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Börsen-Crash: 5 Gründe, warum die nächste Finanzkrise naht

Inflation, US-Zinswende, Krypto-Blase, strudelnde Techwerte und dann auch noch der Ukraine-Konflikt: Aktionäre müssen sich darauf einstellen, dass es an der Börse kracht.

(Bild: Shutterstock)

Inflation, US-Zinswende, Krypto-Blase, strudelnde Techwerte und dann auch noch der Ukraine-Konflikt: Aktionäre müssen sich darauf einstellen, dass es an der Börse kracht.

Es war früh in der Finanzkrise im Jahr 2007, als in Frankfurt ein Investmentbanker den Satz sagte: „Geld ist immer genug da. Es ist nur die Frage, wem es gerade gehört.“ Einige Wochen später war klar: Ihm gehörte es nicht mehr. Die Banken hatten sich verspekuliert.

15 Jahre später stimmt der Satz immer noch. Geld ist da, sogar mehr als genug. Es könnte aber sein, dass die, die vom Geldregen der Notenbanken mitprofitiert haben, die Aktionäre, demnächst selbst im Regen stehen. Davor warnen Leute wie Robert Shiller: „Der Aktienmarkt“, sagt er „ kann bis zu 50 Prozent korrigieren.“ Und Shiller ist nicht irgendwer, sondern genau der US-Ökonom, der bereits früh vor der Dotcom-Blase und dem Immobilien-Crash 2008 gewarnt hat. Nun schlägt der Yale-Ökonom erneut Alarm.

Tatsächlich steigt die Gefahr eines Crashs an den Börsen von Tag zu Tag. Fünf Gründe sind dafür verantwortlich, dass die Unsicherheit derzeit höher ist, als in den vergangenen Jahren, in denen es auffällig lange an den Märkten ruhig geblieben war:

1. Die Inflation ist außer Kontrolle

Shiller sieht in den gestiegenen Inflationsraten den gefährlichsten Sprengstoff. Hans Werner Sinn, ehemaliger Präsident des Ifo-Instituts und noch immer rastloser Ökonom, erklärt in einem Gespräch mit der Medienplattform Pionier, was schiefgelaufen ist: Zwei Drittel der Firmen im sogenannten verarbeitenden Gewerbe beklagen, dass sie nicht genug Material bekommen. „Das haben wir noch nie gesehen.“ Die Folge: Die Preise für Zwischenprodukte sind um 24 Prozent innerhalb eines Jahres gestiegen. Auch das gab es noch nie. Die Konsequenzen, warnt Sinn, werden von allen Experten inklusive der EZB unterschätzt. Denn das Thema ist noch gar nicht bei den Konsumentenpreisen angekommen. „Da ist noch was in der Pipeline.“

Dass Aktien vor Inflation schützen, ist dabei ein Irrglaube. Konkret zieht die Inflation jene Aktien in Mitleidenschaft, die sich im Mittelfeld befinden und eine zuverlässige Dividendenrendite zwischen ein und drei Prozent oder auch knapp darüber abwerfen. Hier frisst die Inflation die Rendite. Die solide deutsche Mittelklasse steht vor einem Bewertungskiller, wenn die Inflation steigt und steigt. Dazu kommt ein psychologischer Moment: Aktien und vor allem ihre Besitzer schwanken oft zwischen Euphorie und Depression. In Phasen hoher Inflation werden sie nervös, verkaufen und Anleger erleiden Kursverluste. Bestes Beispiel ist die Stagflation in den 1970er Jahren mit Inflationsraten zwischen vier und acht Prozent in Deutschland, beziehungsweise zwischen vier und 13 Prozent in den USA, entsprechend hohen Leitzinsen und schwachen Aktienmärkten.

2. Die Zinsen ziehen an

Weil die Inflation wie ein Rennpferd von gemächlichem Schritt in zügigen Trab verfallen ist, hat US-Notenbankchef Jerome Powell die radikalste Kehrtwende in der Geldpolitik angekündigt, die die US-Notenbank jemals vollzogen hat. Aus Anleihekäufen sollen Anleiheverkäufe werden. Dadurch wird Liquidität in ganz großem Stil vernichtet. Außerdem: Bis zu fünf Zinserhöhungen können dieses Jahr noch kommen. „Als Segler ist mir klar: Ich muss mein Schiff vorsichtig steuern, sonst falle ich bei so einer Wende von Bord“, sagt der populäre deutsche Vermögensverwalter Jens Erhardt und spricht im Handelsblatt von einem „Stresstest für Aktien“. Dass sich die Europäische Notenbank von der Fed völlig dauerhaft abkoppelt, ist nicht zu erwarten. Steigende Zinsen in den USA aber nicht in Europa würden den Dollar gegenüber dem Euro unerschwinglich werden lassen. US-Produkte vom I-Phone über Tesla bis zur Sojabohne würden teuer und Spekulanten würden sich mit Wonne ins Währungsgeschäft stürzen. Wenn die Zinsen steigen, werden Anleihen interessanter als Aktien und Investoren schichten ihr Geld um mit der Folge, dass die Kurse an den Börsen einbrechen. Steigende Zinsen bedeuten auch teurere Kredite, Unternehmen fahren ihre Investitionen zurück, was ihre  Aussichten, die es ja in Wahrheit vor allem an den Börsen gehandelt werden, eintrübt.

