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Thyssen-Krupp: Hiesinger spart sich in die Gewinnzone

Durchatmen bei Thyssen-Krupp. Der Industrieriese hat erstmals seit drei Jahren wieder ein schwarzes Jahresergebnis erzielt. Es ist ein Befreiungsschlag für Konzernchef Hiesinger, denn seine Bilanz war bisher tiefrot.

BÖRSE am Sonntag

Durchatmen bei Thyssen-Krupp. Der Industrieriese hat erstmals seit drei Jahren wieder ein schwarzes Jahresergebnis erzielt. Es ist ein Befreiungsschlag für Konzernchef Hiesinger, denn seine Bilanz war bisher tiefrot.

Der Industriekonzern Thyssen-Krupp schreibt nach jahrelanger Krise erstmals wieder schwarze Zahlen und will eine Dividende zahlen. Die Anleger sollen für das Geschäftsjahr 2013/14 per Ende September elf Cent je Aktie erhalten, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Damit hatten viele Analysten nicht gerechnet. Nach drei Verlustjahren in Folge fuhr der Konzern einen Nettogewinn von 210 Millionen Euro ein nach einem Fehlbetrag von über 1,4 Milliarden Euro im Vorjahr.

Den bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) konnte Thyssen-Krupp mit 1,3 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. An der Börse kamen die Zahlen gut an: Im frühen Handel bei Lang & Schwarz stiegen die Aktien des Konzerns um gut fünf Prozent. Die Thyssen-Krupp-Anleger reagierten erfreut auf die schwarzen Zahlen des Stahlkonzerns. Die Aktien kletterten am Donnerstag in der Spitze um 3,3 Prozent auf 20,39 Euro, den höchsten Stand seit mehr als sieben Wochen. Sie waren damit Spitzenreiter im Dax. Vor allem die Aussicht auf eine Dividende seien positive Nachrichten, sagte ein Händler.

Vorstandschef Heinrich Hiesinger, dessen Vertrag am Vortag vorzeitig bis 2020 verlängert wurde, will im laufenden Geschäftsjahr die Ergebnisse weiter steigern. Der Überschuss solle deutlich verbessert werden und das bereinigte Ebit mindestens auf 1,5 Milliarden Euro klettern. Perspektivisch peile Thyssen-Krupp ein Ebit von mindestens zwei Milliarden Euro an. Einen Zeitraum dafür nannte Hiesinger aber nicht.

Die letzte Dividende hatte Thyssen-Krupp für das Geschäftsjahr 2010/11 gezahlt. Damals gab es 45 Cent je Aktie. Über die jetzige Gewinnausschüttung dürfte sich auch die Krupp-Stiftung freuen, deren wichtigste Einnahmequelle die Dividenden aus der 23-prozentigen Beteiligung sind. Zu den Anteilseignern zählt auch der Finanzinvestor Cevian, der mit gut 15 Prozent neuer Großaktionär ist. Cevian kündigte an, seinen Deutschland-Chef Jens Tischendorf Anfang 2015 in den Aufsichtsrat schicken zu wollen.

„Das Geschäftsjahr 2013/14 markiert einen Meilenstein in unserer Ergebnisentwicklung“, sagte der Thyssen-Krupp-Chef. Der Konzern komme voran, er wolle aber nicht nachlassen und die Ergebnisse weiter verbessern. Die Nettofinanzschulden konnte er binnen eines Jahres um rund 1,5 Milliarden auf 3,5 Milliarden Euro verringern. Hiesinger schraubte das bis September 2015 geplante Einsparziel um 200 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro nach oben. Er wolle Thyssen-Krupp weiter zu einem breit aufgestellten und profitablen Industriekonzern umbauen.

