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Vermögensverwalter: Goldpreis könnte 2030 bei 4.800 US-Dollar stehen

Für seine Goldpreisstudie „In Gold We Trust“ findet der Lichtensteiner Vermögensverwalter Incrementum international Beachtung. Nun liegt die neue Version vor. Autor und Portfolio-Manager Ronald Peter Stöferle erklärt im Interview warum das hohe Kursziel noch konservativ ist, welche Faktoren den Preis beflügeln und wieso eine große Welle an Unternehmenspleiten auf uns zurollt.

Goldene Zeiten für Anleger? Der Bullenmarkt jedenfalls ist intakt. (Foto: eamesBot / Shutterstock)

Für seine Goldpreisstudie „In Gold We Trust“ findet der  Lichtensteiner Vermögensverwalter Incrementum international Beachtung. Nun liegt die neue Version vor. Autor und Portfolio-Manager Ronald Peter Stöferle erklärt im Interview warum das hohe Kursziel noch konservativ ist, welche Faktoren den Preis beflügeln und wieso eine große Welle an Unternehmenspleiten auf uns zurollt.

Herr Stöferle, in Ihrer Studie sprechen Sie vom „Aufbruch in eine goldene Dekade“ und trauen dem Edelmetall auf Sicht von zehn Jahren ein Kursziel von 4.800 US-Dollar zu. Das ist beinahe das Dreifache des aktuellen Preises. Ganz schön optimistisch.

Das klingt natürlich nach einem sehr aggressiven Kursziel. Auf der anderen Seite entspricht das einer annualisierten Wachstumsrate von knapp zehn Prozent, was sich dann schon nicht mehr so dramatisch anhört. Das ist natürlich auch kein festes Kursziel. Wir sagen nicht, wir werden dieses Niveau mit Sicherheit erreichen.

Wie kommen Sie darauf?

Für die Berechnung des Preisziels haben wir zwei Parameter herangezogen – die Geldmengenentwicklung und den impliziten Golddeckungsgrad. Da der US-Dollar nach wie vor die Weltleitwährung ist und den stärksten Einfluss auf den Goldpreis hat, haben wir die Daten für den US-Dollarraum analysiert und entsprechend ein Preisziel von 4.800 US-Dollar erhalten.  Die Verteilung unseres Preismodells ist dazu extrem rechtsschief. Höhere Preise sind also deutlich wahrscheinlicher als niedrigere. Man muss solche Modelle natürlich immer mit Vorsicht genießen, da sie immer eine gewisse Unschärfe haben. Aber wir sind mit den Zahlen eigentlich recht vorsichtig umgegangen und wollten bewusst nicht marktschreierisch sein. Wenn wir Wachstums- und Inflationsraten wie in den 1970er Jahren zugrunde gelegt hätten, dann wären wir bei einem Kursziel von 8.900 US-Dollar Ende des Jahrzehnts. Unser Modell basiert also auf harten Fakten, die historisch betrachtet fundiert sind.

Was sind denn die Faktoren, die für einen steigenden Goldpreis sprechen?  

Eine Vielzahl von Faktoren lässt einen höheren Goldpreis erwarten. Wesentlich ist natürlich das Realzinsniveau. Aufgrund der erreichten Schuldenstände werden wir in absehbarer Zeit keine signifikant steigenden Realzinsen sehen, das heißt, die Realzinsen werden negativ bleiben oder negativ werden. Dann unterstützt die Rezession den Goldpreis, die wir bereits im letzten Jahr prognostiziert haben. Natürlich wussten wir nichts von einem Virus. Aber uns war klar, dass sich die Rezessionswolken verdichten. Und auch, dass die Maßnahmen der Notenbanken sowie die von fiskalpolitischer Seite dann nochmal um einiges aggressiver würden ausfallen müssen als 2008/09. Ganz einfach, da wir es mit einem fallenden Grenznutzen zu tun haben. Heißt: Man benötigt immer mehr Schulden und immer mehr Kredite, um einen spürbaren konjunkturellen Effekt zu erzielen.

Das sehen wir jetzt.

