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BMW: Neuer Mann am Steuer

Wenn Norbert Reithofer im Mai den Konzern-Staffelstab an seinen Nachfolger Harald Krüger übergibt, endet bei BMW die erfolgreichste Ära der Unternehmensgeschichte. Der neuen Chef hat viel Arbeit vor sich: Im Rückspiegel sind die Audi-Ringe sowie der Mercedes-Stern deutlich zu sehen. Auf Krüger wartet die große Herausforderung, die exponierte Lage des Branchenprimus zu bestätigen oder gar weiter auszubauen.

BÖRSE am Sonntag

Wenn Norbert Reithofer im Mai den Konzern-Staffelstab an seinen Nachfolger Harald Krüger übergibt, endet bei BMW die erfolgreichste Ära der Unternehmensgeschichte. Der neuen Chef hat viel Arbeit vor sich: Im Rückspiegel sind die Audi-Ringe sowie der Mercedes-Stern deutlich zu sehen. Auf Krüger wartet die große Herausforderung, die exponierte Lage des Branchenprimus zu bestätigen oder gar weiter auszubauen.
 
Wer will schon gehen, wenn es gerade am Schönsten ist? Niemand verlässt direkt nach dem Jawort die Kirche, kaum einer geht an Silvester um kurz nach Mitternacht ins Bett, und nur allzu selten lässt sich ein Fußballer sofort auswechseln, nachdem er in der 5. Minute ein Tor geschossen hat. Anders sieht es hingegen bei BWM-Boss Norbert Reithofer aus. Er tritt ausgerechnet im Anschluss an das beste Jahr der Konzerngeschichte von seinem Chefposten ab, und macht damit auf dem Höhepunkt seiner Karriere Platz für einen Jüngeren. Dabei hinterlässt Reithofer, in der Branche durch seine zurückhaltend-freundliche Art sowie seine ausgewiesene Expertise im Bereich der Produktion hoch geschätzt, Fußstapfen so groß wie der Hubraum eines 7er BMW. Vor allem die Anleger dürften ihm die ein oder andere Träne nachweinen: Immerhin hat sich der Aktienkurs seit seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender im September 2006 ungefähr verdreifacht. Zumindest aber bleibt Reithofer, der stolz auf fünf Bestjahre in Folge mit immer neuen, immer höheren Rekordzahlen zurückblicken kann, seinem Konzern als Chef des Aufsichtsrates erhalten. Mit der getroffenen Nachfolgerregelung zeigt sich der Oberbayer sehr zufrieden. Krüger, genau wie Reithofer vor der Berufung an die Konzernspitze als Produktionsvorstand tätig, sei „sein Mann“.
 
Mit dem Wachwechsel habe man einen „langfristigen Generationswechsel" eingeleitet, der Kontinuität mit der „Gestaltungskraft der jüngeren Generation" verbinde, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats, Stefan Quandt. „Die Automobilindustrie befindet sich weiter im Umbruch. Wer die Mobilität von morgen mitgestalten will, muss immer wieder aufs Neue überzeugende Antworten auf künftige Herausforderungen entwickeln. Die BMW Group soll auch in Zukunft ihre Führungsrolle im Premiumsegment der Automobilindustrie behalten. Dazu ist es notwendig, die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Unternehmens rechtzeitig an nachfolgende Generationen zu übergeben“, begründet der scheidende Aufsichtsratschef Joachim Milberg den Schritt. Nächstes Jahr wird BWM also mit neuer Mannschaft die Feierlichkeiten rund um den 100. Geburtstag begehen. Dieser soll allen voran dazu dienen, nach vorne zu blicken. Von den Planern des Jubiläumsjahres hieß es zuletzt, man wolle bei der Gelegenheit die Zukunft der Mobilität betonen, statt nur in die Vergangenheit zu schauen. Durch den Führungs-und Generationswechsel werden die Münchner dieses Vorhaben glaubhaft repräsentieren können.
 
Auf den designierte Konzernchef Harald Krüger warten in den kommenden Jahren wichtige Modellentscheidungen, um die Spitzenposition von BMW als weltweit führenden Premium-Anbieter verteidigen oder gar ausbauen zu können. Eine Schlüsselrolle könnte dabei den elektrischen i-Fahrzeugen zukommen. Bislang bietet das Bayerische Traditionsunternehmen als Elektrofahrzeuge den komplett batterie-elektrisch angetriebenen Kleinwagen i3, der sich im vergangenen Jahr rund 16000-mal verkaufte, und den zusätzlich mit einem Benzinmotor ausgestatteten Sportwagen i8 an. Zwar sorgt BWM mit dieser innovativen Produktlinie für viel Aufmerksamkeit und Zukunftsphantasie. Doch der Konzern muss noch nachweisen, dass sich damit auch tatsächlich Geld verdienen lässt. Über Deutschlands Straßen rollen aktuell nur rund 130.000 Elektroautos und Hybride. Nach Angaben der Bundesregierung soll sich diese Zahl jedoch bis zum Jahr 2020 auf eine Million erhöhen.

