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Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen  fonds   Zertifikate   rohstoffe   Denkzeit Punk und Engelshaar Waltraud Meier und Patti Smith – zwei Welten, scheinbar. Doch die Botschaften sind dieselben, fast jedenfalls. Als die Miterfinderin des wahren Punk, Patti Smith, jüngst im Münchner Tollwood-Zelt auftrat, hatte sie am Abend zuvor die letzte „Isolde“ gesehen, die die weltweit berühmteste Interpretin dieser Rolle, Waltraud Meier, am Abend zuvor gegeben hatte: in der Inszenierung von Peter Konwitschny in der Münchner Staatsoper, mit langem Engelshaar, allerdings rötlich-dunkel und nicht blond. Der Punk-Auftritt – und Punk ist mehr als Musik! – von Patti Smith stand damit auch im Zeichen von Wagners "Traistan und Isolde". „Golden Shit“ sei gewesen, was sie von Waldtraud Meier gehört habe, verkündet Patti Smith schreiend und spuckt vulgär auf die Bühnenbretter, die im Münchner Olympiapark derzeit die Welt bedeuten. Ein höheres Lob ist von einer Frau, die den Punk als Kunstform zelebriert, die mit Lou Reed und seiner „Velvet Underground“ arbeitete, die Andy Warhol in New York traf, kaum vorstellbar. Denn auch Waltraud Meier hat ihn ja, den Punk. Wer sie abseits der Bühne erlebte, zum Beispiel, aber nicht nur in der Kantine des Nationaltheaters, der weiß genau, wovon die Rede ist. Heute, an diesem Abend, ist er aber bei Patti Smith zuhause, dieser Punk. Ungeschminkt, 68 Jahre alt, mit langer, wehender, weißer Mähne, die Füße in schwarzen Cowboystiefeln, so steht sie da – personifizierter Punk. „Fucking freedom“, brüllt sie ins Mikrophon, „fucking, fucking freedom!“ Wagner und Warhol – interpretiert durch Meier und Smith. Gegenwartskunst konkret – konzentriert auf die New Yorker Sängerin. Denn es ist eigentlich Patti Smith und nur sie, die diesen künstlerischen Raum öffnet. Ihre Band leistet saubere, handwerklich solide Arbeit, es ist übrigens die Urbesetzung von 1975 mit Lenny Kaye (Gitarre), Jay Dee Daugherty (Drums), Tony Shanahan (Keyboard und Gitarre) und Jack Petruzzeli (Bass und Gitarre). Shanahan und Petruzzeli lassen bei zwei, drei Soli zwar anklingen, was in ihnen steckt, aber sie suchen nicht Rampenlicht – das bleibt einzig für die Frontfrau. Als sich aber die Frontfrau nach einem ihrer Punk-Auftritte eine kleine Auszeit gönnt, erklingt ein sehr manierlich anzuhörendes Velvet-Underground-Medley. Dies alles natürlich erst, nachdem Smith und Band das abgeliefert haben, wofür sie eigentlich angereist sind: die Aufführung der Debüt-LP „Horses“, 40 Jahre nach deren Erscheinen. Künstler der Woche Mit langen, weißen Haaren, ungeschminkt, intensiv – Patti Smith am vergangenem Montag in München Fotos: CBGB, Bernd Wackerbauer 22 BÖRSE am Sonntag · 29/1 5


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