Richtig. Die Fed hat innerhalb weniger Wochen ihre Bilanzsumme um drei Billionen US-Dollar ausgeweitet. Meiner Meinung nach ist das erst der Anfang. Wir sehen hier kein klassisches Quantitative Easing mehr, sondern eine zunehmende Verzahnung zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Das ist ein Trend, den wir sehr kritisch sehen. Hinzu kommt die fallende Unabhängigkeit vieler Notenbanken und teilweise sogar die direkte Finanzierung des Staates durch die Notenbank, wie beispielsweise jetzt in England. Das sind alles Dinge, die besorgniserregend sind. Und gegen die Gold ein gewisse Versicherung bietet. Und dann ist da natürlich noch das steigende Inflationsrisiko, das deutlich höher ist, als von den Finanzmarktteilnehmern eingepreist.

Was macht Sie da so sicher?

Es heißt oft, es hätte im Nachgang der Finanzkrise 2008/09 keine Inflation gegeben. Das stimmt aber nicht. Wir haben eine massive Asset-Price-Inflation gesehen. Jetzt sehen wir noch viel größere Rettungspakete als damals. Per Ende April beliefen sich die fiskalischen und monetären Stimuli weltweit auf 20 Billionen US-Dollar. Das entspricht 23,6 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Dazu kommen neue Maßnahmen, die in Richtung Helikoptergeld, Modern Monetary Theory oder bedingungsloses Grundeinkommen gehen. Solche Dinge werden zumindest diskutiert und früher oder später vielleicht auch implementiert werden. Und die haben nochmal einen viel direkteren Einfluss auf die Inflationsdynamik. Traditionelles Quantitative Easing ist immer über den Bankensektor gegangen. Bei diesen Maßnahmen wird dieser Umweg nicht genommen.

Gibt es darüber hinaus noch weitere Faktoren?

Es lassen sich durchaus weitere inflationstreibende Trends beobachten, wie den hin zur Deglobalisierung zum Beispiel. Wir sehen auch Rufe nach höheren Mindestlöhne und aufgrund der Maßnahmen im Zuge der Coronakrise eine sinkende Produktivität. Das hat Konsequenzen für die Fertigungsprozesse. Im April gab es in den USA übrigens die höchsten Preiszuwächse in Supermärkten seit 46 Jahren. Da gibt es eine sehr interessante Studie, die besagt, dass die Konsumenten ihre Inflationserwartungen sehr stark an die Supermarktpreise koppeln. Damit haben nun viele Leute wieder Inflationsängste. Alles Dinge, die mich vorsichtig stimmen und glauben lassen, dass die Inflation zum Thema werden könnte.

Das ist ja auch genau das, was die Notenbanken erreichen wollen.

Das ist kein Geheimnis. Es ist ja klar: Je verschuldeter ich bin, desto mehr fürchte ich die Deflation und desto mehr wünsche ich mir die Inflation. Insofern spricht einiges für steigende Inflationsraten. Nicht unmittelbar, aber vielleicht auf Sicht der nächsten Quartale.

Alles Pluspunkte für Gold. Wie sieht es mit den Risiken aus? An den Aktienmärkten zeichnet sich eine rasche Erholung ab. Könnte das den Goldpreis nicht kurz- bis mittelfristig unter Druck setzen?

Natürlich. Der Goldpreis ist schon stark angestiegen. Auf Euro-Basis steht er seit Jahresbeginn mit zwölf Prozent im Plus. Letztes Jahr betrug das Plus 22,7 Prozent. Da kann es natürlich schon sein, dass die Rally zwischenzeitlich eine Verschnaufpause einlegt. Das ist ja auch völlig normal und gesund. Dennoch bleibt der Bullenmarkt intakt. Ein Grund dafür ist, dass Gold in jeder Währung steigt und in jeder Währung mit Ausnahme des US-Dollars neue Allzeithochs erreicht hat. Der zweite Grund ist, dass Gold mittlerweile die Aktien outperformt und auch die Anleihen. Entsprechend glaube ich, dass dieser Bullenmarkt noch einen weiten Weg vor sich hat. Dazu gehen der Welt die sicheren Häfen aus. Das wird in den nächsten Jahren zu einem großen Thema werden.

