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Deutsche Bank: Endlich Besserung?

Für Anleger war die Deutsche Bank seit Jahren ein Flop des DAX. Mit den Auswirkungen der Finanzkriese haben sie noch immer zu kämpfen. Der eher überraschende Berufung von John Cryan könnte neue Chancen eröffnen. Die Anleger sehnen sich derweil vor allem nach Kontinuität.

BÖRSE am Sonntag

Für Anleger war die Deutsche Bank seit Jahren ein Flop des DAX. Mit den Auswirkungen der Finanzkriese haben sie noch immer zu kämpfen. Der eher überraschende Berufung von John Cryan könnte neue Chancen eröffnen. Die Anleger sehnen sich derweil vor allem nach Kontinuität. 

Deutschlands Nummer eins? Ja, Nummer eins! Die Deutsche Bank ist zweifelsohne das Flaggschiff in der deutschen Bankenlandschaft. Sie verfügt über den größten Umsatz, die meisten Mitarbeiter und die meisten Beschäftigte aller Finanzhäuser Deutschlands. Das im DAX notierte Frankfurter Finanzhaus ist auch durch eine Marktkapitalisierung von gut 36 Milliarden ein absolutes Marktschwergewicht. 

Dass Größe aber kein Garant für Erfolg ist, wurde den Anlegern in den letzten Jahren schmerzlich vor Augen geführt. Egal ob kurz-, mittel- oder langfristig – das Frankfurter Papier war wenig erfolgreich. Alleine im letzten Monat gab es einen Kursverlust von rund 14 Prozent, im letzten Jahr waren es mehr als 16 Prozent. Betrachtet man die letzten fünf Jahre, büßte die Bank mit dem blauen Logo sogar rund 45 Prozent ein – in den letzten zehn Jahren über 65 Prozent. Das sind, anders kann es kaum beschrieben werden desaströse Zahlen in ansonsten so erfolgreichen Börsenjahren.

Aktuell kommt eine weitere Belastung hinzu. Eine der vielen rechtlichen Streitigkeiten, die die Bank mit führt, ist entschieden. Stein des Anstoßes waren Preisabsprachen bei Kreditausfallversicherungen (CDS) – zwölf internationale Großbanken sind betroffen. Sie alle, darunter auch die Deutsche Bank, haben offenbar einen milliardenschweren Vergleich akzeptiert.1,865 Milliarden Dollar müssen nun aufgebracht werden. Welcher Anteil auf die Frankfurter zukommt, ist dabei noch nicht klar. Aber um Kleingeld geht es hier nicht.

Wie bei so vielen Banken ging der Absturz im Zuge der Bankenkrise mit Insolvenz Lehmann Brothers los und endete nie wirklich. Der Doppelrücktritt der Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen – Jain sozusagen fristlos, Fitschen dagegen sehr viel komfortabler – waren die logische Konsequenz der Misserfolge.

Während der 52-jährige Jain mit sofortiger Wirkung seinen Posten verließ und nun als Berater ohne Bezahlung fungiert, wird Jürgen Fitschen erst im Mai 2016 gehen. Von einem Hinauswurf kann schon deswegen nicht wirklich die Rede sein, weil Fitschen zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits 67 alt war – und mit 68 dann gehen wird. Dem neuen Vorstandsvorsitzenden John Cryan, der vorher im Aufsichtsrat der Bank saß, soll damit eine bessere Eingewöhnungszeit gewährleistet werden. Viele Investoren setzen darauf, dass er beim Umbau der Deutschen Bank ähnlich hart durchgreifen wird wie beim Schweizer Konkurrenten UBS, wo er sich als Finanzchef von 2008 bis 2011 einen guten Ruf als Aufräumer erwarb.


Die Rezepte des neuen CEO


Cryan als Vortandschef – das wird als „interne Lösung“ bezeichnet. Seine Berufung war der Hauptgrund für die Analysten der Berenberg Bank, die Deutsche Bank von Sell auf Hold aufzuwerten. „Dieser Wille, mit der Vergangenheit zu brechen, und das anstehende Strategie Update im Oktober seien Gründe für sein neues Anlagevotum“ schrieb Analyst James Chappel in seiner Studie. Er erwartet von Cryan wie die Mehrzahl seiner Kollegen eine Art „Salamitaktik“ für den Umbau des größten deutschen Geldhauses. Dass der Brite bei der Deutschen Bank nicht wie bei der UBS frei aufräumen und Altlasten beseitigen kann, hat allerdings Gründe. Ein Ausverkauf von Derivaten, die Eigenkapital binden, könnte zu einem Milliardenverlust führen.

