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Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen  fonds   Zertifikate   rohstoffe   Denkzeit Das künstlerische Spiel zwischen Fotoarbeiten, Malerei und gemalten Verfremdungseffekten prägt die Werke. Die Künstlerin greift damit ein Selbstfindungsthema moderner Kunst gezielt auf und variiert es mit lusvollem Bekenntnis. Tatsächlich fotografierten schon im 19. Jahrhundert insbesondere Portraitmaler ihre Modelle, sie nutzten das neue Medium, den Fotoapparat, zur Produktion von Malvorlagen. Allerdings geschah das meist heimlich, denn für nach Fotografien malende Künstler bestand die Gefahr, dass ihr Honorar nicht mehr als gerechtfertigt angesehen wurde. Fotohilfe für Malerei galt als unkünstlerisch, als verwerflicher Trick und eines echten Künstlers nicht würdig. Der Grund: Als die Fotografie erfunden wurde, verloren die bildenden Künstler ihr Monopol über die Bildherstellung, und schnell waren Fotografien im Gegensatz zu gemalten Bildern preiswerter und schneller erhältlich. Deshalb lichteten die Künstler damals ihre Modelle eben heimlich ab, Britta Weimer: „post contemplation“ achteten sorgfältig darauf, ihre fotografischen Vorlagen nicht aus der Hand zu geben und verfügten: „nach meinem Tode verbrennen“. Wie selbstverständlich Maler mit Fotografien umgingen, wird jedoch am Umfang ihrer Nachlässe deutlich: Der berühmte Portraitmaler Franz von Lenbach (1836 – 1904) beispielsweise hinterließ mehr als 13.000 Negative. Auch die zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder entdeckten Fotografien des Portraitmalers Ferdinand Schmutzer (1870 – 1928) belegen, welche wichtige Rolle das neue Medium bei der Schaffung von Kunstwerken gespielt hat. Umgekehrt ist die Fotografie längst zur eigenen Kunstform aufgestiegen. „Mich reizen die Zwischenwelten der Formen", erklärt Britta Weimer. Sie lehnt den Weg des Vortäuschens und des so tun als ob ab und beschreibt unverkrampft und detailliert, wie sie mit der Kamera Augenblicke des Lebens einfängt. Wie sie im Alltag auf Motive stößt, besondere Momente protokolliert oder Gedanken mit einem Klick in ihr digitales Fotoalbum wandern. Jedes Foto werde so allerdings zu einem eingefrorenen Eindruck, zu einem (ein)gefangenen Gefühl. Und weil diese Starre so eisern ist und die Momentaufnahmen dem Fluss des Leben entrissen worden sind, seien die Fotografien wie stumme Zeugen mundtot gemacht. In Weimers Augen schreien die Fotografien nach Transformation, nach erneutem Fließen, nach neuer Existenz. Und so greift sie zu Pinsel oder Spachtel, um den Bildern wieder neues Leben einzuhauchen. Die Übermalung 27 BÖRSE am Sonntag · 47/1 5 Ausstellung


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