Apropos sichere Häfen. Wie sicher ist Gold eigentlich wirklich? Gold kann nicht insolvent gehen. Gold kann man auch nicht drucken. Man kann aber beispielsweise seinen Besitz verbieten. Und rückblickend ist das schon oft passiert.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie im Leben. Und auch Gold ist keine eierlegende Wollmilchsau. Gold ist ein stabiler und verlässlicher Teil eines Portfolios, aber nicht die Antwort auf alle Fragen. Aktien, Cash-Reserven, Immobilien und alle weiteren Anlageklassen haben im Portfoliokontext ihre Berechtigung. Was Goldverbote anbelangt: Historisch gab es die, wenn Gold auch einen monetären Charakter hatte. Insofern halte ich das für nicht so wahrscheinlich. Auf der anderen Seite will ich nicht ausschließen, dass irgendwann einmal auf steuerlicher Seite etwas passiert – Stichwort finanzielle Repression.

Wie würde Ihre Goldpreisprognose eigentlich aussehen, wäre das Coronavirus nie ausgebrochen?

Das Virus war natürlich ein Trendbeschleuniger. Wir haben aber schon im letzten Jahr darauf hingewiesen, dass sich die Anzeichen einer Rezession verdichten. Das hat man beispielsweise an der Zinsstrukturkurve gesehen, die invertiert war – eigentlich der verlässlichste Indikator für eine Rezession. Dazu waren die Unternehmensergebnisse alles andere als positiv.

Dafür scheinen viele ziemlich überrumpelt.

Mich wundert es immer, wenn die Leute sagen, dass doch alles eitel Sonnenschein war. Dem war eben nicht so. Natürlich kam der Virusausbruch unerwartet, aber auf der anderen Seite wären viele der Dinge, die jetzt passieren, ohnehin passiert. Wichtig ist jetzt zu analysieren, in welche Richtung es weitergehen kann. Ich halte beispielsweise eine V-förmige Erholung für relativ ausgeschlossen. Es gibt natürlich einige Krisenprofiteure, aber ein Großteil der Branchen leidet massiv. Einiges wurde nun kurzfristig durch die Rettungsmaßnahmen der Politik abgefangen. Aber klar ist: Die große Pleitewelle kommt noch. Das, was wir bislang gesehen haben, war nur das Vorspiel. Die Ratingagentur S&P hat ihren Ausblick bei 1.300 Unternehmen und 18 Staaten zum Negativen verändert. Da wird es noch viele Abstufungen geben, sprich die Refinanzierungen werden teurer und dann werden die Risiken höher eingeschätzt. Ich habe immer gesagt: Nach der Coronakrise kommt die Schuldenkrise. Nicht nur auf Ebene der Staatsschulden, sondern auch auf der der Unternehmen und der privaten Haushalte.

Raten Sie also davon ab, in Aktien zu investieren?

Das kommt ganz darauf an. Man muss natürlich selektiv vorgehen. Grundsätzlich werden gut gemanagte Unternehmen mit guten Produkten, die sauber finanziert sind, auch durch diese Krise kommen, sogar gestärkt. Abgesehen davon sind das Scheitern und der Bankrott elementare Bestandteile eines kapitalistischen Systems. Je länger die Insolvenzverschleppung anhält, desto brüchiger werden die Strukturen und desto schlimmer ist die „Japanifizierung“, die ich befürchte. Es ist ja normal nicht so, dass wenn ein Unternehmen Konkurs geht alle Assets verpuffen, dass dann die Arbeiter und die Maschinen plötzlich weg sind. Da ändern sich einfach die Bewertungen. Insofern halte ich das längerfristig für reinigend. Kurzfristig nicht, klar. Aber je länger man solche Dinge hinausschiebt, desto böser wird das Erwachen.

Zurück zum Gold. Viele Faktoren, die Preis des Edelmetalls antreiben, bedrohen gleichzeitig unser Wirtschafts- und Finanzsystem. Wettet man mit einem Goldinvestment nicht irgendwie auch gegen das eigene, uns bekannte Wirtschafts- und Finanzsystem?

Jemand der vor 1971 gelebt hat, dem  würde wahrscheinlich das derzeitige Geld- und Finanzsystem als komplett abstrus erscheinen. Der würde sich wundern, wie stark die Märkte von Aussagen von Politikern und Notenbankern bewegt werden im Vergleich zu Unternehmenskennzahlen und Produktideen. Man sieht also schon eine gewisse Pervertierung unseres Systems. Ob ein Goldinvestment jetzt eine Wette dagegen ist, ist schwer zu sagen. Gold ist einfach ein Asset außerhalb des Systems, das nicht wahllos inflationiert werden kann und kein Gegenparteirisiko hat. Wenn ich Gold physisch halte, dann ist des einhundertprozentiger Besitz. Es gibt keine Versprechungen, die daran geknüpft sind. Gold ist keine Religion und sicher nicht die Antwort auf alles, aber sicher eine gute Antwort auf die Probleme, die die Welt momentan hat.