Den will Cryan vermeiden – nicht zuletzt weil er damit das Top-Management verschrecken würde, das er für den Umbau dringend benötigt. Würden Verluste aus Derivatenverkäufen bilanzwirksam, würden manche Deutschbänker nachträglich ihre Boni teilweise verlieren, so die Befürchtungen. Cryan könnte eine Art Spagat versuchten: die Bilanz sachte säubern, ohne die Gewinne allzu sehr zu belasten, und trotzdem den Umbau vorantreiben. 

Doch die Bilanz ist nur eine der Großbaustellen, die Cryan beschäftigen. Eine weitere neue Strategie ist der Plan, sich von weltumspannenden Ambitionen zu verabschieden, wie es aus dem Unternehmen zu hören ist. Die Bank, die als internationalste Adresse unter den deutschen Finanzhäusern gilt, möchte sich fortan nur noch auf ausgewählte Teile der Welt konzentrieren. Der Rückzug aus Finnland, Dänemark, Norwegen, Malta, Peru und Neuseeland scheint dabei beschlossene Sache. Die Vereinigten Staaten und Asien gehören dagegen zu jenen Märkten, auf die sich die Deutsche Bank konzentrieren möchte, wie Insider berichten. 

Doch gerade der Asiatische Markt, insbesondere China ist verantwortlich für den Kurssturz des letzten Monates. Neben konjunkturellen Problemen hat die Deutsche Bank auch immer noch mit Auswirkungen der Finanzkrise von 2007 zu kämpfen. Zum Beispiel umstrittene Geschäfte mit verbrieften Immobilienkrediten in den USA führen zu milliardenschweren Rechtsstreitigkeiten. Analysten schätzen, dass noch rund drei Milliarden Euro an Vergleichszahlungen fällig werden könnten, ehe die zahllosen Rechtsstreitigkeiten beendet sein werden.


Trotz allem: gute Zahlen

Aber nicht alles ist schlecht bei der Deutschen Bank, zumindest die Quartalszahlen lassen hoffen. Denn dort war ein satter Gewinn verzeichnen. Im zweiten Quartal 2015 lag der Nettogewinn bei 796 Millionen nach nur 237 Millionen im selben Vorjahreszeitraum. Um den Gewinn weiter zu erhöhen, möchte sich Cryan den zukünftigen Herausforderungen tellen. Er nennt dabei „inakzeptable hohe Kosten, anhaltend hohe Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten, zu bilanzintensive Geschäfte und insgesamt eine zu niedrige Rendite“. Wie lange es dauern wird, diese Herausforderungen zu lösen, ist nicht abzusehen. Auch Analysten des japanischen Analysehaus Nomura attestieren der Deutschen Bank grundsätzlich eine gute Entwicklung, aber „es werde aber wohl noch eine Zeit dauern, bis sich Maßnahmen wie etwa die geplante Kostensenkung auch sichtbar in den Büchern niederschlugen“.

Aber auch die Strategie, die Anshu Jain vor seinem Rücktritt noch präsentierte, wird wohl vom neuen Chef übernommen. Hier ging es um eine Schrumpfkur im Privatkundengeschäft und die Trennung der Postbank. Diese wurde in den letzten Wochen vorangetrieben, kleine Aktionäre wurden per squeeze out hinausgedrängt. An ebendiese ehemaligen Aktionäre muss die Deutsche Bank aber Abfindungen zahlen, die Experten zufolge recht hoch sein könnten. Auch das kostet das Unternehmen wieder einmal sehr viel Geld. Die Postbank hingegen werden Anleger vermutlich schon nächstes Jahr als eigenständiges Unternehmen auf den Kurszetteln der Börse sehen.

Alles in allem plagen die Deutsche Bank viele Probleme, die auch durch die neue Spitze nicht verschwinden. Der „kleine“ Neuanfang mit John Cryan ist aber eine Chance, die Zukunft erfolgreicher zu gestalten, damit das traditionsreiche Finanzhaus nicht nur auf dem Papier die Nummer eins ist, damit vor allem nicht die „Habenwerte“ von der Menge der „Sollwerte“ überflügelt werden. Grund zur Hoffnung ist da – dafür muss aber endlich wieder Kontinuität in die beiden markanten Türme in Frankfurt, genannt „Soll und Haben“ einziehen.

VAL