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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstoffe   Denkzeit  Lebensart Kolumne Die Zinswende in den USA rückt näher Vor kurzem hat Fed-Chefin Janet Yellen das jährliche Treffen der internationalen Notenbanken Ende August in Jackson Hole abgesagt. Ihre offizielle Begründung: keine Zeit. Nun lässt sich spekulieren, was ihr Wichtiges dazwischenkommen könnte. Muss sie etwa die Zinswende in den USA vorbereiten? Was auch immer der Grund für ihr Fernbleiben ist – ich vermute, dass die Fed in diesem September erstmals seit 2006 die US-Leitzinsen wieder anheben wird. Die Voraussetzungen scheinen dafür gegeben, denn insgesamt läuft es derzeit ganz gut in der US-Wirtschaft: Immer mehr Menschen stehen in Lohn und Brot, die Qualität der Arbeit verbessert sich und die Löhne steigen. Mittelfristig dürften die höheren Löhne den für die USA so wichtigen Konsum und damit die gesamte Wirtschaft weiter ankurbeln. Ein anderer entscheidender Faktor für die Zinsentscheidung ist die Entwicklung der Inflationsrate. Durch die Stabilisierung des Ölpreises sowie die jüngste Abwertung des US-Dollars sind hier wahrscheinlich keine kurzfristigen Einbrüche mehr zu erwarten. Während die Zinsanhebung inzwischen von vielen Marktteilnehmern erwartet wird, dürfte die Diskussion über eine Verkürzung der Fed-Bilanzsumme im kommenden Jahr zu einem Thema werden. Erste Spekulationen, dass die obersten Währungshüter darüber nachdenken, auslaufende Anleihen nicht mehr oder nur noch kurzfristig zu reinvestieren, führten bereits zu erhöhten Schwankungen an den Aktien- und Anleihenmärkten. Auch wenn sich die Volatilität durch die geringere Liquidität im Sommer noch verstärken könnte, erwarte ich für den US-Markt aber nur eine vorübergehende Konsolidierung und keine langfristige Trendumkehr. Schon im Herbst könnten sich die Kurse wieder fangen und Anlegern interessante Möglichkeiten eröffnen. Auch Anleger in Europa sollten kurzfristig mit Schwankungen rechnen – wenngleich hier weniger die Zinsseite als vielmehr makroökonomische Einflüsse auch außerhalb der Eurozone für Unsicherheiten sorgen könnten. Die Europäische Zentralbank hingegen dürfte meiner Ansicht nach an ihrem groß angelegten Ankauf von Staatsanleihen festhalten. Die daraus resultierenden niedrigen Zinsen könnten aufgrund des Zinsunterschieds verstärkt zu Kapitalabflüssen in die USA führen. Für die großen Exportunternehmen aus der Eurozone wäre das zwar durchaus positiv, da die Abflüsse aus dem Euro die Gemeinschaftswährung schwächen und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Konzerne steigern dürften. Fraglich ist, ob die dadurch erzielten Gewinne auch wieder in der Eurozone reinvestiert oder anderweitig außerhalb Europas getätigt werden. Diese Entwicklung wird die EZB sicherlich genau verfolgen. Insgesamt sehe ich derzeit trotzdem keinen drängenden Grund, warum sie ihre Anleihekäufe vorzeitig beenden oder die Zinsen anheben sollte. Aufgrund der kurzfristig zu erwartenden Schwankungen sollten Anleger ihr Portfolio mit Blick auf Branchen und Regionen derzeit besonders breit aufstellen. Hinzu kommt die tägliche intensive Beobachtung des politischen Geschehens sowie der Entwicklungen an den Finanzmärkten. Nur so lässt sich das Depot zeitnah an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Für alle, denen hierfür die notwendige Zeit oder Expertise fehlt, könnten sich zum Beispiel aktiv gemanagte Investmentfonds anbieten – sei es im Bereich Anleihen, Aktien oder gleich über verschiedene Anlageklassen gestreut. Dr. Ulrich Stephan Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank 07 BÖRSE am Sonntag · 29/1 5


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