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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstoffe   Lebensart das gesellschaftliche Miteinander dramatisch verändern wird. Wir Bürger sind hier im Übrigen sehr inkonsequent. Alle scheinen gerne ihre privaten Daten preis zu geben und loben gleichzeitig die Errungenschaften des freien Internets. Dies birgt durchaus Gefahren. Die Menschen merken oftmals gar nicht mehr, dass sie auch einen Preis zahlen, und zwar nicht im monetären Sinne. Sie zahlen sozusagen mit ihrer eigenen Information, die andere dann wirtschaf tlich ausnutzen können. Das führt mich zum zweiten Punkt – der Ökonomisierung des Privaten. Auch das verändert die Art und Weise unseres Zusammenlebens fundamental. Börse am Sonntag: Können Sie Beispiele für die Ökonomisierung des Jürgen Fitschen Jürgen Fitschen ist Co-Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank AG Privaten nennen? Jürgen Fitschen: Es betrifft verschiedene Lebensbereiche, wie beispielsweise Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, Altersvorsorge, kulturelle Aktivitäten oder die Inanspruchnahme von Infrastruktureinrichtungen. Dabei scheint es mir in Zeiten zunehmender Digitalisierung für eine wachsende Zahl von Menschen problematischer zu werden, zwischen den Begriffen „ohne Nutzen“ und „nutzlos“ zu unterscheiden. Börse am Sonntag: Sie als Co- Vorstandsvorsitzender werden in der Öffentlichkeit von vielen mit einem gewissen Neidfaktor wahrgenommen: gehobener Status, hohes Gehalt, Chauffeur, Dienstwagen, exklusives Büro. Vielen ist nicht klar, welcher Einsatz damit verbunden ist. Meinen Sie, die Menschen sollten mehr darüber erfahren, was ein Manager in Ihrer Position alles leistet? Jürgen Fitschen: Ich glaube, viele sehen schon, dass wir eine hohe Verantwortung tragen und dass wir einen sehr ausgefüllten Kalender haben. Vieles wird festgemacht an der Person des Vorstandsvorsitzenden. Das habe ich zu Zeiten von meinem Vorgänger erfahren, und nachdem Anshu Jain und ich übernommen hatten, ist es uns genauso ergangen. Man darf nicht den Versuch machen, sich dem zu entziehen. Insofern ist diese Art der Öffentlichkeitsarbeit, die wir in dieser Position verrichten, ein Teil unseres Aufgabengebietes, ein Teil, der in dieser medialen Welt immer wichtiger geworden ist. Börse am Sonntag: Finden Sie den Slogan Ihrer Bank „Leistung aus Leidenschaft.“ noch angemessen im Zuge der Krise und des Kulturwandels? Oder müsste der Slogan heißen: Leistung aus Verantwortung? Jürgen Fitschen: Ich habe sehr früh gesagt, dass ich den Slogan nicht mehr optimal finde. Damit will ich nicht sagen, dass Leistung aus Leidenschaft für uns nicht mehr gilt. Sie gehört zur Deutschen Bank. Denn wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir stets die höchsten Erwartungen an uns alle haben. Das muss auch so bleiben. Ich habe den Slogan deshalb kritisch beurteilt, weil Leidenschaft auch zu Exzessen führen kann, wenn sie keine Grenzen mehr kennt, wenn Menschen Maß und Mitte verlieren. Und deshalb sagte ich, dass Verantwortung, Integrität und Disziplin ebenfalls dazugehören. Das heißt, Leidenschaft allein reicht nicht aus, sie muss auch verantwortungsvoll umgesetzt werden. Börse am Sonntag: War die Leidenschaft am Pokertisch das Dilemma? Jürgen Fitschen: Poker ist Glücksspiel, und das ist schlicht nicht unser Geschäft. Leidenschaft im falsch verstandenen Sinne ist, wie gesagt, generell nicht gut. Man muss im Übrigen bei der Aufarbeitung von Fehlverhalten immer auch die Zeit berücksichtigen, in der es aufgetreten ist. Es gilt gut zu unterscheiden zwischen den Dingen, die sowohl damals wie auch heute nicht korrekt waren bzw. sind. Und es gibt andere Fälle, die aus heutiger Sicht nicht richtig sind, aber seinerzeit rechtlich in Ordnung waren. Interview 19 BÖRSE am Sonntag · 17/1 6


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