3. Kryptowährungen stehen vor der Explosion

Jeder Explosion braucht einen Funken, der einen an sich schon gefährlichen Mix hochgehen lässt. Der Funken sind diesmal die Digitalwährungen. In einer beispiellosen Euphorie sind Investoren in den vergangenen fünf Jahren in Bitcoin. Ethereum und Co. eingestiegen. Zeitweise katapultierten Unternehmerstars wie Elon Musk die Kurse in schwindelerregende Höhen, als sie ankündigten, Produkte wie ein Tesla ließen sich mit Bitcoin bezahlen. Als Musk die Ankündigung kassierte, rutschte der Kurs in die Tiefe und es wurde klar: Eine unregulierte Währung ist ein Spielball der Superreichen. Sie ist eine „völlig wertlose Anlage ohne den geringsten inneren Wert“, sagt Vermögensverwalter Erhardt. Und fügt hinzu: „Wenn jeden Monat über 1000 „Währungen“ dieser Art neu dazukommen, fragt man sich, wie einige Leute behaupten können, dass diese Anlage wegen fehlender Vermehrbarkeit einen Inflationsschutz bieten würde.“ Wenn aber das, was Fans als größte Innovation auf den Finanzmärkten seit der Erfindung des Schuldscheins preisen, unter die Räder gerät, lässt das auch die Aktienmärkte nicht unbeeindruckt. Investoren wie Cathie Wood mit ihren milliardenschweren Fonds geraten unter Druck und müssen das, was in ihren Portfolios noch werthaltig ist, verkaufen. Der Funke springt damit über wie ein Virus aus Wuhan.

4. IT-Werte sind bereits im Abwärtsstrudel

„Techwerte geben nach“ -  „Nasdaq unter Druck“ - „Milliarden-Absturz bei Meta“: Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen sprechen eine deutliche Sprache. Aber wie immer am Ende eines Booms: Die Mehrheit der Investoren nimmt sie als Einzelfälle wahr. Als Ausreißer. Dabei sind sie längst ein Trend. Es ist wie bei Partygästen. Niemand will gehen, wenn die Party so richtig tobt. Dabei neigt sich bereits der Getränkevorrat und die Polizei ist wegen Ruhestörung im Anmarsch. Bei internationalen Fondsmanagern sind die sogenannten „most crowded trade“, wo sich Billionen von Investmentgeldern drängeln, noch immer eine Empfehlung. Dabei bewegen sich die Tech-Aktien mit ihren Bewertungen, die vor Phantasie fast platzen, jenseits der Realität. Der KGV als verlässlicher Messpunkt für Unter- oder Überwertung zählt angeblich nicht mehr. Die, die Schlimmes ahnen, haben dafür gesorgt, dass Wachstumswerte zuletzt gelitten haben, wie ein Blick auf die technologielastige US-Börse Nasdaq zeigt: Nach dem jüngsten Kursrückgang ist hier mehr als ein Fünftel der Aktien um mehr als 80 Prozent vom Höchststand abgestürzt. Rendite hungrige Investoren pumpen in dieser Situation ihr Geld in Startups, von denen manche nicht einmal ein Produkt haben. An der Börse gibt es sogenannte Spacs zu kaufen, das sind Hüllen, die sich mit wertvollen Unternehmen füllen sollen. Schon die Hüllen werden hochgehandelt.

5. Politik und Gesellschaft spielen verrückt

Mitten in Europa stehen sich das größte europäische Land Russland und das flächenmäßig zweitgrößte, die Ukraine, säbelrasselnd gegenüber. Der Konflikt heißt mal wieder Ost gegen West, und beide Seiten nutzen ihr maximales Erpressungspotenzial: Der Westen zündelt am internationalen Finanztransfersystem Swift. Wenn er es aufs Spiel setzt, ist der Osten mit einem Schlag von den Weltfinanzströmen abgeschnitten. Im Kreml wiederum nutzt die politische Führung die Abhängigkeit des Westens von den Energielieferungen zur Demonstration seiner Macht mit der Folge, dass explodierende Energiepreise die Inflation zusätzlich anheizen.

Dazu kommt eine irrlichtender Corona-Politik, die in jedem EU-Land anders ausfällt. Mario Draghi, erst EZB-Präsident, der das „Wath ever it takes“ einführte, sitzt nun an der Spitze der Regierung des chronisch überschuldeten Italiens und weiß genau, wie er die EU-Coronahilfen maximal abgreifen kann. Sein Land glänzt mit Wachstumsraten, von denen Deutschland, wo die Politik wie ein Rock’n Roll-Tänzer zwei Schritte vorwärts und dann einen zurück aus der Pandemie stolpert, nur träumen kann. Von einem einheitlichen Markt ist nicht die Rede. Die Unberechenbarkeit der Corona-Politik ist Gift für die Börse.

All das lässt Investoren schon lange nicht mehr ruhig schlafen. Die historisch Beschlagenen unter ihnen wissen zudem: Die Weltbörsen haben seit Ende der Schuldenkrise fast ausnahmslos zugelegt. Drei Jahre, sieben Jahre, zehn Jahre geht es vor allem bergauf. Noch niemals hat ein Zyklus so lange gedauert. Die letzten beiden großen Krisen haben die Aktionäre 2000 und 2008 erlebt. Zur Jahrtausendwende war das die Internetaktien-Blase und im anderen Fall eine Immobilienblase. Heute haben wir eine Blase an den Finanzmärkten, die im Gegensatz zu früheren Übertreibungen beinahe alle Anlageformen zu exzessiv hohen Preisen geführt hat. Die Korrektur ist in Sicht.

Oliver Stock

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