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VW: Hamburg wird Teststadt für Autopiloten

VW-Chef Matthias Müller und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz haben eine Mobilitätspartnerschaft unterzeichnet. Das Ziel: vernetzte Mobilitätslösungen der Zukunft unter Realitätsbedingungen zu entwickeln und zu testen.

BÖRSE am Sonntag

VW-Chef Matthias Müller und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz haben eine Mobilitätspartnerschaft unterzeichnet. Das Ziel: vernetzte Mobilitätslösungen der Zukunft unter Realitätsbedingungen zu entwickeln und zu testen.

Seine Zukunftsabteilung hat der Volkswagen-Konzern zwar gerade in Berlin angesiedelt, für den Realitätstest gibt Volkswagen-Chef Matthias Müller der Hauptstadt allerdings einen Korb. Stattdessen erklärte er am Montag Hamburg zum weltweiten Testlabor für Elektromobilität, vernetzten Verkehr und autonomes Fahren. Am Montagnachmittag unterzeichneten er und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Hamburger Rathaus eine gemeinsame Absichtserklärung.

Das Ziel: eine ganze Reihe von vernetzten Mobilitätslösungen der Zukunft unter Realitätsbedingungen zu entwickeln und zu testen. Beide Partner bewerben sich zudem um eine weltweite Konferenz für solche Lösungen, die ITS in fünf Jahren. Bis dahin sollen erste Ergebnisse der Kooperation zu sehen sein.

„Große Herausforderungen meistert niemand allein“, sagte Müller. Hamburg sei als Standort aus zwei Gründen gewählt worden: Die Stadt sei offen für eine Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftspartner und zudem ein ideales Testfeld. „Wir können die gesamte klassische VW-Produktpalette vom Motorrad bis zum Schiffsmotor einsetzen“, sagte er. Die Metropolregion Hamburg habe fünf Millionen Einwohner und einen der weltgrößten Häfen in Innenstadtlage, ergänzte Scholz.

Die Kooperation sei weltweit einmalig, versprach Müller. Lediglich Einzelmarken des Konzerns würden ähnliche Projekte an ihren Standorten anstreben: VW in Wolfsburg, Seat in Barcelona und Skoda in Prag. Diese seien allerdings weniger umfassend. Scholz sagte in Anspielung auf den Dieselskandal um überhöhte Abgaswerte: „Es hat einige Pressemeldungen in letzter Zeit gegeben, die nicht ganz positiv ausgefallen sind.“ Volkswagen sei dennoch ein zuverlässiger Partner.

Müller steuert auf seine Strategie „Together 2025“ hin

Die Zukunftstategie des VW-chefs soll dafür sorgen, dass der weltgrößte Automobilkonzern beim digitalen Umbruch am Ball bleibt. Die nun unterzeichnete Absichtserklärung liest sich allerdings recht unverbindlich. Beide Partner wollten „Hamburg als Modellstadt für zukünftige nachhaltige und integrierte urbane Mobilität“ entwickeln, heißt es. Dahinter stehen jedoch eine ganze Reihe konkreter Projekte, an denen teils schon ein Jahr gearbeitet wird. So wollen VW und die Stadt bei einem Modellprojekt zum autonomen Fahren zusammenarbeiten, das die Bundesregierung unterstützt. Im Stadtbezirk Bergedorf soll ein Modellprojekt für gemeinsam genutzte Autos, eventuell auch Carsharing, bereits Anfang 2017 starten. Dazu gehören auch Lösungen wie die Lieferung von Postpaketen in den Kofferraum.

Ein größeres Projekt bahnt sich mit der Hafenbehörde HPA an. Seit längerem steht der Hafen wegen hoher Emissionen in der Kritik – vor allem aus Schiffsdiesel, aber auch aus dem Lkw-Verkehr. Volkswagen könnte hier etwa intelligente Leitsysteme und die Vernetzung von Transporten erproben. Ein kleineres Projekt könnte am Hamburger Flughafen starten: Hier plant Volkswagen, autonomes Parken zu erproben – Autos sollen sich also selbst ihren Parkplatz suchen.

