Wackel-Dax oder Turbo-Dax?
Selten waren sich Experten so uneins. Geht es mit dem Dax weiter aufwärts und knackt er sein Allzeithoch? Oder stürzt er auf 8.500 Punkte oder gar darunter? Argumente gibt es für beides. Im Handelsblatt hat die Chefkorrespondentin Börse, Jessica Schwarzer, dazu die Serie „Anlegen 2016“ gestartet. Die BÖRSE am Sonntag übernimmt diesen Text und fragt: Wie wird das neue Börsenjahr?
Selten waren sich Experten so uneins. Geht es mit dem Dax weiter aufwärts und knackt er sein Allzeithoch? Oder stürzt er auf 8.500 Punkte oder gar darunter? Argumente gibt es für beides. Im Handelsblatt hat Chefanalystin Jessica Schwarzer dazu die Serie „Anlegen 2016“ gestartet. Die BÖRSE am Sonntag übernimmt diesen Text und fragt: Wie wird das neue Börsenjahr?
Mit Prognosen ist das so eine Sache: Die schwierigsten sind diejenigen, die die Zukunft betreffen. Dieser viel zitierte Satz trifft auf die Vorschauen der Volkswirte zu, aber eben auch auf die Jahresausblicke der Anlageexperten. Wie wird das Börsenjahr 2016? Und wie schneidet der Deutsche Aktienindex ab? In diesem Jahr könnten die Ergebnisse unterschiedlicher nicht sein.
Während Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud mit einem neuen Rekord des deutschen Leitindizes rechnet und die Postbank den Dax in zwölf Monaten bei 11.900 bis 12.100 Punkten sieht, erwartet die DZ Bank ein „Jahr des Stillstands für den Dax“ und auch das Bankhaus Lampe geht von einem Nullsummenspiel aus – nebst übelsten Schwankungen.
Immerhin sind sich die Experten einig, dass die marktbeherrschenden Themen im kommenden Jahr die Themen dieses Jahres sein werden: Da wären zum Einen die Sorgen um die Konjunktur in China und die Auswirkungen auf das weltweite Wachstum. Einen Vorgeschmack darauf, wie sensibel Börsianer auf schwache Daten aus China reagieren, gab es am „schwarzen Montag" am 24. August. Zum anderen werden geopolitische Krisen wie beispielsweise der Ukraine-Konflikt, aber auch Terroranschläge mit Argusaugen beobachtete. Und nicht zuletzt die Politik der weltweiten Notenbanken wird die Kurse bewegen.
Wie groß ist das Problem mit der Fed?
Den ersten Mini-Zinsschritt der US-Notenbank hat der Dax relativ gut verdaut. Auch wenn Fed-Chefin Janet Yellen bereits weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt hat, glauben die Experten vom Bankhaus Lampe nicht, dass es zu einer Normalisierung der Geldpolitik kommen wird. Tippelschrittchen ja, aber kein vergleich zu früheren Zyklen, in denen die Zinsen binnen eines Jahres um durchschnittlich 225 Basispunkte stiegen. Diese Einschätzung teilen viele Experten. Die Zeit des billigen Geldes ist also noch nicht ganz vorbei.
Entscheidend für die Entwicklung an den Weltmärkten und natürlich auch an der Börse Frankfurt ist natürlich das Wachstum der Weltwirtschaft? Ins Lager der Optimisten gehört die Deutsche Bank, die mit einer Fortsetzung der zyklischen Erholung in den Industrieländern sowie einer konjunkturellen Stabilisierung in China rechnet. Weltweit könnte die Wirtschaft im kommenden Jahr um 3,5 Prozent und im China um 6,5 Prozent wachsen. Die Experten der DZ Bank sehen hingegen kaum noch Wachstumsimpulse für die globale Wirtschaft. Die Weltwirtschaft dürfte auch im nächsten Jahr wieder um drei Prozent wachsen und damit auf der Stelle treten. Auch steigende Unternehmensgewinne dürften als Treiber der Aktienmärkte ausfallen. Einzig die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sorge noch für positive Impulse.
Wie extrem werden die Schwankungen?
„Dass es bislang noch keinen Crash gab, liegt vor allem daran, dass sowohl Öl als auch frisches Geld weiterhin billig sind“, sagt Chefanlagestratege Christian Kahler. „Die Frage ist, ob ein sanfter Ausstieg aus der ungewöhnlichen Konstellation gelingt.“ Seine Prognose ist des wenig optimistisch: Der Dax dürfte stagnieren und am Jahresende 2016 bei etwa 11.000 Punkten notieren. Ralf Zimmermann, Anlagestratege vom Bankhaus Lampe, liefert einen ähnlich verhaltenen Jahresausblick ab, sieht den Dax aber immerhin 200 Punkte höher. Er erwartet einige Turbulenzen an den Märkten, der Dax dürfte zwischen 8500 und 12400 schwanken – mal getrieben durch die EZB-Liquidität und mal belastet durch Gewinnsorgen. Auch die Experten der DZ Bank halten Rücksetzer bis auf 9500 Punkte für möglich.
So pessimistisch ist Ulrich Stephan von der Deutschen Bank nicht. An den Aktienmärkten würden die teilweise recht hohen Bewertungen sowie die moderaten Gewinnerwartungen der Unternehmen das Kurspotenzial vieler Indizes zwar begrenzen. Doch der Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden sieht den Dax zum Jahresende immerhin bei 11.700 Punkten. Aktien seien im Umfeld niedriger Zinsen nach wie vor die bevorzugte Anlageklasse, auch wenn die Schwankungsintensität steigen dürfte. „Anleger, die ein Mindestmaß an Rendite anstreben, kommen um Aktien auch im Jahr 2016 nicht herum.“
Wie hilfreich wird die EZB?
Ein einfaches Jahr wird es für Anleger sicher nicht. „Anleger stecken vielfach in der Krise: Das eingegangene Risiko bei Anleihen wie auch bei Aktien wird in Anbetracht potenzieller Rückschläge nicht mehr angemessen belohnt“, sagt DZ-Chefanlagestratege Christian Kahler. Zwar könnten neue geldpolitische Stimuli der EZB dem Aktienmarkt bis ein das Frühjahr 2016 hinein zu einem Anstieg verhelfen, der Dax könnte in der üblicherweise starken saisonalen Phase durchaus auf 11.500 Punkte oder darüber steigen.
Auf mittlere Sicht hält Kahler es aber für wahrscheinlich, dass sich die Märkte ähnlich wie im April 2015 und im Frühjahr 2012 nach der ersten Liquiditätsflut nicht allzu lange blenden lassen. Steigt die Unsicherheit über den tatsächlichen Zustand der Weltwirtschaft wieder an, drohen Aktionären neue Enttäuschungen. Und derartige Enttäuschungen bedeuten natürlich auch: größere Kursschwankungen. Auch das Börsenjahr 2016 dürfte also nichts für schwache Anlegernerven sein.