Dennoch gibt es nach wie vor erhebliche Zweifel, ob sich die neue Technologie als Massenware durchsetzen kann. „Die Autos werden nicht gekauft“, prophezeit etwa Porsche-Chef Matthias Müller, der mit dieser Meinung nicht gerade exklusiv dasteht. Neben der geringen Reichweite- der BMW i3 beispielsweise kann lediglich 190 Kilometer fahren bis er wieder an die Steckdose muss- beklagen Kritiker vor allem die viel zu lange Ladezeit, eine völlig unterentwickelte Infrastruktur, eine mangelnde staatliche Förderung sowie deutlich zu hohe Preise. Auch der Kleinwagen BMW i3, für den Kunden 40.000 Euro hinblättern müssen, ist signifikant teurer als vergleichbare herkömmliche Autos. Allerdings könnten Elektroautos dank neuer Batterien mit einem höheren Nickelanteil ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähiger werden. Ob es de facto dazu kommt, und ob die anderen Knackpunkte auch gelöst werden können, wird wohl weiterhin kontrovers diskutiert werden. Milberg jedenfalls strahlt Zuversicht aus, und erwartet bis „2020, spätestens aber 2023″ einen Anstieg des Anteils der Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben auf etwa zehn Prozent.
 
Des Weiteren wird mit Spannung erwartet, wie Krüger, der seit 2008 im BMW-Vorstand sitzt, seinen Konzern international entwickelt. Eine besondere Rolle dürfte dabei China spielen, das den größten Einzelmarkt für BMW darstellt. Im vergangenen Jahr verkauften die Münchner 17 Prozent mehr Autos als noch 2013 ins Reich der Mitte. Allerdings erwartet der bayerische Automobilhersteller für dieses Jahr nur noch einstellige Wachstumsraten in China. Zudem sind dort die Margen in den letzten Jahren gefallen. Für den designierten Aufsichtsratschef Reithofer stelle China derzeit eine „große Herausforderung" dar. Chinesische Kunden, die bislang begeistert BMW-Autos zu vollen Preisen gekauft hatten, werden immer wählerischer und fordern zunehmend Rabatte. Zudem gibt es ständig Probleme mit den staatlichen Behörden, die häufig hart gegen ausländische Konzerne vorgehen, und das Geschäft durch fragwürdige Befragungen und Ermittlungen erschweren. Zuletzt musste BMW wegen eines Streits mit chinesischen Händlern rund 700 Millionen Euro zahlen. Als ähnlich herausfordernd entpuppen sich momentan die Hoffnungsmärkte Brasilien und Indien, die zuletzt etwas enttäuschten. Das Geschäft in Russland, einst als extrem vielversprechend eingestuft, ist indes gar völlig eingebrochen. Auf dem europäischen Gesamtmarkt herrscht immerhin leichte Erholung, die allerdings nur durch politisch und gesamtwirtschaftlich stabil bleibende Verhältnisse längerfristig garantiert werden kann.
 
Auf den neuen Konzernchef Krüger warten also viele Prüfsteine. Trotz der Tücken, mit denen er zu kämpfen haben wird, bekommt er von Reithofer ein wahrhaft gut bestelltes Haus hinterlassen. Auch für dieses Jahr rechnet BMW wieder mit Plusraten: Die Münchner gehen von einem Wachstum im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich aus. Die Kernsparte Automobile soll dabei eine Gewinnspanne von acht bis zehn Prozent erreichen. Vergangenes Jahr lag diese bei 9,6 Prozent und damit gleichauf wie beim Rivalen Audi, der dank der VW-Zugehörigkeit allerdings an vielen Stellen enorme Kosten sparen kann. Durch die 15 neuen sowie überarbeiteten Modelle erhofft sich BMW für 2015 eine Absatzsteigerung im Vergleich zum vergangenen Jahr. 2014 brachte der Konzern 2,1 Millionen Fahrzeugen an den Kunden. Unterm Strich erwartet der bayerische Automobilriese also auch dieses Jahr wieder neue Rekorde. Falls diese Hoffnungen am Ende des Jahres wirklich erfüllt werden, darf sich Krüger dann einen großen Anteil zum Gelingen auf seine Fahne schreiben. Bis dahin gibt es aber noch einiges zu tun für den neuen Chef und sein BMW-Team, zu dem auch weiterhin Reithofer gehört. Nur sitzt eben jener ab Mai nicht mehr auf dem Fahrersitz. Krüger hat dann das Steuer in der Hand.