„Die Summe der Konzernteile schafft mehr Wert, als jeder einzelne Geschäftsbereich es jemals alleine könnte.“ Für Hiesinger sind die schwarzen Zahlen ein Befreiungsschlag, denn die Bilanz des Hoffnungsträgers liest sich bislang tiefrot: Für drei Jahresergebnisse war Heinrich Hiesinger als Chef des Industriekonzerns Thyssen-Krupp bislang verantwortlich – dreimal musste er Milliardenverluste erklären. So warnt er auch aktuell vor Euphorie: „Wir sind inzwischen ʼrunter von der Intensivstation und liegen im Aufwachraum.“

Aufsichtsratschef Ulrich Lehner bescheinigte dem seit Januar 2011 amtierenden Manager dennoch, das zuletzt in eine tiefe Krise geratene Unternehmen mit „Konsequenz“ und „Augenmaß“ wieder auf den richtigen Weg gebracht zu haben. Nun muss der Krisenmanager beweisen, dass er Thyssen-Krupp auch nachhaltig in bessere Zeiten führen kann. Der Druck dürfte größer werden – zumal der neue Großaktionär Cevian mehr Macht will. Der Anspruch auf seinen Platz im Aufsichtsrat belegt dies. Der Finanzinvestor gilt als aktiver Anteilseigner und mischt sich durchaus in seine Beteiligungsunternehmen ein.

Auch rund vier Jahre nach dem Amtsantritt Hiesingers ist der Umbau des durch Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Übersee tief in die Krise geratenen Unternehmens nicht abgeschlossen. „Wenn man ein Unternehmen umbaut, das sich über Jahre tief in die Krise manövriert hat, dann dauert es auch Jahre, das Unternehmen wieder auf eine vernünftige Basis zu stellen“, hatte Hiesinger noch bei der Bilanzvorlage vor einem Jahr allen Erwartungen auf ein schnelles Ende des laufenden Umbaus eine Absage erteilt.

Im vergangenen Geschäftsjahr profitierte der Konzern von seinem Kostensenkungsprogramm. Das ursprünglich angepeilte Einsparziel von 850 Millionen Euro sei um 150 Millionen Euro übertroffen worden. Die Sparte Steel Americas, zu der nach dem Verkauf des US-Stahlwerks nur noch das Hüttenwerk in Brasilien gehört, konnte ihre operativen Verluste auf 60 Millionen Euro verringern nach einem Fehlbetrag von 495 Millionen im Vorjahr. Verluste schrieben allerdings auch die von dem finnischen Outokumpu-Konzern zurückgenommenen Töchter VDM und Terni. Auch die europäische Stahlsparte machte Boden gut. Sie konnte ihr Ergebnis um 73 Millionen auf 216 Millionen Euro verbessern. Der Stahlindustrie in Europa machen die Konjunkturflaute, der anhaltende Preisdruck und Überkapazitäten zu schaffen.

Die zurückgenommenen Geschäftsteile sind eines der größten Probleme des Konzerns. Sie sollen so schnell wie möglich fit für einen neuen Verkaufsversuch gemacht werden. Doch gegen die geplante Sanierung des seit Jahren defizitären Werks im italienischen Terni etwa gibt es massiven, auch gewalttätigen Widerstand der Beschäftigten. Selbst der Papst hat sich schon eingemischt. Hinzu kommt die anhaltend schwache Rentabilität des Stahlgeschäfts. Unklar ist auch, welche Zukunft der Marine-Schiffbau im Konzern hat. Für Wachstumschancen wiederum sind die Spielräume eng – die Eigenkapitalquote von unter zehn Prozent ist die schwächste aller Industrieunternehmen im Dax.

Unbestritten sind die Erfolge Hiesingers bei der Veränderung der Unternehmenskultur beim Essener Ruhrkonzern. Statt bloßen Hierarchiedenkens soll es nun vor allem um Leistung gehen. Reihenweise trennte sich das Unternehmen von Managern, der Vorstand wurde ausgewechselt und auch der lange als unantastbar geltende Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nahm seinen Hut. Die rote Karte gab es für die firmeneigene Jagd und den Unternehmensjet.

„Dass Thyssen-Krupp so gut dasteht, ist auch dem Kulturwandel in der Organisation zu verdanken“, sage Harald Linné von der Management-Beratung Atreus. Dieser Wandel sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Hiesinger selbst hat mehrfach betont, dass er die Probleme bei seinem Amtsantritt Anfang 2011 unterschätzt habe. Doch der anspruchsvolle Job scheint ihm trotzdem Spaß zu machen: „Ich bin gern Vorstandsvorsitzender von Thyssen-Krupp“, gab er zu Protokoll.