane BNP Paribas. Analyst Stuart Pearson sieht einen für Anleger positiven Fortschritt bei der Bewältigung des Skandals, vor allem bezüglich der Stickoxid-Werte in Europa. Pearson schätzt die Rückrufkosten geringer ein als zuvor und hebt das Kursziel deshalb von 116 auf 127 Euro. Dennoch bleibt er bei der Einstufung "neutral".

Skandal noch nicht ausgestanden: Volkswagen muss aufpassen

Die Aussage von VW-Chef Müller, man habe bereits für mehr als 90 Prozent der von den Manipulationen betroffenen Konzernfahrzeuge in Europa eine Lösung gefunden, stützt die Einschätzung der Analysten. Doch wie die letzten Wochen gezeigt haben, war keine der Hiobsbotschaften rund um Volkswagen wirklich die letzte. Erst Stickoxid-Werte, dann CO2, dann plötzlich auch größere Motoren – setzt sich diese unschöne Serie fort, ist der Traum vom winterlichen Restrukturierungsmärchen vielleicht schneller vorbei als gehofft.

Marius Mestermann