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Für VW ergeben sich außerdem direkte Marktchancen: Die VW-Tochter MAN arbeite bereits mit den Hamburger Busbetreibern Hochbahn und Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zusammen, heißt es in dem Memorandum. Zudem unterstützt VW bei einem Projekt, Behördenflotten auf E-Mobilität umzustellen. Beide Anbieter sind zusammen die größten Bus-Kunden bundesweit. Sie betreiben eine Flotte von 1500 Fahrzeugen, von denen jährlich 200 ausgetauscht werden.

Scholz steht bei dem Thema unter einem gewissen Erfolgsdruck: Sein Senat hat sich festgelegt, spätestens ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen. Dahinter steht, dass Scholz dem Koalitionspartner, den Grünen, deren wichtigstes verkehrspolitisches Thema genommen hat: Der Bürgermeister hat sich gegen die Wiedereinführung der Straßenbahn gestellt. In der gescheiterten schwarz-grünen Senatskoalition stand die Straßenbahn bereits kurz vor dem Baubeginn.

Stoppen Hamburgs Bürger schon wieder ein Zukunfsprojekt?

Mit dem Zerbrechen der Koalition stoppte der damalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus 2011 mit einer seiner letzten Amtshandlungen das Projekt, weil er Proteste von Anwohnern fürchtete. Auch Scholz vermeidet Konflikte, die zu Volksentscheiden führen könnten – schließlich sind bislang alle Hamburger Abstimmungen gegen das Votum des Senats abgelaufen. Scholz greift stattdessen auf Pläne aus den 1970er-Jahren zurück, eine fünfte U-Bahn-Linie quer durch die Stadt zu bauen. Diese würde allerdings frühestens in den 2040er-Jahren fertig. Im Gegenzug für den Verzicht auf die Straßenbahn bekamen die Grünen das Versprechen, Hamburg werde zur Fahrradstadt. Davon ist bislang aber wenig zu sehen.

Ein weiteres Argument von Scholz ist, Busverkehr werde zukünftig die Vorteile der elektrischen Straßenbahn erreichen können. Dazu investiert er in den Abbau von Verkehrshindernissen auf großen Buslinien – und in das Projekt, Busse emissionsfrei zu machen. Sichtbares Symbol ist eine „Innovationsbuslinie“ vom Rathausmarkt an die Außenalster. Hier testen die Busbetreiber neue Antriebe – und sind bereit, dafür hohe Preise zu zahlen.

Zuletzt zahlte die Hochbahn für nur drei neue Elektro-Busse des Herstellers Solaris laut einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ drei Millionen Euro – gefördert zu 40 Prozent vom Bund. Von rein privaten Unternehmen können die Hersteller bislang nicht mit vergleichbaren Aufträgen rechnen. Das macht eine Partnerschaft wie jetzt in Hamburg attraktiv. Volkswagen will bis 2020 einen serienreifen Elektrobus vorstellen – also genau pünktlich zu Scholz' Ziel.

Das aktuelle Übereinkommen bedeutet jedoch nicht, dass Hamburg nunmehr allein auf VW-Fahrzeuge setzt. Ausdrücklich ist festgehalten, dass beide Partner sich nicht exklusiv aneinander binden – und dass sich keine finanziellen Verpflichtungen ergeben. Scholz sagte, ein gemeinsames Projekt mit BMWs Carsharing-Angebot DriveNow laufe weiter. Dabei soll in den innenstadtnahen Stadtteilen Ottensen und Eimsbüttel untersucht werden, ob eigene Parkflächen das Carsharing attraktiver machen. Auch die Busbetriebe sollen weiter mit anderen Herstellern an Elektrobussen arbeiten. Handelsblatt / Christoph Kapalschinsky