In der Ära Bäte: Wie digital wird die Allianz?
Gerade erst hat die Allianz angekündigt, dass sie sich neu erfinden will: Kundenorientierung und Produktivität sieht der neue Chef Oliver Bäte ganz oben auf der „Renewal Agenda“. Die Digitalisierung will er zum Wachstumsträger machen. An der Börse hingegen wurde der wochenlange Aufwärtstrend der Allianz-Aktie jäh gestoppt – doch die Allianz scheint derzeit immer für eine Überraschung gut.
Gerade erst hat die Allianz angekündigt, dass sie sich neu erfinden will: Kundenorientierung und Produktivität sieht der neue Chef Oliver Bäte ganz oben auf der „Renewal Agenda“. Die Digitalisierung will er zum Wachstumsträger machen. An der Börse hingegen wurde der wochenlange Aufwärtstrend der Allianz-Aktie jäh gestoppt – doch der Konzern scheint derzeit immer für eine Überraschung gut.
Dem Münchner Versicherungskonzern Allianz ist dieser Tage viel daran gelegen, zukunftsorientiert und gut vorbereitet zu wirken. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man die letzten zwei Wochen der Unternehmenskommunikation betrachtet. Erst nutzte die Allianz den allgemeinen Trommelwirbel zum Klimagipfel in Paris, um sich öffentlichkeitswirksam von Investments in Kohle-basierte Geschäftsmodelle zu distanzieren. Freilich nur, wenn die jeweiligen Unternehmen „mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes durch den Abbau von Kohle oder mehr als 30 Prozent ihrer Energieerzeugung aus Kohle erzielen."
Langfristig ist das sicher keine schlechte Idee: Der CO2-getriebene Klimawandel könnte schließlich auch für Versicherer richtig teuer werden, die wie die Allianz „Schutz vor Klimarisiken“ im Portfolio haben. Eine etwas weniger idealistisch geschwängerte Motivation dürfte auch darin liegen, dass sich das Geschäft mit dem Ruß für Investoren immer weniger lohnt. Zugleich präsentierte der Konzern ein ambitioniertes Dreijahresziel. Bis 2018 wollen die Münchner ihr Ergebnis je Aktie um insgesamt fünf Prozent steigern. Zudem soll die Eigenkapitalrendite nach Ablauf dieses Zeitraums 13 Prozent betragen. Danach dürfen die Gewinne dann gerne sprudeln.
Pro Jahr soll „eine Milliarde Euro an wiederkehrenden Produktivitätsgewinnen“ erzielt werden, teilte das Unternehmen mit: „Ziel ist, dass zukünftig mindestens 75 Prozent der Geschäftseinheiten der Gruppe besser als der Marktdurchschnitt abschneiden.“Das würde ermöglichen, „geschätzte fünf Millionen Neukunden und 6,5 Milliarden Euro an zusätzlichen jährlichen Beitragseinnahmen zu gewinnen.“ CEO Oliver Bäte machte mit der Vorstellung des Dreijahresplans seinen offiziellen Einstand vor Analysten und institutionellen Investoren. Der 50-Jährige ist seit Mai an der Spitze des weltgrößten Versicherungskonzerns.
Allianz will digitale Versicherungsbranche in China aufmischen
Getragen werden soll das künftige Wachstum der Allianz vor allem von der Digitalisierung der Allianz Gruppe. Der Konzern baut daher eine neue Einheit „Digitale Transformation“ auf. An deren Spitze wird ab dem 1. Januar 2016 der 41-jährige Solmaz Altın stehen, der direkt an Christof Mascher, Vorstand der Allianz SE, berichten soll. Auch an anderer Stelle werden die Weichen für die Zukunft gestellt: Der DAX-Konzern macht seinem Namen alle Ehre und schmiedet eine internationale Allianz mit Partnern aus Fernost. Gemeinsam mit dem chinesischen Internetriesen Baidu und dem asiatischen Investor Hillhouse Capital Group entsteht ein Joint Venture, das die digitale Versicherungsbranche in China aufmischen soll.
Der Anspruch ist dabei kein geringerer als die Spitze, erklärt George Sartorel, Vorstandsvorsitzender der Allianz für die Region Asien-Pazifik: „Die digitale Revolution im Finanzdienstleistungssektor vollzieht sich in Asien rasant schnell. Vor allem in China wird der Bereich komplett neu erfunden. Das hohe Tempo, mit dem Innovationen hier entwickelt werden, setzt traditionelle Geschäftsmodelle sehr schnell außer Kraft. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir uns als Allianz an die Spitze dieser Entwicklung stellen.“
Dass die Versicherungsbranche sich ständig neu erfinden muss, hat der neue Allianz-Chef Bäte natürlich verstanden. Wenn es mit dem angepeilten Wachstum klappen soll, muss die Maschinerie des Konzerns perfekt laufen. Oder wie Bäte es kürzlich formulierte: „Wir brauchen mehr Gewinn-Maschinen.“ Freuen dürfen sich im Erfolgsfall auch die Aktionäre, denn sie bekommen die Hälfte des Gewinns. Der neue Chef hat nicht nur die Märkte im Blick, in denen die Allianz noch wachsen kann. Auch Policen mit langfristigen Garantien stehen auf dem Prüfstand, denn sie machen die Lebensversicherungssparte stark von den Kapitalmärkten abhängig.
Draghi kappt wochenlangen Aufwärtstrend der Aktie
Dass man sich auf diese nicht immer verlassen kann, zeigt die vergangene Börsenwoche. Die Allianz-Aktie befand sich seit Wochen im kontinuierlichen Auftrieb, getrieben auch von positiven Analystenkommentaren. Doch den Optimisten kam Mario Draghi in den Weg: Als die EZB am Donnerstagmittag weitere Maßnahmen ihrer Währungspolitik verkündete, setzte es für zahlreiche Anleger eine herbe Enttäuschung. Die Notenbank verlängert ihr Anleihenkaufprogramm zwar zunächst um sechs Monate, erhöht die monatliche Summe aber nicht.
Auch bei anderen Entscheidungen hatten die Märkte mehr erwartet. Wie der gesamte DAX rauschte deshalb auch die Allianz-Aktie am Donnerstag ab und musste die Gewinne der Vorwoche größtenteils wieder abgeben. Zum Börsenschluss am Freitagabend stand das Papier nur noch bei gut 162 Euro. Trotz des Rücksetzers am Gesamtmarkt könnte der frische Wind, den Oliver Bäte bei der Allianz wehen lässt, noch die ein oder andere Chance für Aktienanleger hervorbringen. Marius Mestermann