VW-Dieselfahrzeuge haben weiterhin Fans
Noch ist unklar, ob und wie manipulierte Diesel-Fahrzeuge von VW repariert werden können. Ihre Preise auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt sind jedoch überraschend stabil. Dafür sind auch die Händler verantwortlich.
Die Angst der VW-Besitzer kam mit den ersten Meldungen über manipulierte Abgaswert: „Was ist mein Diesel jetzt noch wert?“, fragten sich viele Kunden. Nun liegen erstmals valide Daten über den Wiederverkaufswert der betroffenen Diesel-Modelle vor. Sie dürften zumindest kurzfristig für Erleichterung sorgen.
Denn laut der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) sind bisher keine negativen Auswirkungen der Manipulationen auf die Preise der gebrauchten Modelle von Volkswagen festzustellen. Sowohl bei den betroffenen Baureihen als auch im Gesamtmarkt sei die Preisentwicklung sehr stabil, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. „Das heißt ganz klar, dass der Handel die betreffenden Gebrauchtfahrzeuge nicht mit außergewöhnlichen Nachlässen an Endverbraucher verkauft hat“, erklärt Jens Nietzschmann, Sprecher der DAT-Geschäftsführung.
Das Ergebnis der DAT ist bemerkenswert: Denn bisher ist noch völlig unklar, ob und wie die betroffenen VW-Modelle nachgerüstet werden. Während bei den betroffenen 2.0-Liter-Dieselmodellen ein Update reicht, müssen die 1,6-Liter-Modelle auch technisch umgebaut werden. Auch DAT betont, dass diverse Fragen, wie es mit den betroffenen Fahrzeugen weitergeht, noch ungeklärt seien. Derzeit überwiegt offenbar das Vertrauen der Kunden und Händler, dass die Wolfsburger eine zufriedenstellende technische Antwort auf den Skandal präsentieren können.
Auch wenn die offizielle Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) noch ausstehen, ist nach DAT-Angaben der Absatz der gebrauchten Volkswagen-Modelle mit dem manipulierten Motor EA189 leicht gesunken. Dies sei typisch für die Jahreszeit und noch kein Anzeichen für eine mangelnde Nachfrage, betonen die Experten. Eine mögliche Erklärung sei aber auch, dass Händler noch nicht bereit sind, die Fahrzeuge deutlich günstiger zu verkaufen – und das Auto derzeit lieber auf dem Hof stehen lassen. Sollte VW den betroffenen Kunden ein lukratives Angebot für einen Rückkauf machen, könnte sich diese Strategie am Ende auszahlen. Ein Autohändler, der namentlich nicht genannt werden möchte, wird im Gespräch mit dem Handelsblatt deutlicher: „Einige Kunden verlangen wegen des Skandals deutliche Abschläge auf einen VW-Diesel. In solchen Fällen warten wir lieber.“
Ganz folgenlos bleibt der Dieselskandal für die Gebrauchtwagenhändler nicht. „Vor allem kleinere Händler berichten uns, dass sie in aktuellen Gesprächen mit ihren Banken Schwierigkeiten haben, die Wertstabilität ihres Gebrauchtfahrzeugbestandes belastbar zu belegen“, erklärt Nietzschmann. Insbesondere, wenn der Bestand an Gebrauchtwagen nicht über die konzerneigene Volkswagen Financial Services vorgenommen wurde. Und auch beim Neuwagenabsatz macht sich der Skandal bemerkbar: Im europäischen Automarkt hatte VW nach den jüngsten Zahlen des Branchenverbandes Acea Marktanteile eingebüßt. Im Oktober schrumpfte der Absatz um 0,5 Prozent – aber vor allem, weil die Konzernschwestern Skoda und Seat schlecht abschnitten.
Unterdessen wird die VW-Aktie auch wieder empfohlen. Wenn es nach Jürgen Pieper geht, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um in die Aktie einzusteigen. Der Analyst der Frankfurter Privatbank Metzler rät Anlegern erstmals seit Beginn des Dieselgates wieder zum Kauf des Wertpapiers. Den angemessenen Kurs sieht Pieper bei 120 Euro. Aktuell notiert die Aktie bei 98 Euro. „Nachdem die potenziellen Produktkosten nun etwas konkreter wurden und insgesamt wohl niedriger ausfallen werden, als wir noch vor einigen Wochen dachten, haben wir unsere Empfehlung von Halten auf Kaufen geändert“, begründet der renommierte Metzler-Analyst Jürgen Pieper die Entscheidung. Nach seinen Einschätzungen werden die produktbezogenen Folgekosten bei 10,5 Milliarden Euro liegen – statt wie bislang veranschlagt bei 16,5 Milliarden. Es sei wahrscheinlich, dass „weniger als zehn Prozent“ der vom Skandal betroffenen 11,5 Millionen Autos tatsächlich teure Nachrüstungen brauchen.
Allein steht Pieper mit seiner Einschätzung nicht da. Von durch Bloomberg befragten Analysten plädieren acht für den Kauf. Zu den Optimisten zählen auch Berenberg, UBS oder die MainFirst. Fünfzehn Analysten raten zum Halten, nur elf zum Verkauf der Aktie. Handelsblatt / Lukas Bay / blb,rtr,afp