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Telefonriese Bouygues lässt Drahi abblitzen

Patrick Drahis große Shoppingtour in der französischen Telekom-Branche ist vorerst gestoppt: Bouygues hat das Übernahmeangebot von Altice abgelehnt. Auch die Regierung in Paris stellte sich gegen die Milliarden von Drahi, der im letzten Jahr bereits den Mobilfunkkonzern SFR gekauft hatte. An der Börse sorgte das Angebot dennoch für Fantasien bei Orange, Iliad und Co.

BÖRSE am Sonntag

Die große Shoppingtour in der Telekom-Branche ist vorerst gestoppt: Bouygues hat das Übernahmeangebot von Altice abgelehnt. Auch die französische Regierung stellte sich gegen die Milliarden von Patrick Drahi, der im letzten Jahr bereits den Mobilfunkkonzern SFR gekauft hatte. An der Börse sorgte das Angebot dennoch für Fantasien bei Orange, Iliad und Co.

Für den französischen Aktienmarkt war es die Meldung der Woche: Der Telekommunikationsriese Altice hat der Unternehmensgruppe Bouygues ein Übernahmeangebot für ihre Telekomsparte unterbreitet. Nach Insiderinformationen geht es um eine Summe von rund zehn Milliarden Euro. Doch am Mittwoch kam die enttäuschende Antwort aus Paris: Bouygues will von dem Angebot nichts wissen und lehnt ab. Wohl auch auf Druck der französischen Regierung, denn Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat deutliche Zweifel an den Plänen. Seiner Meinung nach solle man zunächst die Folgen der letzten großen Übernahme abwarten, bevor man die nächste zuließe. Altice hatte erst im vergangenen Jahr den französischen Mobilfunkkonzern SFR gekauft und eine Fusion mit Numéricable herbeigeführt. Am daraus entstandenen Unternehmen hält Altice Anteile in Höhe von 78 Prozent. 

Hinter dem international tätigen Konzern steht der Unternehmer und Milliardär Patrick Drahi. Zu Beginn des Jahrtausends gründete der gebürtige Marokkaner Numéricable und machte das Unternehmen schnell zum wichtigsten Kabelnetzbetreiber Frankreichs. In wenigen Jahren hat er ein beeindruckendes Imperium geschaffen, welches französische Medien (Libération, L’Express) ebenso umfasst wie neuerdings das amerikanische Telekomunternehmen Suddenlink Communications. Sogar an Time Warner Cable war Drahi interessiert. Dabei setzt er vor allem auf immer neue Kredite, um seine Akquisitionen zu finanzieren – eine Vorgehensweise, mit der er sich nicht nur Freunde macht. Dennoch hätte er den Schuldenberg von Altice gerne um 10 Milliarden auf 43 Milliarden erhöht, um die französische Telekombranche weiter zu konsolidieren und seine Position auszubauen. Schon mit dem Kauf von SFR sprang er Bouygues Telecom überraschend in die Parade. Das neue Übernahmeangebot richtet sich nun gegen eben diesen Konkurrenten und könnte Numéricable-SFR auf einen Schlag zur Nummer eins in Frankreich machen. 

Telekom-Marktkonsolidierung: Den Börsen gefällt’s

Doch bei einer Fusion, so befürchtet es die Regierung, würden entweder die Investitionen zurückgehen, die Verbraucherpreise steigen oder Arbeitsplätze vernichtet werden. Protest gab es daher auch von Seiten der Gewerkschaften. Zudem könnte eine Reduzierung des Markts auf drei große Akteure negative Folgen für die Preise bei der Versteigerung von Frequenzen haben. Das ist eher nicht im Interesse der schuldengeplagten Pariser Politiker. An den Börsen wurde das Übernahmeangebot hingegen zunächst mit starken Kursgewinnen für mehrere Unternehmen belohnt. Nicht nur Numéricable-SFR und Bouygues verbuchten am Montag ein deutliches Plus von 6,8 bzw. 7,5 Prozent, auch der Marktführer Orange sowie der Billiganbieter Iliad (Marke Free) profitierten. Daraus lässt sich ableiten, dass viele Anleger wohl nichts gegen eine Marktkonsolidierung der französischen Telekoms hätten.

