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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 21

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Mitte der 1990er-Jahre begann ein US-Unternehmer, Bücher aus seiner Garage über das Internet zu verkaufen – und nur die wenigsten ahnten damals, welch tief greifender Wandel für die Handelsbranche damit in Gang gesetzt wurde. Denn der Onlinehandel nahm rasant Fahrt auf. Heute lässt sich in zahlreichen Internetshops so gut wie jedes Produkt des täglichen Bedarfs bestellen und direkt nach Hause liefern. Der Aufschwung des Onlinehandels hat jedoch auch eine Kehrseite: Insbesondere der klassische stationäre US-Einzelhandel leidet unter dem Wandel der Einkaufsgewohnheiten. Denn was online bestellt wird – und das wird immer mehr –, wird nicht im Laden gekauft. Viele, insbesondere kleine Geschäfte sind aus den Innenstädten und Shoppingcentern verschwunden und selbst die klassischen Kaufhäuser geraten zunehmend unter Druck. Ein ähnlicher Trend lässt sich in vielen Regionen der Erde beobachten – in den Vereinigten Staaten scheint er besonders ausgeprägt zu sein, wie die Ergebnisse der jüngsten Berichtssaison nahelegen. Aktienkurse von US-Kaufhäusern zuletzt unter Druck So lieferten zahlreiche börsennotierte US-Einzelhändler für das 1. Quartal 2017 enttäuschende Zahlen: Insbesondere beim Ladenumsatz mussten zum Teil deutliche Rückgänge vermeldet werden. Wie angespannt die Lage in der Branche ist, spiegeln auch die Aktienkurse wider: Große börsennotierte US-amerikanische Kaufhäuser mussten seit Jahresbeginn Verluste in Höhe von durchschnittlich mehr als 27 Prozent hinnehmen. Einrichtungshäuser, Supermärkte und Textileinzelhändler liegen insgesamt ebenfalls im Minus. Diese Entwicklung ist umso schmerzlicher, wenn man bedenkt, dass die Konsumstimmung in den USA aktuell nahe ihres 16-Jahreshochs liegt – und sich die gesamten Einzelhandelsumsätze im April erneut verbessert zeigten. Grund dafür ist neben den guten Konjunkturdaten in erster Linie der Arbeitsmarkt: In den USA herrscht annähernd Vollbeschäftigung, was die Löhne zunehmend nach oben treibt. Von dieser Entwicklung profitieren können jedoch fast ausschließlich die Onlinehändler: Ihre Aktienkurse legten im Gegensatz zum stationären Einzelhandel seit Beginn des Jahres um durchschnittlich rund 27 Prozent zu. Die Deutsche Bank geht aktuell nicht davon aus, dass sich dieser Trend in naher Zukunft umkehren wird. Vielmehr dürfte sich der private Konsum weiterhin in das Internet verlagern. Davon könnten insbesondere jene Onlinehändler profitieren, die bereits über eine breite Kundenbasis und starke Marktstellung verfügen. Entsprechend risikobereite Anleger, die am möglicherweise weiter steigenden US-Konsum partizipieren möchten, sollten ihre Investitionsziele dementsprechend genau auswählen – und könnten dabei sowohl Internethändler als auch stationäre Einzelhändler, die über unterschiedliche Vertriebskanäle verfügen, in den Fokus nehmen. 12 BÖRSE am Sonntag · 21/17 Kolumne US-Aktien: Wer profitiert vom anziehenden US-Konsum? Ulrich Stephan Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank Der US-Konsum könnte weiter anziehen, insbesondere der Onlinehandel dürfte davon profitieren. Die umgekehrte Entwicklung ist bei stationären Ladengeschäften zu beobachten: klassische Händler könnten zunehmend unter Druck geraten.


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