Geht vor Jahresende bei Aktien noch was?
Bis Mittwoch wird in dieser Woche an der Börse gehandelt. Große Überraschungen bei den Aktienkursen sind eher nicht zu erwarten. Stattdessen haben Anleger endlich Zeit, sich über die Prognosen für 2016 Gedanken zu machen. Und genau dies könnte dann doch noch für eine gewisse Dynamik sorgen. Aber auch für Kurssprünge?
Bis Mittwoch wird in dieser Woche an der Börse gehandelt. Große Überraschungen bei den Aktienkursen sind eher nicht zu erwarten. Stattdessen haben Anleger endlich Zeit, sich über die Prognosen für 2016 Gedanken zu machen.
Was soll in der letzten Woche des Jahres noch Großes passieren? In Deutschland ist es im Grunde genommen eine Drei-Tage-Woche. Wer irgendwie kann, nimmt von Montag bis Mittwoch Brückentage zwischen den beiden Feiertagsblöcken. An der Deutschen Börse endet am 30. Dezember der Handel bereits um 15 Uhr. Entsprechend ruhig wird es nach dem Aufschwung am vergangenen Mittwoch zugehen, als der Deutsche Aktienindex Dax um 2,28 Prozent auf 10727,64 Punkte anzog. Der Dow Jones schloss Heiligabend nach einem verkürzten Handel leicht im Minus, das 0,29 Prozent betrug, und landete bei 10727,64 Punkten.
Es bleibt also in der kommenden Woche genügend Zeit darüber nachzudenken, wie realistisch die vielen für das nächste Jahr abgegebenen Prognosen tatsächlich sind. Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud traut dem Dax einen neuen Rekord zu, wozu er auf rund 12.400 Punkte klettern müsste. Die Postbank sieht das Barometer der Spitzenwerte in zwölf Monaten bei 11.900 bis 12.100 Punkten. Die DZ Bank erwartet ein „Jahr des Stillstands für den Dax“.
Sieht so aus, als ob das Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken vorsichtiger prognostiziert als in den vergangenen Monaten. Am Jahresende 2016 soll der Dax 11.000 Punkte haben. Im März 2015 hatte Christian Kahler, Analyst der DZ Bank, vor einer Blasenbildung am deutschen Aktienmarkt gewarnt und angekündigt, der Leitindex werde bis zum Jahresende einen Stand von 12.500 Punkten erreichen. Das hatte der Dax im April dann auch fast geschafft. Jetzt fehlt dem Index ein gewaltiges Stück bis dahin.
Prognosen deuten auf ein turbulentes Jahr hin
Die jüngsten Dax-Prognosen für 2016, nach denen zwischen 8.500 und 12.500 Punkten alles möglich ist, künden von einem turbulenten Jahr 2016. Für unruhige Zeiten werden die Europäische Zentralbank (EZB) und die Wirtschaft Chinas sorgen. Die EZB muss ihre Politik immer wieder mit Blick auf die US-Notenbank Fed austarieren. Saugen die höheren Zinsen in den USA zu viel Kapital aus Europa ab, kann dies der EZB nicht recht sein.
Denn sie will ja gerade mit ihrer Politik des billigen, die Märkte überflutendes Geld die Wirtschaft in Europa ankurbeln und ihrem Inflationsziel von zwei Prozent näher kommen. Doch dabei macht ihr der Ölpreis immer wieder einen Strich durch die Rechnung. „Wenn der Ölpreis-Trend in den kommenden Monaten anhält, werden die Diskussionen um eine erneute Lockerung der EZB-Geldpolitik anhalten", sagte DZ Bank-Anlagestratege Daniel Lenz der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Zins-Differenz zwischen Europa und den USA macht den Dollar stark. Der starke Dollar gibt dem chinesischen Aktienmarkt-Propheten Hao Hong von Bocom International zu denken. Er fürchtet, dass Ursachen früherer Finanzkrisen das Reich seine Heimat erschüttern könnten. Der Dollar sei der gemeinsame Nenner der Ölkrise der 1970er-Jahre, der südamerikanischen Schuldenprobleme der 1980er-Jahre, der Asienkrise von 1997 und der weltweiten Finanzkrise 2008, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Wie werden sich die US-Aktien behaupten?
Weitere Zinsanhebungen durch die Fed und eine stärkere US- Währung könnten die hochverschuldeten Teile der chinesischen Wirtschaft unter Druck bringen. „Jedes Mal, wenn sich die US-Handelsbilanz verbessert hat und ein festerer Dollar damit einherging, ist ein Land irgendwo auf der Welt in eine Krise geschlittert“, sagte Hong.
Etwas weniger dramatisch klingen die Warnungen von Michael Strobaek, Global Chief Investment Officer, bei der Schweizer Großbank Credit Suisse: Investoren sollten nicht länger annehmen, es sei leicht, ihre Bestände zu verkaufen. Ursache dafür seien sich ändernde Handelsmuster und steigende Zinsen, die sich auf Blue-Chip-Aktien, Staatsanleihen und die wichtigsten Währungen auswirken würden. Diese Kapitalanlagen zeigen nach Strobaeks Beobachtung bereits Zeichen der Illiquidität. Die mache sich bemerkbar durch größere Spannen zwischen Geld- und Brief-Kursen und darin, dass größere Desinvestments nicht mehr in einer Transaktion abgewickelt werden können.
In ihrem Ausblick auf Anleihen geht die Schweizer Bank davon aus, dass innerhalb von Anleiheportfolios Unternehmensanleihen zu den Outperformern zählen. Anleger in US-Aktien werden voraussichtlich wenig Freude an der Zinserhöhung durch die Fed haben. „Für die amerikanischen Aktien bedeutet die Straffung der Geldpolitik in Kombination mit dem starken Dollar nicht gerade einer Stützung ihrer Bewertung“, umschreibt Igor de Maack, Portfoliomanager der französischen Investmentgesellschaft DNCA, diplomatische, dass er mit fallenden Kursen rechnet.
Die Verschuldung der amerikanischen Unternehmen sei während der vergangenen sechs guten Jahre gestiegen und stelle nun eine Gefahr dar, meint de Maack. Und Credit Suisse hat US-Aktien von „neutral“ auf „underperform“ zurückgenommen. Die Helaba kommt nach Analyse früherer Zinszyklen seit Ende des Zweiten Weltkriegs zum Ergebnis, dass der S&P 500 in Zinserhöhungsphasen mit im Durchschnitt vier Prozent die geringsten Kurszuwächse verbuchte. Handelsblatt / Reiner Reichel