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Mängel beim Bitcoin – Blase könnte bald platzen

Als Währung und Assetklasse weist der Bitcoin Schwächen auf, die sich als fatal erweisen können, weshalb das Platzen der Bitcoin-Blase nur noch eine Frage der Zeit ist. Das zumindest ist die Meinung von Stefan Hofrichter, Head of Global Economics & Strategy Allianz Global Investors. Die hinter Bitcoin und anderen Kryptowährungen stehende Blockchain-Technologie könnte jedoch erhebliche Vorteile für Anleger bieten.

BÖRSE am Sonntag

Als Währung und Assetklasse weist der Bitcoin Schwächen auf, die sich als fatal erweisen können, weshalb das Platzen der Bitcoin-Blase nur noch eine Frage der Zeit ist. Das zumindest ist die Meinung von Stefan Hofrichter, Head of Global Economics & Strategy Allianz Global Investors. Die hinter Bitcoin und anderen Kryptowährungen stehende Blockchain-Technologie könnte jedoch erhebliche Vorteile für Anleger bieten.

Von Stefan Hofrichter

In den Wochen vor Weihnachten 2017 hatte die Bitcoin-Spekulation ihren Höhepunkt erreicht. Erstmals wurden Bitcoin-Futures an zwei der weltgrößten Optionsbörsen gehandelt, an der Chicago Board Options Exchange (CBOE) und der Chicago Mercantile Exchange (CME). Am 18. Dezember knackte Bitcoin an den Kassa- und Futures-Märkten die Marke von 20.000 US-Dollar. Danach ging es jedoch steil bergab; das im Dezember markierte Allzeithoch wurde seither nicht mehr erreicht. Ende Februar hatte sich der Bitcoin-Kurs mit rund 10.000 US-Dollar in nur zwei Monaten halbiert.

Ist das der Anfang vom Ende des Hypes um Bitcoin als globales Währungsmodell der Zukunft? Wahrscheinlich nicht, Bitcoin und andere Kryptowährungen scheinen als Spekulationsobjekte vorläufig noch nicht ausgedient zu haben. Aus unserer Sicht weist Bitcoin jedoch schwere Mängel auf: Sein steiler Höhenflug entspricht dem einer klassischen Finanzmarktblase. Zudem erfüllt er durch das Fehlen zentraler Geldfunktionen nicht die Kriterien einer Währung.

Blasenbildung bei Bitcoin

Bitcoins hyperbolischer Kursverlauf seit 2009 (dem Jahr seiner Markteinführung) trägt deutliche Züge einer Blasenbildung. Vergleicht man die (inflationsbereinigte) fünfjährige Kursentwicklung von Bitcoin mit jener früherer Vermögenspreisblasen, dann stellt Bitcoin nicht nur die Blasen der jüngeren Finanzgeschichte klar in den Schatten (die Dotcom-Blase der 1990er-Jahre und die Japan-Blase der 1980er-Jahre), sondern sogar die beiden Blasen mit der historisch größten Kursexplosion bei nachfolgendem Absturz: die Tulpenmanie von 1637 und die Mississippi-Blase von 1720 sind warnende Beispiele.

Außerdem treffen auf Bitcoin alle von uns als wesentlich eingestuften Kriterien für das Entstehen einer Vermögenspreisblase zu:
•    “Neue Ära”-Denken. Bitcoin gilt als völlig neuartiges Währungsmodell und als monetäre Innovation des Internetzeitalters.
•    Zunehmende Spekulation/Euphorie. Laut BIZ-Daten hat sich das Handelsvolumen in den vergangenen fünf Jahren fast verfünffacht.
•    Liquiditätsschwemme an den Märkten. Trotz mehrerer Zinserhöhungen der US-Notenbank ist das geldpolitische Umfeld weltweit nach wie vor expansiv.
•    Fehlende Regulierung. Aufsichtsbehörden weltweit nehmen sich nur zögerlich der „Wildwest“-Verhältnisse von Bitcoin an.
•    Auflegung entsprechender Finanzinstrumente. Neue Produkte rund um diese aufstrebende Assetklasse senken die Markteintrittsbarrieren – von CBOE- und CME-Futures bis hin zu „digitalen Börsengängen“ (Initial Coin Offerings, ICOs).
•    Zunehmende Verschuldung. Nicht nur die Verschuldung des privaten Sektors ist weltweit auf neue Rekordwerte gestiegen, auch die kreditfinanzierte Spekulation in Bitcoin nimmt zu.
•    Illegale und betrügerische Aktivitäten. Bitcoin hat sich zu einem beliebten Instrument unter Kriminellen entwickelt, da es einen anonymen Zahlungsverkehr außerhalb traditioneller Bankkanäle ermöglicht.
•    Hohe Überbewertung. Zwar sind derzeit auch viele andere Assetklassen hoch bewertet, Bitcoin stellt jedoch alle in den Schatten.