Nun lautet ihr Report ja auf den Namen „In Gold We Trust“. Vertrauen Sie eigentlich auch noch auf etwas anderes, als auf Gold?

Investments in solide geführte Unternehmen haben natürlich stets ihre Berechtigung. Es gibt wahnsinnig spannende Technologien im Moment, vollkommen klar. Generell glaube ich, dass Rohstoffe eine Renaissance feiern werden. Dazu sind wir sehr zuversichtlich für Bitcoin. Meiner Meinung nach ist Bitcoin digitales Gold. Überhaupt hat sich in den letzten Jahren im Bereich der Krypto-Assets unglaublich viel getan. Ich glaube es wird irgendwann ganz normal sein, dass man digitale Assets im Portfolio hält. Und da sehe ich Bitcoin und Ethereum als die wesentlichen Player.

Entwickeln sich diese womöglich auch zu einer Art sicherer Hafen?

Ja. Die Volatilität von Krypto-Assets im Allgemeinen ist natürlich noch hoch. Aber wir haben in diesem Jahr gesehen, dass der Preis von Bitcoin seit Jahresbeginn beachtliche 36 Prozent im Plus liegt. Vor kurzem haben wir einen Fonds aufgelegt, der physisches mit digitalem Gold, also Bitcoin, kombiniert. Das ist für Anleger eine sehr spannende Kombination. Der Kryptobereich wird in den kommenden Jahren sehr viele Innovationen sehen, weil es unglaublich viele smarte, visionäre junge Leute gibt, die an Lösungen arbeiten. Diese Innovationen werden auch das traditionelle Bankensystem – zumindest zum Teil – obsolet machen. Wieso ist es beispielsweise immer noch nicht möglich rasch und kostengünstig international Überweisungen zu tätigen? Da bieten Kryptowährungen auf Dauer zahlreiche Möglichkeiten. Und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung.

Bleiben wir nochmal beim „analogen“ Gold. Zieht dessen Preisrekordjagd auch den Silberpreis mit nach oben?

Für Silber sind wir sehr zuversichtlich. Das Gold-Silber-Ratio hat im März einen historischen Höchststand markiert. Im Zuge eines Gold-Bullenmarktes fällt das Ratio meistens, das heißt Silber entwickelt sich besser als Gold. In der nächsten Stufe folgen dann die Rohstoffe. So kann ich mir gut vorstellen, dass wir bei Letzteren eine Renaissance erleben werden, auch wenn Rohstoffbullen im Moment in etwa so häufig anzutreffen sind wie Eisbären in der Sahara. Die Konjunkturpakete, die jetzt geschnürt werden, haben aber natürlich Konsequenzen auf die Rohstoffnachfrage. Aus antizyklischer Sicht eine sehr interessante Konstellation.

Sollten Anleger eigentlich physisches Gold kaufen, oder auf Finanzprodukte wie ETCs, Futures oder Goldminenaktien zurückgreifen?

Das ist immer eine Frage der Motivation. Als Absicherung gegen hohe Inflation oder eine Währungsreform ist physisches Gold eindeutig zu bevorzugen. Steht die Performance im Mittelpunkt, dann kann ich natürlich auch Papiergold oder Minenaktien kaufen. Bei Minenaktien darf man aber natürlich nicht vergessen, dass diese ein Aktienmarktrisiko enthalten und deutlich volatiler als physisches Gold sind.  

Wie viel Gold gehört, Stand jetzt, im Juni 2020, ins Depot?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Grundsätzlich hängt natürlich viel von der persönlichen Risikotoleranz ab, oder davon, wie sehr man vom Eintreten bestimmter Krisenszenarien überzeugt ist. Es gibt viele akademische Studien, die zwischen sieben und 15 Prozent empfehlen. Meiner Meinung nach sollten es zehn Prozent auf jeden Fall sein, angesichts der derzeitigen Gemengelage eher noch ein bisschen mehr.

Das Gespräch führte Oliver Götz

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