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Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen  fonds   Zertifikate   rohstofe „Die Familien haben doch jahrzehntelang von der Substanz gelebt", sagt James Hervey Bathurst, Herr auf Eastnor Castle und Präsident der Historic Houses Association. "Immer wenn sie Geld für Renovierungen brauchten, haben sie ein paar holländische Meister verkauft." Als alle Schätze verkauft waren, kam oft das Ende. 1 200 Herrenhäuser, so Hervey-Bathurst, seien alleine von 1945 bis 1975 verloren gegangen. Dieses Schicksal ist Goodwood erspart geblieben. Der Earl of March bietet auf dem mehr als 3000 Hektar großen Gelände rund um das gedrungene Schloss Platz für stilvolle Veranstaltungen. Auf der Pferderennbahn mit Meeresblick finden Renntage statt, die in der Society gleich nach denen von Ascot kommen. Das "Festival of Speed" und das "Goodwood Revival" zelebrieren jedes Jahr die glorreiche Vergangenheit des Motorsports. Hunderttausend Besucher und mehr flanieren dann über die samtig grünen Rasenflächen. Um diese Veranstaltungen herum hat der Earl of March ein Familienunternehmen mit 40 Millionen Pfund Umsatz aufgebaut, das nicht nur die Unterhaltung des Hauses und der Anlagen finanziert, sondern auch 250 Menschen beschäftigt und schöne Gewinne abwirft. James Hervey-Bathurst packte erst spät der Ehrgeiz, seine Ländereien zu vermarkten. Er erlebte zwar, dass seine Familie von den 97 Zimmern des trutzigen Eastnor Castle im westenglischen Herefordshire nur vier Räume nutzen konnte, weil sie kein Geld hatte, alle zu erhalten und zu heizen. Doch nach dem Studium in Cambridge drängte es ihn erst einmal hinaus. Er machte Karriere als Investmentbanker bei Kleinwort Benson und als Partner einer Headhunting- Firma. Erst danach entschloss er sich, auf den Familienstammsitz zurückzukehren. Er steckte einen Gutteil seiner Rücklagen in die Renovierung und machte einen Deal mit den Behörden: Sie beteiligten sich an der mehr als eine Million Pfund teuren Restaurierung des Daches. Und er verpflichtete sich, das Schloss an mindestens 45 Tagen im Jahr für Besucher zu öffnen. So fing er 1990 an. Heute sind 70 Zimmer renoviert und nutzbar. Voller Elan führt der drahtige 55-Jährige durch die prachtvollen Säle, Salons und Schlafräume, reiht mit näselndem Upper-Class-Englisch Anekdote an Anekdote über Ahnen, Feldzüge und königliche Besucher. Doch es sind nicht die Touristen und Veranstaltungen von der Kinderwoche bis zum Open-Air-Rockkonzert, die das Geld bringen. Vor allem Hochzeitsgesellschaften und Unternehmensseminare sorgen für den Jahresumsatz von gut einer Million Pfund. Während Hochzeitsgäste wie Davina McCall, Moderatorin der englischen Big-Brother-Show, in den prunkvollen Sälen nächtigen, wohnt Hervey-Bathurst vergleichsweise bescheiden in einem Seitenflügel der Burg. Aber das stört ihn nicht. "Wenn wir unsere Häuser für Gäste öffnen", ist er sich sicher, "helfen wir nicht nur, sie zu erhalten, wir erhöhen auch die soziale Akzeptanz der Anwesen." Um die muss sich Alexander Thynn, der siebte Marquess of Bath, keine Sorgen machen. Im Gegenteil: An Ferientagen funkeln rund um den Palast Longleat in der Nähe von Bath viele hundert Autodächer in der Sonne. Die Familie Thynn ist Pionier des Schlösser-Tourismus: Schon 1949 öffnete sie als Erste – wegen der hohen Steuern – ihr Anwesen für Besucher. 1966 machte sie den ersten Safari-Park außerhalb Afrikas auf. 1994 folgte ein Center-Parcs-Feriendorf mit 700 Häusern. 31 BÖRSE am Sonntag · 29/1 4 Produkt der Woche


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