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Britisches Pfund: So günstig, wie noch nie

Die Finanzkrise hat durch ihre enormen Verwerfungen an den Kapitalmärkten attraktive Investitionschancen eröffnet – nicht nur bei Aktien und anderen Risikopapieren, sondern auch beim Britischen Pfund. Die Währung Großbritanniens hat im vergangenen Jahr über 20% gegenüber dem Euro und mehr als 25% gegenüber dem US-Dollar verloren und ist momentan so günstig, wie noch nie. Das deutliche Erholungspotenzial des Pfunds bietet Anlegern daher eine gute Investitionsgelegenheit im laufenden Jahr.

BÖRSE am Sonntag

Die derzeitige Schwäche des Britischen Pfunds überrascht zunächst einmal wenig, denn die britische Wirtschaft ist einfach das perfekte Opfer der Finanzkrise. Das liegt vor allem an ihrer Abhängigkeit vom Finanzsektor, dem heißgelaufenen Immobilienmarkt, den überwiegend kurzfristigen Immobilienfinanzierungen sowie der generell hohen Verschuldung der privaten Haushalte. Gerade die Kombination der beiden letztgenannten Faktoren erweist sich als doppelter Belastungsfaktor, wenn so wie derzeit die Liquiditätsversorgung abbricht. Zu lange hat die Bank of England gezögert, die Zinsen deutlich zu senken und damit der Abwertung des Pfunds die Aufgabe übertragen, die geldpolitischen Bedingungen zu lockern.

Ausmaß der Schwäche ist übertrieben

Spätestens nachdem die Bank of England Anfang des Jahres nach einer Reihe von Zinssenkungen noch einmal nachlegte, hat jedoch dieses Argument für eine schwächere Währung an Überzeugungskraft eingebüßt. Mit 1,5% ist inzwischen ein Zinsniveau erreicht, welches als stimulierend angesehen werden kann. Damit entfällt ein wichtiger Faktor für ein schwaches Pfund.

Das Ausmaß der derzeitigen Pfundschwäche erscheint somit schlicht übertrieben – trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Lage. Zwar kann es noch als angemessen gelten, dass die britische Währung deutlich mehr als bei den bisherigen Abwertungen in den letzten beiden Jahrzehnten eingebüßt hat: Immerhin ist das derzeitige Zusammentreffen einer Rezession und einer Bankenkrise einschneidender als die Rezession 1991/92 und das nachfolgende Ausscheiden des Pfunds aus dem Europäischen Währungssystem. Auch die Mexikokrise 1995, die den Banken deutliche Verluste bescherte, scheint im Vergleich zur derzeitigen Situation eher eine moderate Belastungsprobe gewesen zu sein. Und die Pfundschwäche im Zuge des Aktienmarktcrashs von 1987 ist ebenfalls moderater ausgefallen als jetzt.

Derzeitige Abwertung übertrifft alle vorherigen

Doch die Abwertung des Britischen Pfunds in der derzeitigen Krisensituation übertrifft sogar den Wertverlust der Währung Ende der 70er-Jahre. Damals führte eine Rezession in Großbritannien nicht nur zu Inflationsraten von 25%, sondern auch zu einer Verdopplung der Arbeitslosenrate. Darüber hinaus war Großbritannien jedoch 1976 effektiv zahlungsunfähig und musste den Internationalen Währungsfonds (IWF) um einen Kredit bitten. In den darauffolgenden Jahren kam es in Großbritannien zu Straßenschlachten, massiven Streiks und 1980 zu einer erneuten Rezession.

Der derzeitige Wechselkurs wäre nur dann angemessen, wenn Großbritannien erneut nahe an der Zahlungsunfähigkeit wäre. Dies stellt jedoch ein wenig wahrscheinliches Szenario dar.

Fazit: Einstieg kann sich lohnen

Neben den fundamentalen Faktoren legen zudem auch technische Faktoren nahe, dass die Pfundabwertung inzwischen eine eindeutig überlaufene Wette ist. Es spricht daher alles für eine Erholung des Britischen Pfunds als notwendige Folge der übertriebenen Abwertung. Gemessen an seinem realen Wechselkurs, also um die unterschiedlichen Inflationsraten bereinigt, ist das Britische Pfund aktuell so günstig, wie noch nie. Anlegern bietet sich damit die Aussicht auf eine attraktive Investmentmöglichkeit im laufenden Jahr.

David Kohl
Deputy Chief Economist, Bank Julius Baer & Co.