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IAA: Toyota schaltet in den nächsten Gang

Auf der Frankfurter IAA gehört Toyota zu den spannendsten Ausstellern – gerade aus Anlegersicht. Die Japaner stemmen sich gegen den Druck aus Wolfsburg und beeindrucken auch Angela Merkel mit fortschrittlichen Antrieben. Gleichzeitig muss Toyota in den USA über 400.000 Fahrzeuge zurückrufen. Reicht es für die Rückeroberung der Pole Position noch in diesem Jahr?

BÖRSE am Sonntag

Auf der Frankfurter IAA gehört Toyota zu den spannendsten Ausstellern – gerade aus Anlegersicht. Die Japaner stemmen sich gegen den Druck aus Wolfsburg und beeindrucken auch Angela Merkel mit fortschrittlichen Antrieben. Gleichzeitig muss Toyota in den USA über 400.000 Fahrzeuge zurückrufen. Reicht es für die Rückeroberung der Pole Position noch in diesem Jahr?

Wer Autorennen mag, der weiß: Eigentlich zählt nur der erste Platz. Jeder Wettbewerber will gewinnen, und der strahlende Sieger bekommt die Lorbeeren. Toyota hatte sich in den letzten Jahren an der Spitze festgesetzt: Weltweit verkauften die Japaner mehr Autos als alle anderen Hersteller. Doch im ersten Halbjahr 2015 wurde Toyota von angriffslustigen Wolfsburgern überholt und auf den zweiten Platz verwiesen. Volkswagen erkämpfte sich einen hauchdünnen Vorsprung von 5,04 gegenüber 5,022 Millionen verkauften Fahrzeugen. Auf der IAA zeigen beide Hersteller nun, wie sie den Wettbewerb in Zukunft für sich entscheiden wollen. 

Toyota setzt zunächst mit dem Prius der vierten Generation ein kleines Ausrufezeichen. Nicht nur die knallrote Farbe und das neue Design des in Frankfurt ausgestellten Mittelklassewagens wecken das Interesse der Besucher. Die Hybrid-Pioniere versprechen auch einen Verbrauch von 3,1 Litern auf 100 Kilometern, als Preis kursiert eine Summe von um die 30.000 Euro. Das neue Modell des vor allem in den USA weit verbreiteten Viertürers soll 2016 auf den Markt kommen. Prius-Fans dürfen sich auf mehr Platz im Innenraum, neu designte Armaturen und allerlei technischen Schnickschnack freuen. Zudem wurde offenbar das Aufheulen des Motors beim Beschleunigen behoben. Näheres zum Antrieb will Toyota erst in den kommenden Monaten bekanntgeben. 

Toyota erfreut die Kanzlerin mit Brennstoffzellen

Während BMW, Porsche und Co. in ihren Studien die zukünftige Reichweite von batteriebasierten E-Fahrzeugen in die Höhe treiben, vertraut Toyota mit seiner neuen Limousine „Mirai“ auf Brennstoffzellen. In einer Broschüre zur IAA argumentiert Toyota, die umweltverträgliche Energiequelle könne „mit Solarenergie oder mit Windkraft aus Wasser sowie einer Vielzahl von Biokraftstoffen oder Erdgas gewonnen werden.“ Für die Japaner kommt die IAA zum rechten Zeitpunkt: Schon im Oktober soll der Verkauf des „Mirai“ in Europa beginnen. Zunächst kommt das Auto, dessen Name übersetzt „Zukunft“ bedeutet, in Deutschland, Großbritannien und Dänemark auf den Markt. 

Als größte Hürde gilt bei Fahrzeugen mit Brennstoffzellen aber die Infrastruktur. In Deutschland gibt es derzeit gerade einmal einige Dutzend Wasserstofftankstellen. Dennoch beeindruckte Toyota mit dem „Mirai“ die deutsche Bundeskanzlerin. Angela Merkel besuchte gestern den Messestand der Japaner und zeigte sich offenbar angetan von dem „alltagstauglichen Wasserstoffantrieb“, wie Toyota es formuliert. Die Limousine mit Elektromotor (113 kW/154 PS) soll eine Reichweite von bis zu 550 Kilometern erzielen und dabei lediglich Wasser ausstoßen. Die Tank- bzw. Aufladezeit  der „weltweit ersten Brennstoffzellen-Serienlimousine“ liegt bei etwa drei Minuten. 

Ehrgeizige Absatzziele in Europa: Toyota will mehr als verdoppeln

Für die IAA hat Toyota nicht nur seinen Prius herausgeputzt, sondern auch ein paar Zahlenspiele vorbereitet. Insgesamt haben die Japaner bereits über acht Millionen Hybrid-Fahrzeuge verkauft. Der Prius ist dabei mit 3,5 Millionen verkauften Fahrzeugen seit 1997 ein wichtiger Erfolgsgarant. Laut eigenen Angaben stammten zudem im vergangenen Jahr rund 60 Prozent aller weltweit verkauften Hybrid-Fahrzeuge von Toyota. Der Autogigant überzeugt vor allem in der Kategorie „Masse“ mit Bestmarken. 

In seinem Preissegment scheint der Konzern in den richtigen Gang geschaltet zu haben. Bis 2020 sollen laut Executive Vice President Didier Leroy in Europa jährlich über 400.000 Toyota-Fahrzeuge mit Hybridantrieb abgesetzt werden. Die Bundesregierung dürfte da im Hinblick auf ihre Klimaziele aufgehorcht haben. Zur absoluten Unzeit kommt während der IAA hingegen die Meldung, dass Toyota in den USA rund 424.000 Fahrzeuge zurückrufen muss. Bei den Frontwischern des Kompakt-SUV RAV4 können sich durch Korrosion und verstärkten Verschleiß bei Feuchtigkeit die Scheibenwischblätter von der Halterung lösen und so die Sicht des Fahrers behindern. 

An den Börsen herrscht ebenfalls keine freie Sicht auf das Kommende: Der japanische Aktienindex Nikkei 225 hält sich derzeit nur knapp über 18.000 Punkten. Er leidet vor allem unter der nicht erfolgten Zinswende in den USA. Die Toyota-Aktie konnte sich nach dem Absturz Mitte August indes wieder deutlich über 7.000 Yen stabilisieren. Derzeit liegt der Kurs mit einem leichten Minus von 1,42 Prozent bei 7,234 Yen. Anleger hoffen nun auf eine Schwächung des Yen durch die japanische Notenbank. Das Rennen um die globale Pole Position bleibt jedenfalls spannend. Denn auch Volkswagen hat mittlerweile alternative Antriebe im Angebot und will 2015 erneut zum Rekordjahr machen. Bevor die Wolfsburger allerdings ein Modell wörtlich „Golf Zukunft“ nennen und sich damit auf eine Messe stellen, muss wohl noch einiges passieren.

Marius Mestermann