Dabei dürften sie vor allem die Schwierigkeiten im Kopf haben, die die Anbieter derzeit plagen. Die Telekomsparte des Mischkonzerns Bouygues beispielsweise wies im ersten Quartal 2015 ein operatives Minus von 84 Millionen Euro auf. Mit gut einer Milliarde Euro Umsatz ist sie nur drittstärkste Kraft innerhalb der Unternehmensgruppe und trägt 16 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Dennoch scheint Bouygues kein Interesse daran zu haben, sein Telekomgeschäft zu verkaufen. Durch die wachsende Nutzung digitaler Anwendungen stehe die Branche vor einer neuen Wachstumsphase, die man selbst nutzen wolle. Bouygues kritisierte außerdem, dass Altice keine überzeugende Lösung für eventuelle Probleme mit den Wettbewerbsbehörden geliefert habe. Das Angebot sah vor, Teile der Netzwerke und Mobilfrequenzen an den Konkurrenten Iliad abzugeben, um die Fusion auszugleichen – offenbar nicht genug. 

Preiskampf und Kundenschwund: Die Probleme der Branche in Frankreich

Die aktuellen Entwicklungen im französischen Telekommarkt stehen damit sinnbildlich für die gesamte Branche. Um zu wachsen, wird geschluckt, was geht. Zur Show gehören natürlich auch gescheiterte Übernahmen, milliardenschwere Bieterwettstreits, Preiskämpfe und jede Menge lasche Werbeslogans. Bouygues will an diesem Spektakel gerne weiter voll teilhaben, der Mischkonzern Vivendi hingegen hat sich im Frühjahr von seinen letzten Anteilen an SFR getrennt. Für Numéricable-SFR war das erste Quartal 2015 jedoch von Problemen geprägt, die Kundenzahl ging vor allem im Bereich Mobilfunk deutlich zurück und damit auch der Umsatz um 4,6 Prozent auf 2,74 Milliarden Euro. Dem will der Konzern mit weiteren Investitionen entgegenwirken und den neuen Netzstandard 4G für bis zu 70 Prozent der Bevölkerung verfügbar machen. Zuletzt waren dies rund 400 Millionen Euro allein im ersten Quartal.

Der Konkurrent Orange konnte seinen Quartalsumsatz relativ stabil bei 9,67 Milliarden Euro halten und so den Abwärtstrend des Vorjahreszeitraums bremsen. Als Marktführer in Frankreich gewann Orange zudem 164.000 Mobilfunkkunden hinzu. Auch ein Engagement in Deutschland könnte sich der Konzern vorstellen. Dabei spielt die Sparte Orange Horizons eine zentrale Rolle, mit deren Hilfe die Möglichkeiten hierzulande sondiert werden sollen. Derzeit besteht noch eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom, doch die geplante Vereinheitlichung des europäischen Marktes birgt neues Potenzial. Orange schloss die aufregende Woche mit einem deutlichen Plus an der Börse ab. Der Aktienkurs machte eine glatte Kehrtwende, Analysten äußerten sich positiv. Trotz der Bouygues-Absage behielt das Papier einige Gewinne und notiert derzeit bei gut 16,30 US-Dollar (NYSE).

Analysten erwarten Fortsetzung der Aktienhausse

Für die US-Investmentbank Goldman Sachs hat Orange seinen Platz auf der „Conviction Buy List“ weiterhin verdient. Zwar sei die Konsolidierung des französischen Telekommarkts vorerst gestoppt, aber nicht unmöglich geworden. Eine Analyse der DZ Bank bestätigt diese Einschätzung. Für die Aktien der Branche sei ein fortgesetzter Aufwärtstrend nicht unwahrscheinlich, weil die Übernahmefantasie weiter Kurstreiber sein dürfte. So auch Drahis Numéricable-SFR, deren Aktie zum Börsenschluss rund 2,80 Euro mehr wert war als in der Vorwoche. Die zukünftige Geschäftsentwicklung der (noch) vier großen Akteure hängt vor allem davon ab, ob der scharfe Preiskampf, den vor allem der Billiganbieter Iliad mit Free betreibt, lange anhält. Orange erwartet, dass die Balance erst 2017 gefunden sein wird – bleibt abzuwarten, ob Drahi bis dahin vielleicht Lust auf Orange hat. Anleger sollten dabei nicht nur die Unternehmensergebnisse und die französische Regierung, sondern auch die Behörde ARCEP im Blick behalten, die den Telekommarkt reguliert. Aufgrund einer anstehenden Gesetzesänderung bestimmt sie zukünftig auch über Roaming-Abkommen zwischen den Anbietern.

Marius Mestermann