Was ist der faire Wert eines Bitcoins?

Dies führt uns zur alles entscheidenden Frage: Was ist der faire Wert eines Bitcoins? Nach unserer Einschätzung ist der innere Wert eines Bitcoin gleich Null: es besteht keine Forderung gegenüber einem Dritten – im Unterschied etwa zu Staatsanleihen, Aktien oder Papiergeld. Hinzu kommt, dass Bitcoin keine Erträge abwirft; zugegeben: dasselbe könnte man auch über Gold sagen, mit dem Unterschied, dass sich Gold seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden als weithin akzeptierter Wertgegenstand bewährt, während Bitcoin noch keine zehn Jahre existiert.

Man könnte auch argumentieren, dass aktuell nicht nur bei Bitcoin, sondern auch in anderen Assetklassen Überhitzungserscheinungen zu beobachten sind: Das zyklusbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis („Shiller-KGV“) des S&P 500 Index ist rund doppelt so hoch wie im langjährigen Durchschnitt. Die Spreads zahlreicher High- Yield- und Investment Grade-Anleihen sind weltweit extrem niedrig. Viele Häusermärkte sind deutlich überbewertet, insbesondere jene in Kanada, Schweden, Australien und Hongkong, die von den Auswirkungen der globalen Finanzkrise weitgehend verschont geblieben sind.
Die Kryptowährung Bitcoin ist zwar nicht die einzige überbewertete Assetklasse, sie erfüllt jedoch alle für uns wesentlichen Kriterien einer klassischen Blase – deren Platzen nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte. Welche Auswirkungen hätte das Platzen der Bitcoin-Blase auf Anleger traditioneller Assetklassen wie Aktien oder Anleihen? Wir schätzen, dass die Spillover-Effekte in der „realen Welt“ aufgrund des nach wie vor relativ kleinen Bitcoin-Marktes gering wären. Die Risiken für die Finanzstabilität durch Bitcoin halten wir daher für vernachlässigbar – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.

Bitcoin – weder Währung noch ESG-kompatibel

Wenn Bitcoin aufgrund der beschriebenen Mängel schon keine „richtige“ Assetklasse ist, erfüllt es dann zumindest die Kriterien einer Währung? In unseren Augen nein, und zwar aus mehreren Gründen:
•    Angesichts der hohen Kosten für die Abwicklung von Bitcoin-Transaktionen wäre der Einsatz als Zahlungsmittel nur bei hochpreisigen Gütern ökonomisch sinnvoll.
•    Aufgrund der extremen Kursschwankungen eignet sich Bitcoin nicht als Recheneinheit, mit der Güter- und Vermögenswerte in einer allgemein akzeptierten Bezugsgröße (Numéraire) ausgedrückt und verglichen werden können.
•    In Anbetracht aller bisher dargelegten Argumente scheint eine Nutzung von Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel nahezu unmöglich zu sein.

Auch unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und Governance-Kriterien (ESG) scheidet Bitcoin für uns als geeignetes Instrument aus. Die in einem Jahr für die Erzeugung („Mining“) von Bitcoins benötigte Energie entspricht dem jährlichen Durchschnittsverbrauch Irlands. Mit zunehmender Anzahl der Bitcoin-Transaktionen steigt konstruktionsbedingt auch die Komplexität der Rechenvorgänge und damit – durch die Notwendigkeit immer höherer Hardwareleistung – tendenziell auch der Stromverbrauch.

Vorteile der Blockchain-Technologie

Bei aller Skepsis gegenüber Bitcoin: die zugrunde liegende Blockchain-Technologie (eine Form der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), bei der die Transaktionshistorie aus einer Kette von Transaktionsblöcken besteht) hat zweifellos Potenzial, vor allem, da sie die Kosten der Validierung von Transaktionen und der digitalen Vernetzung deutlich senken kann. Dies weckt die Aufmerksamkeit verschiedener Finanzinstitutionen, darunter Zentralbanken, sich näher mit dieser Technologie zu befassen und dabei praktische Anwendungsmöglichkeiten auszuloten, unter anderem für die Abwicklung von Finanztransaktionen.

Stefan Hofrichter ist Head of Global Economics & Strategy bei Allianz Global Investors.